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Hagen: Demo & Konzert | ROCK THE CITY - SMASH CAPITALISM [21. September 2002]

Es spielen:Stroh (Ska aus Spanien)
Rotes Haus (Hamburg)
Microphone Mafia (Köln)
Lords op d`r rhing (Köln)
Judy`s Mad Day (Hagen)


Die Stadt gehört uns allen!
Kapitalismus abschaffen!

Wir haben schon lange gewählt! Einen Tag vor dem üblichen Wahlspektakel
wollen wir mit euch gegen den Kapitalismus und für ein besseres Leben für
alle demonstrieren und feiern.

ROCK THE CITY, SMASH CAPITALISM

Der Run auf den Platz an der Sonne beginnt schon früh. Spätestens in der
Schule. Mit Ellenbogen um das begehrteste Mädchen, die tollsten Klamotten
und die besten Noten. Später dann um die begehrteste Frau, das tollste Auto
und den besten Job. Wer verliert, trifft sich später wieder, auf den
Arbeits- und Sozialämtern, in den Gefängnissen oder Suppenküchen. Je größer
die Chancen zu den Verlieren zu gehören, desto stärker werden auch die
Abgrenzungsversuche gegenüber dem Elend. Und die Chancen stehen gut: Es gibt
immer weniger zumindest einigermaßen sichere Beschäftigungsverhältnisse,
fast jeder und jede muss damit rechnen, im Zuge von
Rationalisierungsmaßnahmen auf der Strasse zu landen. Was einen dort
erwartet ist schlicht menschenunwürdig: Stigmatisierung als ?Drückeberger?
und dergleichen, Gelder, die kaum zum Leben reichen, der Zwang Knochenjobs
für kaum mehr Kohle anzunehmen und stetige Schikanen auf den Arbeits- und
Sozialämtern.

Über all dem, also dieser menschlich degenerierten Gesellschaft steht das
herrschende kapitalistische Prinzip Profit zu erwirtschaften. Fast jeder
Mensch ist gezwungen, seine Arbeitskraft feilzubieten und sich in Konkurrenz
zu anderen Menschen zu setzten. Dieses angelernte Konkurrenzverhalten, das
die Profiterwirtschaftung garantiert, indem die Menschen möglichst produktiv
und günstig sein wollen, durchzieht alle gesellschaftlichen Bereiche.
Andersherum wird es in allen gesellschaftlichen Bereichen immer weiter
vermittelt, so dass der Konkurrenzkampf um die vorhandene Arbeit immer
weiter in den Köpfen verankert wird. Die Menschen werden also im
gesellschaftlichen Leben auf ein Verhalten und Denken zugerichtet, das den
Fortbestand der kapitalistischen Logik garantiert. Er/Sie wird und macht
sich selbst zum Objekt, zur Arbeitsmasse, die nur nach ihrer Produktivität
bewertet wird. Wer den Akkord nicht schafft, fliegt, wer morgens lieber im
Bett liegen bleibt findet sich schnell auf dem Arbeitsamt wieder. Die dort
aufeinandertreffenden Schicksale haben verschiedene Geschichten, von nicht
können bis hin zu nicht wollen, aber die selbe Moral: Wer nicht mitmacht,
kann auch nicht so leben wie die produktiven Teile der Bevölkerung. Und das
wird ihnen von allen deutlich gezeigt, vom Staat, der die Gelder kürzt, von
den Nachbarn, die mit teils traurigen, teils abwertenden Blicken tuscheln,
von dem Sohn, der nicht versteht, warum er seine Nike-Schuhe nicht bekommt,
von den Bullen, die es nicht gerne sehen, wenn sich gezeichnete Leute auf
den Bänken vor den Geschäften rumdrücken und vor den Kameras, die - vorher
nie wahrgenommen - nun einen zu verfolgen scheinen.

?We will rock you!? ist der Soundtrack einer Gesellschaft mit beschränkter
Haftung für die am Rande selbiger, in der nicht nur Stefan Effenberg den
Arbeitslosen ans Leder und an die paar Euros Sozialleistungen will. ?We? and
?you? - wir und sie. Das elendig Normale gegen das normale Elend. Die
Konsumtempel der Einkaufpassagen und die Suppenküchen an deren Rand. Wer
ersteres einmal gesehen hat, möchte das andere nicht erleben. Und was mich
daran erinnert, will ich nicht sehen. Das Elend muss da bleiben wo es ist,
ich will da bleiben wo ich bin. Wer im Konsumtempel sitzt, sitzt meist auch
am längeren Hebel und hat damit die Definitionsmacht über das, was Normal
ist. Normal bin ich, normal sind wir in den Tempeln, krank, abartig oder
einfach nur unschön sind die anderen. Die Grenzen sind also gezogen, nun
müssen sie geschützt werden. Nicht mit roher Gewalt, nicht mit Polizei und
Militär alleine. Nicht so, dass unser ?Normales? als barbarisch entlarvt
wird, sondern subtiler.


Here we go:

Von Butiken, Fitnessstudios, Sonnenbänken und individuellen Nadelstreifen
oder
Das Übel mit dem Normalen

...in einer Zeit der Individualität. So oder ähnlich könnte die Überschrift
ergänzt werden. Oder sie könnte gänzlich anders formuliert werden, etwa ?Das
Übel mit der Individualität in einer Zeit des Normalen?. Klingen beide
Überschriften im ersten Moment noch recht gegensätzlich, so geht die
Gleichung im Kontext unserer Gesellschaft doch auf, verschwimmt der
Antagonismus beider Begrifflichkeiten, das Normale und die Individualität,
in einem sonnengebräunten Brei, in eben dieser unseren Gesellschaft.

Individualität verkauft sich gut. Ob auf Werbetafeln, im Fernsehen, in
Zeitungen oder im Radio. Sei du selbst, am besten mit Levis, Audi und
Gard-Styling Produkten. Mach was aus dir, im Job oder in deiner Freizeit im
24h geöffneten Fitnesstudio. Fit, schön, gesund und erfolgreich, das Credo
einer Gesellschaft in der alles möglich ist, wenn du es nur willst. Die
normalisierte Individualität im Alltagsdenken hat auch einen Gegenpol,
nämlich hässlich, krank, erschöpft und damit nicht so leistungsfähig.
Wer den physischen und psychischen Anforderungen der Arbeits - und
Freizeitwelt nicht genügt, ist krank oder abnormal und gehört zu denen, die
außen vor stehen. Sie sind unnütz für die anderen, sie sind unnütz für die
Wirtschaft, taugen weder als Produzenten noch als Konsumenten.

Geschlechterverhältnisse in der kapitalistischen Logik

Die klassische Rolle der Frau innerhalb dieser kapitalistischen Gesellschaft
liegt in der Reproduktion, der Arbeit im Haushalt, dem Großziehen der
Kinder, was der Entlastung des auf Lohnbasis arbeitenden Mannes dienen soll,
der sich vor allem auf die Produktion zur Anhäufung von Kapital
konzentrieren soll. Diese Reproduktionsarbeit wird nach wie vor dem
Tätigkeitsbereich der Frau zugeschrieben. Heute gehen die meisten Frauen
jedoch ebenfalls der Lohnarbeit nach, sodass sie durch Haushalt und
Lohnarbeit einer doppelten Belastung ausgesetzt sind. Hinzu kommt noch, dass
Frauen zumeist in schlechter bezahlten Bereichen arbeiten als Männer, die
zudem kaum eine Perspektive auf sozialen Aufstieg bieten. Ob in Callcentern
oder im Supermarkt an der Kasse ? Frauen dienen im postfordistischen
Kapitalismus vor allem als billige Arbeitskräfte.
Diese heutige Form einer patriachalen Gesellschaftsordnung hat ihren
Ursprung vor allem in der Entstehung des Kapitalismus. Männer verdingten
sich der Lohnarbeit in den Fabriken, während Frauen die notwendige
reproduktive Tätigkeit zur Wiederherstellung der Arbeitskraft zugewiesen
wurden. Aus dieser Zuteilung entwickelte sich auch typische charakterliche
Zuschreibungen: dem Mann wurde u. a. Organisationsfähigkeit und ein
generelles rationales Denken angedichtet, Frauen wurden dagegen eher als
gefühlsbetont bzw. emotional angesehen. Das Geschlechterverhältnis ist also
kein biologistisches Resultat, sondern das einer Konstruktion, die Zweck und
Nutzen hat.

Rassistischer Konsens

Der ?Aufstand der Anständigen? im Sommer letzten Jahres wollte uns
weismachen, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gehe
ausschließlich von ein paar Nazi-Glatzen aus, während neben her das
Asylrecht faktisch abgeschafft, Abschiebeknäste gebaut und offen mit
antisemitischen und rassistischen Ressentiments Wahlkampf gemacht wird.
Rassismus ist jedoch vielmehr das Produkt eines gesellschaftlichen Konsens,
der Sündenböcke schafft und

ökonomische Ausbeutung ermöglicht. Menschen, die aus anderen Ländern aus Not
geflohen
sind und auf ein menschenwürdiges Leben hoffen, sind durch ihre Situation
gezwungen, die schlechtesten Jobs zu den minimalsten Löhnen anzunehmen. Auf
dem Bau oder als ?RaumpflegerInnen? arbeiten diese dann unter Bedingungen,
die nicht nur dem ?deutschen Kleinbürger? unvorstellbar sind. Trotzdem
bemühen auch in diesem Wahlkampf Politiker von Schwarz bis Grün rassistische
Klischees. MigrantInnen haben in Wahlkampfzeiten keine (wenn auch
leeren)Versprechungen zu erwarten. Stattdessen werden sie zumeist noch
stärker beschimpft und stigmatisiert als dies sowieso schon der Fall ist.
?Wir brauchen mehr Ausländer, die uns nutzen, nicht die uns ausnutzen?, so
ein Politikermund im letzten Wahlkampf.

Die Hagener City

Sobald in einer Gesellschaft - bzw. diejenigen, die in ihr funktionieren -
Einigkeit über die Kriterien der Aussonderung, über die Definition von
?normal? und ?abnormal?, wer mehr wert ist und wer weniger besteht, müssen
die anderen, die Nicht-funktionierenden, damit rechnen, ausgegrenzt zu
werden. Nach dem Umbau weiter Teile der Hagener Innenstadt, die Hagen wieder
mehr konsumkräftige Besucher aus dem Umland einbringen soll, durch das
holländische Unternehmen MDC (Multi Development Cooperation) bzw. billige
polnische Arbeitskräfte, die zum Teil allerdings schon bald wieder gefeuert
wurden, da sie es gewagt hatten aus Solidarität mit den Lohnforderungen
ihrer deutschen Kollegen zu streiken, wird dies auch in Hagen wieder
verstärkt zur Praxis von Behörden, Unternehmen und privaten
Sicherheitsdiensten werden. Schon schwadronieren Lokalpolitiker wieder über
eine Wiederbelebung der sogenannten Ordnungspartnerschaft aus Polizei,
privaten Sicherheitsdiensten usw. zur Beseitigung eines herbeigeredeten
Sicherheitsproblems, die Junge Union will gar eine Bürgerwehr gründen und
die immer freundlichen Kontaktbullen erklären im Lokalradio, Randgruppen
könnten ja woanders hingehen ? es gäbe ja schließlich genug Wald um Hagen
herum.
Die Vertreibung von Menschen, die nicht in das hübsche Bild der glitzernden
Scheinwelt aus Spaß und Konsum passen, aus der Hagener neuen Mitte, ist auch
ein Teil einer perfiden, kapitalistischen Logik. Der kaufkräftigen
Bevölkerung wird das Leben als kaufbares Glück suggeriert, sie sollen ihren
Sinn im Konsumieren finden. Wer kein Geld hat, hat in dem ständigen
Produzieren, Verkaufen und Kaufen nichts zu suchen.

Who reminds Orwellls 1984?

Diese Vertreibung wird vor allem von der Polizei, immer mehr aber auch von
privaten Sicherheitskräften umgesetzt. Weiterhin werden immer mehr
öffentliche Plätze per Videokamera überwacht. Verbunden wird dies mit einer
Angstmacherei der Medien, die immer wieder die Bilder von brutalen, vor
allem nichtdeutschen, Kriminellen produzieren. Die Kriminalität an sich, die
sich aus unterschiedlichen Konsequenzen der kapitalistischen Logik füttert (
Armut, Unmenschlichkeit, strukturelle Gewalt, Vereinsamung...), wird dadurch
bestimmt nicht bekämpft. Menschen, die in einem Überlebenskampf stecken, die
tagtäglich von den Ämtern verarscht und schikaniert werden, die ausgegrenzt
werden, denen also tagtäglich Gewalt wiederfährt, reagieren oft auf diese
Gewalt ihrerseits mit Gewalt. Dieser Kreislauf wird mit weiterer Ausgrenzung
durch Kameras und Polizei, durch die Kürzung von Sozialleistungen nicht
durchbrochen, sondern allenfalls weiter gefördert. Kriminalität ist der
offensichtlichste Teil des ganz normalen Wahnsinns in dieser Gesellschaft.
Sie gehört dazu, ist immanenter Bestandteil des Kampfes der Menschen
gegeneinander und um das bessere Leben. Kameras werden daran nichts ändern.
Sie sind nur ein weiteres Mittel, diesen Status quo zu erhalten.


Rock the city

Wir denken, dass es gerade einen Tag vor dem üblichen demokratischen
Wahlspektakel wichtig ist, deutlich zu machen, dass die genannten Zustände
ein Produkt des Kapitalismus sind, die nicht durch eine andere Regierung
beseitigt werden können. Egal ob es sich um Sexismus, Rassismus oder die
Ausgrenzung und Vertreibung von Menschen in der kapitalistischen
Verwertungslogik handelt, die Perspektive einer Gesellschaft ohne Ausbeutung
und Unterdrückung bietet sich nur durch die soziale Revolution ? die
Abschaffung des Kapitalismus!
Um dies deutlich zu machen wollen wir am 21.09.2002 mitten in der Baustelle
"Neue Mitte Hagen" demonstrieren und feiern. Noch steht zwar die Abschaffung
des Kapitalismus in der BRD noch nicht auf der Tagesordnung aber an diesem
Tag wird wenigstens die Hagener Innenstadt schon mal uns gehören.


Die Stadt gehört uns allen!
Kapitalismus abschaffen!


- Antikapitalistischen Demonstration: 13.30. Bahnhofsstr./Graf v. Galen Ring
(direkt gegenüber vom Hbf)

- Konzert: 15 Uhr Volkspark (Ende der Bahnhofsstr.) umsonst und draußen mit

- Stroh (Ska aus Spanien)

- Rotes Haus (Hamburg)

- Microphone Mafia ( Köln)

- Lords op d`r rhing (Köln)

- Judy`s Mad Day (Hagen)

Antifa-Hagen
C/O Quadrux Buchladen
Lange Str. 21
58089 Hagen

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29.08.2002
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