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Algermissen: Deutsche Realitäten angreifen! Rassismus bekämpfen! Bundesweite Demonstration am 16. 11.

Bundesweite Demonstration in Algermissen (bei Hildesheim)
Samstag 16. November
15.00 Uhr- Bahnhof

Algermissen. Ein ganz normaler deutscher Ort zwischen Hannover und Hildesheim.

Ein Ort im Grünen und eine ganz normaler Ort in Deutschland. Auf den Straßen
von Algermissen herrscht rassistische „Betriebssamkeit“. Immer wenn gerade mal
ein sogenanntes Volksfest auf dem Plan steht, werden rassistische Stammtisch
Parolen in die blutige Tat umgesetzt. So wurde das örtliche Asylheim mehrmals
von einem rassistisch aufgeheizten Mob angegriffen.
Am Samstag dem 31.August wurde eine Gruppe von vier MigrantInnen von einer
Horde von etwa 20 deutschen Jugendlichen, darunter vier erkennbare Nazis, auf
dem Schützenfest angegriffen. Die Flüchtlinge wurden umzingelt, beschimpft und
angepöbelt. Eine gaffende Menge sah diesem Schauspiel zu, ohne einzugreifen.
Die Flüchtlinge flohen zurück in ihre Unterkunft, wurden jedoch von der Gruppe
verfolgt und mehrfach geschlagen. Ein Flüchtling erlitt eine Verletzung am
Arm, ein zweiter eine Platzwunde am Hinterkopf, die im Krankenhaus genäht
werden musste. Die zu Hilfe gerufene Polizei schützte die Flüchtlinge vor
weiteren Übergriffen, nahm jedoch keine Personalien der Täter auf. Lediglich
die Personalien der betroffenen Flüchtlinge wurden registriert. Danach verließ
die Polizei zunächst den Ort.

Nachdem die Polizei weg war, kamen die Täter zurück und zerschlugen mehrere
Scheiben der Unterkunft. Ein Flüchtling wurde durch einen Glassplitter im Auge
getroffen. Von der erneut gerufenen Polizei verlangten die Bewohner nunmehr
ultimativ eine Unterbringung in einer anderen Unterkunft, was von der Polizei
jedoch abgelehnt wurde. Wenigstens wurde das Gebäude über Nacht von der
Polizei bewacht.

Am Sonntagabend dem 01. September 02 überfielen gegen 21 Uhr etwa 50, teils
mit Eisenstangen bewaffnete Schützenfestbesucher erneut die Unterkunft.
Diesmal handelte es sich nicht nur um Jugendliche, sondern auch um erwachsene
DorfbewohnerInnen, die lauthals rassistische Parolen grölten. Einige
BürgerInnen drangen in die – nicht abschließbare - Flüchtlingsunterkunft ein,
zertrümmerten eine Zwischentür und versuchten, auch die abgeschlossenen
Zimmertüren aufzubrechen, hinter die sich die in Angst und Schrecken
versetzten Bewohner geflüchtet hatten. Auch als die Polizei eintraf, ließen
sie nicht von ihrem Tun ab, sondern schlugen weiter gegen die Tür. Sie blieben
mehr als eine Stunde im Haus. Die Polizei sah sich nicht in der Lage, zu den
um Hilfe rufende Flüchtlingen in den ersten Stock zu kommen. Aus der Menge
wurde die Polizei aufgefordert zu verschwinden und angegriffen, eine Person
wurde daraufhin festgenommen. Erst nach mehr als einer Stunde verschwanden die
Angreifer.

Doch dieser pogromartige Überfall war kein Einzelfall. Im Frühjahr 2002 wurde
ein Flüchtling vor seinem Zimmer ins Gesicht geschlagen und erstattete Anzeige
gegen den Täter. Vor drei Monaten wurden sämtliche Wände innerhalb der
Flüchtlingsunterkunft mit rassistischen und faschistischen Parolen sowie
Hakenkreuzen besprüht, welche die Gemeinde beseitigen ließ, offenbar ohne
Strafanzeige zu stellen. Im Sommer 2002 wurden tamilische Flüchtlinge von
einem Mann, der einen in der Flüchtlingsunterkunft lebenden Obdachlosen
besuchte, mit einer Gaspistole aufgefordert, „ins Haus“ zu gehen. Ständig hat
es nach Aussage der tamilischen Flüchtlinge Drohungen und Beschimpfungen durch
Besucher dieses Obdachlosen gegeben, die offensichtlich ungehindert in der
Unterkunft ein- und ausgehen konnten.
Die „Stadtoberen“ von Algermissen zeigen nun ihrerseits „Toleranz“ gegenüber
den Flüchtlingen, indem sie ihren BürgerInnen mit der Parole „Ausländer raus“
Recht geben und ihrerseits „das Problem“ aus dem Ortskern entfernen möchte.
Wörtlich: „Um die Situation, falls sie noch so sein sollte, zu entschärfen,
wird beabsichtigt, diesen Personenkreis dezentral im Gemeindegebiet mit
Wohnraum zu versorgen.“ Ein Mitarbeiter der „Ausländerbehörde“ kommentierte
die Überfälle wie folgt: „die Betroffenen könnten ja zurück nach Sri Lanka
gehen“ Algermissen, eine ganz normaler deutscher Ort im Grünen.

Rassismus fällt nicht vom Himmel, sondern kommt aus der Mitte der Gesellschaft

Rassismus fällt nicht vom Himmel, sondern ist ein fester und gewollter
Bestandteil dieser Gesellschaft. Mit Kampagnen wie "Kinder statt Inder", BILD-
Zeitungsartikeln à la "Der schlimmste und der ärmste Asylant" und der endlosen
Debatte um ein "Zuwanderungsgesetz" sowie der Stimmungsmache konservativer und
faschistischer Kreise wird ein rassistisches Klima gefördert, in dem es
möglich ist, vorhandene Ressentiments blutig umzusetzen.

Das "neue Deutschland" im Zeichen des Rassismus tat seine ersten Schritte in
Rostock, Hoyerswerda, Dolgenbrodt, Wurzen, manifestiert sich jetzt auch in
entschlackter Form in Algermissen. Der deutsche Mob setzt die bürgerliche
Definition der „Schicksalsgemeinschaft aller Deutschen“ durch rassistische
Vertreibung beflissen in die Tat um. Dabei erweisen sich organisierte Neonazis
und rassistische Schläger als Handlanger des deutschen Biedermanns.
Der rassistische Terror hat heute einen anderen Hintergrund als vor zehn
Jahren. Rassismus besteht aus Ressentiment plus Rentabilitätserwägung. In
nationalem Übermut konzentrierten sich die Konservativen in den neunziger
Jahren auf die Beförderung des Ressentiments - vor allem gegen Flüchtlinge.
Dabei gingen sie allerdings so weit, dass deren Ausbeutung erheblich erschwert
wurde. Selbst CSU-Funktionäre fingen an, über eben jenen Mangel an
Billiglöhnern in ihren Hotelküchen zu lamentieren, den sie durch
Massenabschiebungen selbst verursacht hatten. Rassismus wurde zum
kostspieligen Vergnügen. Rot-Grün hingegen forciert den Rentabilitätsaspekt
und betont die Ausnutzbarkeit der Einwanderer. Hier preschte die Regierung
allerdings mit der Green-Card-Regelung so weit vor, dass sich nunmehr der
völkische Pöbel beleidigt fühlte und die rassistische Balance selbsttätig
wieder herzustellen versucht. Gegenwärtig übernimmt also der Mob das
Ressentiment und die Elite die Rendite. Frei nach dem Motto: getrennt
schlagen, vereint diskriminieren.

Auch wenn die Interessen von Elite und Mob sich zuweilen widersprechen - in
der Umsetzung rassistischer Ideologie ergänzen sich beide prächtig. Die neue
globale Weltordnung und lokale faschistoide Schläger sind somit nur zwei
Seiten derselben Medaille. Die hiesigen Völkischen müssen daher als höhnische
Karikaturen der neoliberalen Utopien der Neuen Mitte begriffen werden und als
deren konsequente Vollstrecker. Was sie seit Jahren brutal exekutieren, ist
nichts anderes als die eigentliche Botschaft des derzeit überall verbreiteten
Toleranzgefasels. Dessen Tenor ist, dass blanker Mord wohl etwas überzogen sei
und den Standort schädige.

Blanker Hohn also, wenn sich eine rot/grüne Regierung, als „Weltoffen“
und „Tolerant“ präsentiert. Geht es doch letztlich darum, nur „verwertbare“
und „nützliche“ Arbeitskräfte zu rekrutieren. Letztendlich dreht es sich um
die Verwertung des Menschen im Kapitalismus und da stehen nun mal die
MigrantInnen mit an letzter Stelle.

Wenn nun der oder die Vorurteilsbeladene annehmen darf, daß die Obrigkeit
genauso denkt wie er/sie oder dass alle irgendwie so denken wie man selbst,
verdichtet sich das Vorurteil zur Gewissheit. In diesem Kontext wirken Staat
und Gesellschaft als Manipulatoren der Gewaltentladung.

Nicht zu vergessen ist auch, über Fluchtursachen und Migration nachzudenken.
Im Zeichen marktstrategischer kapitalistischer Globalisierung, deren
Auswirkung die Verreicherung der 1. Welt und die Verarmung der sogenannten 3.
Welt ist, wird überhaupt Migration produziert. Denn wo es Krieg gibt, wo der
Hunger und Elend einen in den Wahnsinn treiben, ist Flucht oder Emigration die
einzige Möglichkeit zum Überleben!

Kein Anfang vom Ende

Unsere Absicht ist es nicht, Algermissen zu rehabilitieren . Wir wollen keinen
Zirkus des sogenannten Aufstand der Anständigen veranstalten. Es geht uns
vielmehr darum, Rassismus als eine Form der Widerwärtigkeit der herrschenden
Politik zu entlarven. Es wird noch hunderte Orte wie Algermissen geben, in
denen ein rassistischer Mob zuschlagen kann und Erfüllungsgehilfe des
völkischen Mainstreams sein wird.
Grundsätzlich bedeutet dies, den Kapitalismus im Ganzen, als eine mörderische
Form der Unterdrückung, zu entlarven.

Realitätsnah, ohne die Perspektive einer sozialen Revolution, bedeutet dies
aber auch, sich mit den Flüchtlingen zu solidarisieren und sie vor dem Mob
von StammtischtäterInnen, Nazis und Stadt zu beschützen. Diese Demonstration
soll nicht der Anfang vom Ende sein, sondern vielmehr der Anfang vom Aufbau
progressiver Kräfte. Denn nur durch die Stärkung ländlicher antirassistischer
und antifaschistischer Strukturen ist zumindest ein gewisser Schutz vor
Pogromen gewahrt.

Ebenfalls soll die Stadt Algermissen zu einem deutlichen Schutz der
MigrantInnen gezwungen werden, da wir sonst die Stadt mit einer Vielzahl von
Aktionen übersehen werden.

Antirassismus muss praktisch werden!
Für den Aufbau antifaschistischer Strukturen!

Bundesweite Demonstration in Algermissen (bei Hildesheim)
Samstag 16. November
15.00 Uhr- Bahnhof

Aktuelle Infos:  http://www.antifa-hannover.de

Aufrufende Gruppen:
Antifaschistische Aktion Hannover [AAH], Schwarze Strolche –Jugendantifa-,
Unabhängige Antifa Wunstorf, Antifaschistisches Plenum Braunschweig, Jugend
Antifa Aktion Braunschweig, Autonome Antifa (M) Göttingen, Antifa Wennigsen,
Aktionsbündnis "Langenhagener Gegen Rechte Gewalt", Autonome Antifa Gruppe
Bremen (AAGB), Antifaschistisches Komitee (AK) Bremen

Die Demonstration wird unterstützt durch:
Gruppe M.A.D. Hannover, Kooperative Flüchtlings Solidarität, VVN-BdA Hannover,
PDS Region Hannover, Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen,
Antifaschistische Aktion Hamburg/Harburg

 

29.10.2002
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