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Berlin: räumungsverkauf in berlin-friedrichshain

Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, wurde die für den 28.5. angedrohte
Räumung der Projekträume in der Rigaer94 (Kadterschmiede, offene
Werkstatt) vorerst ausgesetzt. Erreicht wurde dies durch die
Unterzeichnung eines Rahmenvertrages für ein Ersatzprojekt - die
Simplonstraße 15/17. Das heißt aber ausdrücklich nicht, daß diesem
Ersatzprojekt schon zugestimmt wurde und daß unser Projekt definitiv
dorthin umzieht - klar ist momentan nur, daß vorerst!!! in der Rigaer94
nicht geräumt wird.
Zustande gekommen ist dieses Angebot durch Versuche, im Anschluß an die im
Dezember 2002 verlorene Rahmenvertragsklage mit dem Senat über eine
politische Lösung in unserem Sinne zu verhandeln: Aussetzung der Räumung,
Umstrukturierung stoppen, weg mit der Berliner Linie, für eine
Umverteilung von oben nach unten (- ein Ersatzprojekt wurde von uns nie
gefordert). Die Gesprächsbereitschaft auf Seiten des Senats war zuerst
eher mäßig - wahlweise hatten sie keine Zeit oder behaupteten in ihren
Briefen, daß das alles ja eh nicht in ihrer Macht stehen würde und
speziell die Auseinandersetzung um die Rigaer94 ein juristisches Problem
sei. Nach einer erfolgreichen "Störung eines gesetzgebenden Organs" durch
lautstarke Unmutsbekundungen und das entschlossene Werfen von Flugblättern
in den Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses (Anfang April) bot König
Körting - der jetzige Berliner Innensenator - dann doch Gespräche an. Wie
nicht anders zu erwarten, wurden hier unsere Forderungen betreffend keine
Zugeständnisse gemacht. Statt dessen brachte Körting die Möglichkeit eines
Ersatzprojektes ins Gespräch. Die Gespräche endeten ohne konkrete
Ergebnisse zwei Wochen vor der Räumung.
Als der Termin der Räumung näher rückte, wurde eben diese im rot-roten
Senat offensichtlich doch als (Sicherheits- oder PR-)Problem angesehen. Am
Freitag vor dem 28.5. boten VertreterInnen von Senat und Bezirk die
Simplonstraße 15-17 als Ersatzobjekt an, verbunden mit der Bedingung, daß
wir uns innerhalb von 3 Tagen dafür oder dagegen entscheiden sollten. Je
nach dem würde die Räumung dann ausgesetzt oder nicht. Wir machten dieses
Angebot auf der VV in der Köpi am 24.5. öffentlich und luden für den
folgenden Tag zu einem offenem Plenum, um die Widersprüchlichkeit solcher
Verhandlungen gemeinsam zu diskutieren. Der Diskussionsbedarf war hier
allerdings nicht so groß, es erschienen in erster Linie einige wenige
NachbarInnen.
Wir entschieden uns letztendlich, am 27.5. einen von uns formulierten
Rahmenvertrag zu unterzeichnen. Dieser beinhaltet allerdings eine Klausel,
daß der Vertrag platzt, wenn konkrete Verhandlungen über Miethöhe nach
Modernisierung scheitern und es zu keiner Einigung mit den jetzt in der
Simplonstraße wohnenden MieterInnen kommt. Sollte dieser Fall eintreten,
wird die Aussetzung der Räumung wahrscheinlich zurückgezogen. Dann heißt
es erneut: Ohne Puschmann kein Krawall.
die simplonstrasse

Die Simplonstraße 15-17 besteht aus zwei Vorderhäusern und zwei
Seitenflügeln. Vor einer Modernisierung, d.h. bis zum Frühjahr 2003, würde
es für uns keinen abgeschlossenen Wohnbereich geben. Die beiden Häuser
sind zu 50% belegt. Mit den MieterInnen müssen wir uns einigen, ansonsten
ist das Projekt dort aus unserer Sicht nicht möglich. Wir werden keinem
Projekt zustimmen, welches gegen die MieterInnen durchgesetzt werden
müßte. Es gab ein erstes Treffen zwischen uns und ihnen. Wir einigten uns
darauf, uns nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Unser Projekt wurde
zum Teil skeptisch, zum Teil interessiert und wohlwollend bewertet. Die
weitere Diskussion wird sicher recht spannend.
politischer erfolg? befriedung? stillegung?

Die Aussetzung der Räumung ist ein politischer Erfolg, über den Rest kann
(und sollte) mensch sich streiten. Das der Senat sich genötigt sieht, die
Auseinandersetzung um die Rigaer94 mittels Ersatzprojekt zu befrieden, ist
auf der einen Seite auch ein Erfolg der unserer Einschätzung nach guten
Mobilisierung gegen die Räumung. Auf der anderen Seite bleibt jedoch ein
fader, gegenrevolutionärer Beigeschmack.
Das Erkämpfen von langfristig gesicherten linken Projekten ist für sich
genommen natürlich gut und nicht schlecht. Wichtig ist hierbei, daß es
diese Projekte gibt, und nicht, ob sie im Friedrichshainer Nord- oder
Süd-Kiez liegen. Letztendlich geht es in der Auseinandersetzung um die
Rigaer94 um den Erhalt eines linken Ortes in der Mitte einer beschissenen
Hauptstadt, von daher ist ein Ersatzprojekt grundsätzlich eine
Möglichkeit, gegen die wir nicht automatisch etwas haben und die der
sturen Eskalation evtl. vorzuziehen ist.
Andererseits würde Beulker ein leeres Haus erhalten, der Eigentümer der
Simplonstr. durch uns einen ordentlichen Modernisierungszuschuß vom Senat.
Aus antikapitalistischer Perspektive sicher alles keine Erfolge. Außerdem
bietet die Perspektive der sturen Eskalation, wenn sie kräftemäßig
durchzuhalten ist, Optionen, die wir schätzen. Auf diese würden wir, wenn
wir uns für ein Ersatzobjekt entscheiden, bewußt verzichten. Ein netter
Widerstand gegen Räumungsversuche wäre eine symbolische Manifestation
eines nicht nur in der Rigaer Str. bestehenden politischen Dissenses. Das
dieser Dissens sichtbar wird, ist uns extrem wichtig, zumal die Rigaer94
nicht das einzige bedrohte linke Projekt ist. Daneben geht es in der
Auseinandersetzung um dieses Haus eben nicht nur darum, daß ein linkes
Projekt angegriffen wird. Die politische Sprengkraft, die im Themenkomplex
"Hauptstadtisierung" (Umstrukturierung der Berliner Innenstadt)
schlummert, ist groß und wird speziell in Friedrichshain und im
Zusammenhang mit Projekten wie "media-spree" in nächster Zeit eher noch
größer werden. Vor diesem Hintergrund wäre die Eskalation des Konfliktes
um die Rigaer94 sicher auch eine Chance. Das Bezirk und Senat die
symbolische Glättung von Widersprüchen durch das erfolgreiche Anbieten
eines Ersatzprojektes relativ leicht erreichen, ist uns bewußt. Das
Integrieren und Stillegen von potentiell widerständigen "Bewegungen" ist
speziell unter dem rot-roten Senat ein Problem, welches in unseren
Überlegungen berücksichtigt werden muß.
Ihr seht: nix is' klar. Wir denken nicht, daß die hier aufgeworfenen
Fragen allein unser Haus angehen. Ihr seid hiermit aufgerufen, euch in
diese Diskussion einzumischen. Und, falls die Entscheidung gegen das
Ersatzprojekt fällt: Ihr seid weiterhin aufgerufen, Räumungsversuche mit
den euch als geeignet erscheinenden Mitteln zu verhindern.

für tolle linke orte in der stadtmitte
wenn räumung - dann beule

"räumungsverkauf?" diskussionsveranstaltung (zu ersatzobjekt und so)
freitag, 14.5. - 20uhr - kadterschmiede [rigaer str. 94, u5 frankfurter tor]

 http://rigaer94.squat.net

 

03.06.2002
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