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München: NATO-"Sicherheitskoferenz" Die heiße Phase beginnt

Zwischen Anti-Kapitalismus und Kinderschutzbund

Die Diskussionen werden heftiger, die Stellungnahmen immer absurder: Die
NATO-Sicherheitskonferenz vom 7. bis 9. Februar in München sorgt bereits jetzt
für Unruhe.

Horst Teltschik, der Organisator der "Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik"
- so der offizielle Name der Tagung - spricht von einer "Friedenskonferenz", die
Gegner von einem "Treffen der Welt-Kriegselite". Gegen die Tagung, die vom 7.
bis 9. Februar zum 39. Mal im "Hotel Bayerischer Hof" in der Münchner Innenstadt
stattfinden wird, mobilisiert das "Bündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz",
das schon die Proteste im letzten Jahr organisierte, zusammen mit Attac und dem
Münchner Friedensbündnis. In den letzten Wochen sprangen außerdem der Münchner
Kinderschutzbund, die evangelische Kirche und Teile der Gewerkschaften auf den
Zug auf. Den absoluten Clou landete aber der Münchner Oberbürgermeister
Christian Ude als er beim Dreikönigstreffen der SPD am 6. Januar erklärte, er
wolle sich ebenfalls an Demonstrationen beteiligen. Seitdem ist in München eine
heftige Diskussion entbrannt zwischen der CSU, der Münchner Polizei, den
Veranstaltern der NATO-Sicherheitskonferenz um den früheren Kanzlerberater Horst
Teltschik, der SPD und den Grünen, die ihre Rhetorik vom "Nein zum Irak-Krieg"
bei gleichzeitigem offiziellen Sektempfang für die Teilnehmer der
NATO-Sicherheitskonferenz durch OB Christian Ude immer hilfloser verteidigen.

Die wundersamen Wandlungen des Christian U.
Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude hat ein großes Problem: Im letzten
Jahr stellte er sich demonstrativ hinter das Kreisverwaltungsreferat und
unterstützte das Verbot der Proteste gegen die NATO-Sicherheitskonferenz. In der
Endphase des Kommunalwahlkampfes versuchte er, mit einer harten Linie Stimmen am
rechten Rand zu fischen. Bis heute aber haben die Behörden keinen Nachweis
erbracht für die "bis zu 3.000 Chaoten und Gewaltbereite", die München angeblich
"entglasen" wollten. Im Gegenteil: Die Hinweise verdichten sich, dass diese
Meldung frei erfunden war. Sie ähnelt zudem verdächtig den Warnungen, die das
bayerische Innenministerium 1992 anläßlich des damals in München stattfindenden
Weltwirtschaftsgipfels lancierte. Auch damals war von "3000 Chaoten" die Rede,
die Warnhinweise von damals stimmen zum Teil wortwörtlich mit denen vom Februar
2002 Jahr überein.
OB Ude ist inzwischen klar, dass seine Strategie im letzten Jahr nicht
aufgegangen ist. Im Gegenteil: Er musste Spott und heftige Kritik über sich
ergehen lassen. Deshalb will Ude heuer alles richtig machen. Er werde dieses
Jahr "Demonstrationen erlauben" war schon im Dezember von ihm zu hören. Die
Münchner CSU reagierte prompt und warnte vor einem "Persilschein". Ihr
Vorsitzender Johannes Singhammer polemisierte im gewohnten Stammtisch-Ton von
"gewalttätigen Chaoten, denen die Grenzen aufgezeigt werden müssten". Wohl um
die Fehler vom letzten Jahr wieder gut zu machen, ließ sich OB Ude dann am 6.
Januar zu der verhängnisvollen Ankündigung hinreißen, selbst an Demonstrationen
teilnehmen zu wollen.

Der Zick-Zack-Kurs von Ude und Co
Mit dieser Aussage begann für Ude ein Drahtseilakt, den er wohl nicht mehr lange
durchhalten wird. Denn die Antwort von Seiten der Organisatoren der
Protestaktionen kam prompt: Man freue sich, dass sich Ude den Protesten gegen
den Krieg im Irak und gegen die NATO-Sicherheitskonferenz sowie gegen die
"Kriegspolitik der Bundesregierung" anschließen wolle, sagte Claus Schreer vom
"Bündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz" auf einer Pressekonferenz Anfang
Januar. OB Ude sitzt damit in der Falle, den gegen "seine SPD" will er dann doch
nicht demonstrieren. Seit Anfang Januar versucht er deshalb verzweifelt, einen
Ausweg zu finden ohne sein Gesicht zu verlieren. Denn - anders als im letzten
Jahr - verweist seit Wochen auch die "bürgerliche" Presse in München explizit
auf die Inhalte der Mobilisierungsflugblätter, in denen der Zusammenhang
zwischen kapitalistischer Globalisierung und Kriegspolitik der NATO-Staaten
hervorgehoben wird. Ein Zusammenhang, den Ob Ude nicht sehen will. Er hat vor,
gegen einen Krieg im Irak demonstrieren, lehnt es aber - gezwungenermaßen - ab,
an der Demonstration vom 8. Februar teilzunehmen, weil "dort ausgerechnet die
Bundesregierung verleumdet wird, die am konsequentesten von allen europäischen
Regierungen gegen den Krieg eintritt". Ude rudert verzweifelt zurück.
Inzwischen sind jedoch diverse andere Gruppen und Organisationen dem Münchner
Oberbürgermeister blindlings in die Zwickmühle gefolgt. So ruft beispielsweise
Heidrun Kaspar, die Vorsitzende des Kinderschutzbundes in München, Eltern und
Großeltern dazu auf, sich dem Protestmarsch anzuschließen, da "Kinder die am
meisten betroffenen Opfer des Krieges werden". Auch die Kirchen vertrauten Ude
offenbar und erklärten öffentlich, Schlafplätze für anreisende Demonstranten
bereit zu stellen. Ebenso wie andere "Trittbrettfahrer" waren sie anscheinend
davon überzeugt gewesen, dass es Ude gelingen würde, die Organisatoren der
Gegenveranstaltungen zu vereinnahmen und die Proteste gegen die
NATO-Sicherheitskonferenz auf die schlichte Botschaft einer
"Friedensdemonstration" zu verkürzen. Mit diesem Vorhaben aber ist Christian Ude
kläglich gescheitert.

Rot-Grün lügt - auch in München
Was sich in München derzeit abspielt, ist vergleichbar mit den naiven
Beteuerungen von Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer, Deutschland
werde sich nicht an einem Krieg gegen den Irak beteiligen, während gleichzeitig
sämtliche Tageszeitungen seit Wochen in Artikel um Artikel darauf hinweisen,
dass Deutschland schon mitten drin steckt: US-amerikanische Einrichtungen werden
von Bundeswehrsoldaten geschützt, deutsche Soldaten fliegen in den
Awacs-Aufklärungsflugzeugen mit und geben Zieldaten durch, und die
Anti-ABC-Einheiten in Kuwait werden auch noch zum Einsatz kommen.
Was Schröder in Berlin vormacht, versucht Ude in München zu kopieren. So
erklärte er vor Wochen, ob es einen städtischen Empfang für die Teilnehmer der
NATO-Sicherheitskonferenz gebe, hänge davon ab, "ob Annan oder Rumsfeld dort das
Sagen hat." Inzwischen hat Annan abgesagt und die angekündigten Vertreter der
US-Regierung werden ihren Auftritt in München sehr wahrscheinlich dazu nutzen,
die US-amerikanische Irak-Politik zu begründen und dann letztendlich
durchzusetzen. Doch nach wie vor bekräftigt Ude, dass er einen städtischen
Empfang für die Konferenzteilnehmer ausrichten wolle. Um sich gleichzeitig aber
als Friedenstaube darstellen zu können, wird er - so der Stand am 21.1. - eine
eigene Demonstration zusammen mit Gewerkschaftsbund und (wiederum) den Kirchen
anmelden. Diese Demonstration soll sich dann ausschließlich gegen den Krieg im
Irak richten. Sein Parteifreund Maget allerdings sagte noch am 18.1.: "Es ist
schwer vermittelbar, die Teilnehmer der Konferenz mit Sekt zu empfangen und
parallel dazu gegen einen Krieg im Irak zu demonstrieren." Ebenso zweigleisig
fahren die Grünen: Während Fraktionschef Benker gegen die
NATO-Sicherheitskonferenz demonstrieren will, verteidigt der 2. Bürgermeister
Monatzeder die Konferenz: Man müsse "jede Gelegenheit nutzen, um die Amis vom
Krieg abzuhalten".

Der Mikrokosmos München
Mit platten Anti-Amerikanismus und immer größeren Widersprüchen versuchen die
Regierenden in München, ebenso wie in Berlin, der Bevölkerung ihre Politik zu
verkaufen. Dabei stolpern sie jedoch einerseits über kritische Stimmen innerhalb
ihrer Parteien und andererseits über die offensichtliche Realität der aktiven
Beteiligung Deutschlands am Krieg.
Unabhängig vom Verlauf der Demonstrationen in München könnte bereits im Vorfeld
ein großer Erfolg der Proteste gegen die NATO-Sicherheitskonferenz sein, diese
Diskussion in die Öffentlichkeit getragen zu haben. Die Rhetorik vom "Krieg für
Menschenrechte" sowie von der "Friedensmacht Europa" verliert so immer mehr an
Glaubwürdigkeit. Das Verhalten sowie die Aussagen der Politiker in München tun
ein übriges, um diese Position zu diskreditieren. Der politische GAU für Ude und
Anhang wäre folgendes Szenario am 8. Februar: am Marienplatz demonstrieren
Zehntausende gegen die NATO-Sicherheitskonferenz, Militarismus und Kapitalismus,
während parallel dazu nur einige wenige zur Kundgebung von Oberbürgermeister
Christian Ude kommen.

 

22.01.2003
anonym    [Schwerpunkt: Wipe out WEF and Nato!]  Zurück zur Übersicht

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