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Berlin: Hausverbot an der FU

Mit Infoveranstaltungen wollte der AStA der Freien Universität sich in
kritischer Solidarität mit dem Fachbereich Humanmedizin üben, dem seit
Dezember 2001 die Schließung durch den Berliner Senat droht. Kritische
Solidarität hieß für ihn, auch die Menschenrechtssituation in Psychiatrien
und Spitälern zu thematisieren. Das FU-Präsidium belohnte dieses Engagement
heute mit der Erneuerung eines Hausverbots gegen einen der angekündigten
ReferentInnen.

Unter dem Titel "Wissenschaft und Barbarei" kündigte der AStA der FU im
Frühsommer dem universitären Auditorium vier "Beiträge zur Medizin- und
Biotechnologiekritik" an. Dem lag der Wunsch der StudierendenvertreterInnen
zugrunde, die Protestkampagne gegen die Schließung der FU-Medizin mit der
Forderung nach einem "antimedizinischen Institut" und einem "Lehrstuhl für
Wahnsinn" zu konfrontieren. Deshalb luden sie kompetente MedizinkritikerInnen
wie Carl Wiemer, anerkannte TheoretikerInnen der Gentechnologie wie Prof.
Gerburg Treusch-Dieter und u.a. auch den Psychiatriekritiker René Talbot von
der Berliner "Irrenoffensive" ein.

Gegen letzteren wurde vor einigen Monaten unmittelbar nach der Einladung von
Prof. Peter Propping an die Freie Universität ein unbegründetes Hausverbot
ausgesprochen. Offenbar deshalb, weil er sich kritisch über dessen genetische
Psychiatrie geäußert hatte. Diese verortet "Geisteskrankheiten" im
biologischen Erbgut und legt damit den Vergleich nahe, den Talbot
schlußendlich zog: den mit den Nazis nämlich. Seine Bezeichnung von Professor
Propping als "Neonazi-Eugeniker" wird zwar, wie eine gescheiterte
Beleidigungsklage am Amtsgericht Berlin-Tiergarten bewies, vom Recht auf
freie Meinungsäußerung gedeckt. An der Freien Universität steht dieses
hervorragende Freiheitsrecht jedoch trotz des Wahlspruchs "veritas iustitia
libertas" nicht besonders hoch im Kurs. So hatte die Unileitung der
internationalen Konferenz Freedom of Thought, die sich im Vorfeld der
"Weltkonferenz gegen Rassismus" mit Menschenrechten, biologistischer
Diskriminierung und psychiatrischem Zwang befasste, im Sommer letzten Jahres
die zugesagten Räume verweigert. Ein knappes Jahr später muss sich der AStA
nun fragen, wie er eine Veranstaltung ohne persönliche Anwesenheit des
Referenten durchführen soll. "Wir können ja ein Tonbandgerät aufs Podium
stellen", kommentiert zynisch AStA-Kulturreferentin Ludmilla Patina und
resigniert damit vor den jahrelangen Schikanen, denen die
Studierendenvertretung seit Amtsantritt des neurechten Uni-Präsidenten Peter
Gaehtgens ausgesetzt ist.

Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der FU Berlin

Alle folgenden Veranstaltungen finden voraussichtlich in der
Rost-/Silberlaube statt (Habelschwerdter Allee 45, Raum KL 32/123).


Die Geburt des Biokapitalismus

Verschiedene Generationen der Kritik haben unterschiedliche Perspektiven zu
den Folgen moderner Technik eingenommen. Während viele Genetiker ihr Tun
damit begründen, dass die Natur selbst schon Prozesse der Selektion und
Klonierung vornähme, argumentieren einige Kritiker der Gentechnik nicht
minder naturalistisch, indem sie von einer natürlichen Balance ausgehen, die
nicht oder nur bis zu einem gewissen Grad gestört werden dürfe. Anhand des
Genres der Science Fiction wollen wir deshalb versuchen, Potential und
Ambivalenz der Biotechnologien auszuloten.

Zeit: Mittwoch, 29. Mai, 18 Uhr
Referenten: Kai Kaschinski; Michael Weingarten
Unterstützt von "Das Argument"


Medizin und Verbrechen

Die nachbürgerlichen Epoche ist laut Max Horkheimer die Ära der Rackets. Ein
Racket, so seine Definition, "ist eine unter sich verschworene Gruppe, die
ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzt". Dieser
Diagnose folgend, werden wir u.a. am Beispiel der Brechmittelvergabe von
Ärzten an Mitglieder der schwarzen Community, die in der Tötung des
19-jährigen Achidi John gipfelte, sowie an der Zwangsverstümmelung von
Hermaphroditen die Ärzte- und Medizinkritik der kritischen Theorie
nachzeichnen.

Zeit: Mittwoch, 5. Juni, 18 Uhr
ReferentInnen: Carl Wiemer; N.N.


Das genetische Dispositiv und der Diskurs der Bioethik

Thema dieser Veranstaltung ist die Verwaltung der Menschen als Risikofaktoren
durch eine gen-ethisch aufgerüstete Medizin. Dadurch wird jedes Individuum
wie auch ein Teil der Bevölkerung insgesamt als isolierter Fall betrachtet
und notfalls wegtherapiert. Das medizinische Wissen wird prognostisch, die
Heilung des Menschen präventiv und die Politik durch den Rechtsdiskurs der
Bioethik mörderisch.

Zeit: Montag, 10. Juni, 18 Uhr
ReferentInnen: Gerburg Treusch-Dieter, Christian Judith


Antifaschistische Perspektiven

"Die Ermordung der Irren enthält den Schlüssel zum Juden-Pogrom", schrieb Max
Horkheimer bereits 1941. Wie eng die Vernichtungspolitik der Nazis mit der
Biologisierung des Sozialen und der Pathologisierung des Mentalen
zusammenhängt, ist Aufgabe einer Kritik der Zwangspsychiatrie. Die
psychiatrische Genetik, eine Neonazi-Eugenik, sitzt mittlerweile an den
Tischen der Regierenden. Dass sich ihre neurechten Auslesephantasien bereits
in den bevölkerungspolitischen Leitlinien der rotgrünen Regierung
niedergeschlagen haben, soll am Beispiel des SPD-Parteikonzepts
"Familienpolitik für das 21. Jahrhundert" illustriert werden.

Zeit: Montag, 17. Juni, 18 Uhr
Referenten: Peter Kratz, René Talbot

 

27.05.2002
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