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Kolumbien: Globalisierung, Paramilitarismus und Transnationale Unternehmen - Aufruf zur Coca Cola-Kampagne aus Berlin

Kolumbien - staatlicher Terror gegen die Opposition

Wohl in keinem anderen Land der Welt werden so viele Oppositionelle ermordet wie in Kolumbien. Mehr als 5000
Menschen werden jedes Jahr von paramilitärischen Gruppen umgebracht - massakriert, gefoltert, manchmal mit
Motorsägen zerstückelt. Die dafür verantwortlichen Todesschwadronen agieren mit Rückendeckung des
kolumbianischen Staates und üben die Rolle einer Privatarmee im Dienste der Besitzenden aus. Die Morden folgen
fast immer auch einem wirtschaftlichen Kalkül: GroßgrundbesitzerInnen vertreiben KleinbäuerInnen, Unternehmen
lassen unliebsame GewerkschafterInnen aus dem Weg räumen, die Regierung sorgt dafür, dass geplante
Großprojekte (wie Staudämme und Erdölbohrungen) reibungslos durchgeführt werden können. Der Terror der
Paramilitärs ebnet der Globalisierung den Weg: Mit der Zerschlagung von Gewerkschaften wird die Abschaffung von
Arbeitsschutzgesetzen erleichtert und damit der Arbeitsmarkt ,,flexibilisiert", die Vertreibung von Kleinbauern
ermöglicht die Erschließung bisher kaum ,,entwickelter" Regionen, die Einschüchterung der Gewerkschaften bahnt
den von IWF und Weltbank angemahnten Privatisierungsprozessen den Weg ...
Transnationale Unternehmen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Während eines Pipeline-Baus von British Petroleum
in Kolumbien ermordeten Todesschwadronen in der Nähe der Bautrasse Hunderte von Menschen, die als Gegner
des Projekts galten. Abgesichert wurde der Bau von dem berüchtigten britischen Söldnerunternehmen Defence
Systems Ltd. Gegen den Kohle-Multi Drummonds ist wegen der Ermordung von Gewerkschaftern eine Anklage in
den USA erhoben worden. Und auch bei Nestlé gibt es eine auffällige Häufung von Anschlägen im Vorfeld von
Tarifverhandlungen. Doch besonders stark kritisiert wird die Politik Coca Colas, das wichtige Kapitalanteile an dem
kolumbianischen Coca Cola-Abfüllunternehmen Panamco besitzt.

Coca Cola sucks!

Ein ganz normaler Sommer bei Coca Cola-Kolumbien
* Im Juni 2001 werden die ArbeiterInnen auf Zwangsversammlungen dazu aufgefordert, auf ihre bisherigen
Arbeitsverträge zu verzichten. Einige ArbeiterInnen, die sich weigern, werden entlassen. Insgesamt baut das
Unternehmen auf diese Weise in kurzer Zeit mehr als 1000 feste Stellen ab oder verwandelt sie in prekäre
Beschäftigungsverhältnisse. * Am 21. Juni 2001 wird der Coca Cola-Arbeiter Oscar Darío, just an einem
internationalen Aktionstag zum Gedenken an die Menschenrechtsverletzungen bei Coca Cola in Guatemala, in
Montería / Nordkolumbien erschossen. * Am 30. Juni fordert der Sicherheitschef bei Coca Cola in Medellín, ein
Kapitän der Armee im Ruhestand, die Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb auf, sich bei den Tarifverhandlungen
zurückzuhalten und unterstellt ihnen Verbindungen zur Guerilla - in Kolumbien eine unverhohlene Todesdrohung. *
Am 13. Juli beschuldigt der Geschäftsführer von Coca Cola in Bucaramanga / Nordostkolumbien Carlos Cañas die
Führer der Ernährungsgewerkschaft SINALTRAINAL wegen ihrer Kritik an Coca Cola der Verleumdung und der
Gründung einer kriminellen Vereinigung. * Ebenfalls am 13. Juli gehen Todesschwadronen vor dem Haus des
SINALTRAINAL-Präsidenten in Barrancabermeja Juan Carlos Galvis in Stellung. * Vom 21. bis 23. Juli lassen die
Abfüllunternehmen ihre ArbeiterInnen in ganz Kolumbien Blankopapiere unterschreiben, die danach als
gewerkschaftskritische Briefe der Belegschaft präsentiert werden. * Am 22. Juli werden der Gewerkschafter Galvis
und seine Ehefrau von Todesschwadronen durch Barrancabermeja verfolgt. * Am 3. August taucht ein
Paramilitärkommando ebenfalls in Barrancabermeja beim SINALTRAINAL-Aktivisten William Mendoza auf, der sich
jedoch nicht zu Hause befindet. Zur gleichen Zeit wird die Ehefrau von Juan Carlos Galvis von Todesschwadronen
kurzzeitig entführt. * Am 13. des gleichen Monats wird ein Coca Cola-LKW östlich von Medellín gestoppt. Die
Paramilitärs erklären den Fahrern, dass man ein Problem mit der Gewerkschaft habe und diese sich zu einem
Gespräch zur Verfügung zu stellen habe. * Am 21. August stehen Paramilitärs vor dem Wohnhaus des Präsidenten
von SINALTRAINAL in der Karibikstadt Barranquilla, Osvaldo Camargo. Einen Tag später nähert sich
Killerkommando dem Gewerkschafter und zückt eine Waffe. Camargo komm kommt nur deshalb mit dem Leben
davon, weil unerwartet ein Passant auftaucht.

In den Abfüllanlagen der formal von Coca Cola unabhängigen, de facto aber über Kapitalanteile an den US-Konzern
gebundenen kolumbianischen Firma Panamco tobt ein regelrechter Krieg gegen die Gewerkschaften. Mehr als 120
Angriffe hat die Ernährungswerkschaft SINALTRAINAL seit 1990 protokolliert: Ermordungen, Entführungen,
Drohanrufe, inszenierte Terrorismusverfahren. In der von Armee und Paramilitärs besonders streng kontrollierten
nordkolumbianischen Region Urabá wurde die Gewerkschaft sogar im wörtlichen Sinne physisch eliminiert. Im
Dezember 1996 ermordeten ,,Unbekannte" den regionalen SINALTRAINAL-Sekretär Isidro Segundo Gil, ein weiterer
Funktionär konnte einer Entführung nur knapp entkommen. Das Gewerkschaftsgebäude in der Stadt Carepa wurde
in Brand gesetzt, die ArbeiterInnen des Unternehmens von Bewaffneten gezwungen, ,,bis 4 Uhr nachmittags aus
der Gewerkschaft auszutreten".
Und die Situation verschlechtert sich weiter. Der Druck auf jene Coca-Cola-Arbeiter, die noch gewerkschaftlich
organisiert sind, wird immer größer. AktivistInnen können ihre Wohnungen nicht mehr ungeschützt verlassen und
erhalten regelmäßig Morddrohungen. Die Gewerkschaftssektionen von Barrancabermeja und Bucaramanga sind im
,,inneren Exil". Die GewerkschafterInnen verbringen aus Sicherheitsgründen die meiste Zeit in der Hauptstadt
Bogotá.
Diese Firmenpolitik scheint im übrigen nicht auf Kolumbien beschränkt zu sein. Gegen
Coca-Cola-GewerkschafterInnen in Guatemala und Peru hat es in den vergangenen Jahren ähnliche Gewalttaten
gegeben.

Internationale Kampagne zu Coca Cola

Vor diesem Hintergrund mobilisieren kolumbianische Gewerkschaften und die ,,Kampagne gegen Straflosigkeit -
Colombia Clama Justicia" zur Zeit für eine internationale Kampagne gegen Coca Cola. In den USA hat die
Stahlarbeitergewerkschaft United Steel Workers aus Solidarität mit den kolumbianischen KollegInnen eine Klage
gegen Coca Cola vor dem Distriktgericht von Südflorida eingereicht. Parallel dazu will ein breites Bündnis von
baptistischen Kirchen, Trade Unions und Menschenrechtsgruppen in den USA in diesem Sommer auf die
Arbeitsbedingungen bei dem Getränkekonzern hinweisen. Auch Gruppen in Italien, Belgien und Großbritannien
haben ihre Unterstützung zugesagt. In Italien reicht das Spektrum von der christdemokratischen UIL bis zu den
COBAS.

Konkret in Vorbereitung sind drei sogenannte Audiencias Publicas: Meinungstribunale, mit denen internationale
Öffentlichkeit hergestellt werden sollen: 22. Juli in Atlanta/USA, am 12. Oktober in Brüssel / Belgien und am 5.
Dezember in Bogotá. Außerdem soll es zahlreiche dezentrale Aktionen und Veranstaltungen geben.
Die Meinungstribunale reihen sich ein in die ,,Kampagne gegen Straflosigkeit - Kolumbien fordert Gerechtigkeit", die
von mehr als 100 kolumbianischen Organisationen, darunter auch dem Gewerkschaftsverband CUT, getragen wird
und bereits mehrere internationale Meinungstribunale in Kanada, Spanien und Kolumbien organisiert hat.


Was wir mit der Kampagne erreichen wollen
Um eins gleich klar zu stellen: Uns geht es nicht darum, Coca Cola als Symbol einer vermeintlichen US-Kultur zu
brandmarken. Bei der Politik der transnationalen Unternehmen spielt es keine Rolle, ob sich der jeweilige Firmensitz
nun in den USA, Großbritannien, der Schweiz oder in Deutschland befindet. BP, Nestlé oder Mercedes-Benz haben
nicht weniger Dreck am Stecken als Coca Cola. Wenn wir in diesem Fall jedoch über Coca Cola sprechen, dann
deswegen, weil es konkrete Ereignisse gibt, die konkrete Solidarität erforderlich machen.

Mit der Kampagne wollen wir mehrere Ziele verfolgen:

- Globalisierungskritik leisten: Wir denken, dass sich der gewalttätige Aspekt von Globalisierung am Beispiel Coca
Cola-Kolumbien gut aufzeigen lässt. Was die Mächtigen als ganz normalen Fortschritt bezeichnen, bedeutet für die
Betroffenen häufig noch mehr Ausbeutung und Terror.
- eine Schnittstelle zwischen Anti-Globalisierungsbewegung und Gewerkschaften schaffen: Die Kampagne bietet die
Möglichkeit, dass verschiedene Gruppen aus unterschiedlichen politischen Spektren bei einem konkreten Anliegen
zusammenarbeiten. Wie bei der deportation class-Kampagne gegen Lufthansa soll es den Gruppen dabei möglich
sein mitzumachen, ohne großartige Absprachen treffen zu müssen.
- international agieren: Wenn es darum geht, Menschen in verschiedenen Ländern gegeneinander auszuspielen, wird
immer wieder die ,,Standortkonkurrenz" ins Feld geführt. Die einzige funktionierende Antwort darauf ist: Wir müssen
selbst transnational handeln. Arbeitsrechte lassen sich nur noch in einem internationalen Rahmen verteidigen.
- konkret Arbeitsbedingungen verbessern: V. a. aber geht es uns darum, die konkreten Bedingungen für die
Gewerkschaft SINALTRAINAL in Kolumbien zu verbessern. Gewerkschaftsarbeit ist dort kaum noch möglich,
betriebliche Organisierung wird durch Entlassungen und Anschläge verhindert. Für gewerkschaftliche Arbeit gibt es
kaum noch eine andere Chance als die Mobilisierung außerhalb des Unternehmens. Unser Druck kann - wie
zahlreiche Beispiele in der Vergangenheit bewiesen haben - etwas zur Veränderung der Situation beitragen. Diese
Chance wollen wir nützen.

Was kann man tun?
Es gibt viele Möglichkeiten, an diese Kampagne anzudocken. Jede/r kann sich Aktionsformen ausdenken. In Italien
kündigten AktivistInnen an, sie wollten Coca-Cola-Getränke öffentlichkeitswirksam aus einem Supermarkt auf die
Straße räumen. Gute Idee! Man kann aber auch Kundgebungen organisieren, Unterschriftenlisten sammeln und an
Coca Cola schicken, die Hotline des Konzerns nerven oder imageschädigende Websites ins Netz stellen. Man kann
Aufkleber entwerfen, Veranstaltungen machen, zu einem Boykott aufrufen. Oder auf Aktionärsversammlungen
auftauchen ... Und natürlich sollte man sich zahlreich an den Meinungstribunalen im Oktober in Brüssel und im
Dezember in Bogotá beteiligen. Gäste sind herzlich willkommen!!
Wenn Ihr Hintergrundinformationen braucht, könnt Ihr diese jederzeit bei uns erhalten. Wir stellen uns nur ein
konkretes Ziel: Die Kampagne gegen Coca Cola sollte so lange gehen, bis der Konzern seine Entlassungspolitik
einstellt, gewerkschaftliche Organisierung akzeptiert und Maßnahmen gegen den Paramilitarismus im und um den
Betrieb herum ergreift. Coca Cola darf sich nicht darauf zurückziehen, dass die Abfüllanlagen nicht zum
Mutterkonzern gehören. Wäre in einer kolumbianischen Abfüllanlage Gift in die Getränkeflaschen gelangt, hätte
Coca Cola sicherlich auch scharf durchgegriffen. Also kann das Unternehmen durchaus handeln, wenn seine
Lizenznehmer Gewerkschafter erschießen lassen!

Stoppen wir den Terrorismus der Unternehmen!
Beteiligt Euch am Internationalen Aktionstag am 22. Juli und organisiert selbst kreative Aktionen!
Solidarität mit SINALTRAINAL!
Coca Cola sucks!

Kontakt:
Kampagne ,,Coca Cola-Kolumbien"
 Kolumbien-odyssee@gmx.net
C/o Schwarze Risse
Gneisenaustr. 2a
10961 Berlin

See:
www.labournet.de/internationales/co/cocacola

 

26.06.2002
Coca-Cola-Kampagne / Berlin    [Schwerpunkt: Coca Cola Sucks]  Zurück zur Übersicht

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