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EU: Keine Auslieferungen an den Folterstaat Spanien!

Keine Auslieferungen an den Folterstaat Spanien!

Mit diesem Aufruf richten wir uns gegen die massive Ausweitung der Repression durch den spanischen Staat, und dessen Versuch, jegliche systemkritische Opposition von Links über das Konstrukt einer Verbindung zu einer "terroristischen Vereinigung" - vornehmlich zu ETA - zu diskreditieren. Insbesondere möchten wir auch auf die Vorgehensweise der spanischen Justizbeamten aufmerksam machen, der Menschen ausgesetzt sind, die der Staat als potentielle Gefahr geortet hat - dies insbesondere vor dem Hintergrund, das nach den Beschlüssen der EU-Innenministerkonferenz vom 14. Dezember 2001 und der Verabschiedung des Paragrafen 129b durch den Bundestag auch in der BRD eine Reihe von Verhaftungen und Auslieferungen auf Ersuchen der spanischen Justiz bevorstehen könnten...

Die Repressionswelle im spanischen Staat

Seit dem 24. August 2001 rollt in verschiedenen Teilen des spanischen Staates unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus eine Verhaftungswelle gegen Personen, überwiegend aus dem Umfeld der sozialen Bewegungen, die der Mitgliedschaft in der baskischen Organisation ETA bezichtigt werden. Es handelt sich dabei um die größte derartige Kampagne seit den 80`er Jahren...
An diesem Tag wurden wurden Laura Riera, Aurelia Comas und Pedro Alvarez verhaftet Die großangelegte Aktion wurde in der Öffentlichkeit als vernichtender Schlag gegen das "Kommando Barcelona" der ETA dargestellt. Hinreichende Beweise für eine tatsächliche Zugehörigkeit zur Organisation konnten bislang jedoch nicht geliefert werden. Seither erfolgen, bislang überwiegend im Gebiet des spanischen Staates, ständige Verhaftungen von linken AktivistInnen aus unterschiedlichen Bewegungen, bzw. Personen, die die Justiz als solche ausgemacht hat. Allein in den ersten Wochen vier Wochen dieser staatlichen Hetzjagd wurden in diesem Kontext über 40 Personen verhaftet.

Die Folgen des 11. September und die Bedeutung der EU-Ratspräsidentschaft Spaniens

Die rechtskonservative Regierung Aznars nutzte das politische Klima nach dem 11. September 2001, um in der EU Projekte wie den europäischen Haftbefehl voranzutreiben, und so Auslieferungen von mutmaßlichen Etarras zu ermöglichen, bzw. dann auch gegen Bedenken erzwingen zu können.
Anfang Dezember 2001 wurde per Dekret die baskische Gefangenhilfsorganisation Gestoras Pro Amnistía verbotet, wenig später deren Nachfolgerin Askatasuna. Ende Dezember veröffentlichte die EU-Institution Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zum ersten Mal eine "europäische Liste der Terroristen, eine Liste von Organisationen und 28 Einzelpersonen, deren Köpfe nun zur Jagd freigegeben werden. Auf der Ende Dezember veröffentlichten Liste werden fünf Organisationen der ETA zugeordnet. Dazu reichte es der EU aus, daß zuvor ein Richter diese baskischen strukturen wie Ekin oder Txaki verboten hat, um sie ohne Prüfung als terroristisch einzustufen. Die fünf wurden vom Ermittlungsrichter Baltasar Garzón verboten, dem es aber bisher in keinem Verfahren gelungen ist, eine direkte Verbindung zu ETA zu beweisen. Erst kurz vor der Bekanntgabe der EU-Liste hatte der Nationale Gerichtshof seine Vorwürfe gegen Ekin zerpflückt. Sechs Menschen kamen nach 15 Monaten U-Haft unter Sonderbedingungen, aus dem Knast. Der GASP steht mit Javier Solana ein Spanier vor. Ein weiteres Indiz für den Einfluß des spanischen Staates bei der Erstellung der Liste ist der Fakt, daß 21 der 28 aufgeführten Einzelpersonen der Mitgliedschaft zu ETA bezichtigt werden. Auch nach der Aktualisierung der Liste vor wenigen Wochen änderte sich nichts wesentliches an dieser Gewichtung.
Parallel zu den Bestrebungen auf EU-Ebene wurde die Kooperation mit den USA bezüglich der "Bekämpfung des Terrorismus" stark ausgeweitet, im Gegenzug zur Anfang April vereinbarten Freizügigkeit der US-Geheimdienste erhält der spanische Staat massive finanzielle und v.a. logistische Unterstützung im Kampf gegen die baskische Befreiungsfront.
Die Regierung Aznars setzt zudem derzeit alles daran, über das Konstrukt einer Verbindung zu ETA die linke baskische Volkspartei Herri Batasuna, die für einen unabhängigen sozialistischen Staat kämpft, zu kriminalisieren - und somit breite Schichten der baskischen Bevölkerung.

Folter als reguläres Mittel der politischen Justiz

Am 9. April 2002 wurde der Bericht der UNO-Kommission für Menschenrechte veröffentlicht: dieser dokumentiert für das Jahr 2000 76 Übergriffe gegen Gefangene, sowie 58 Fälle von Misshandlungen gegen Basken bei ihrer Festnahme. Dabei sei es zu Schlägen, Scheinhinrichtungen, sexuellen Übergriffen, Elektroschocks und vielen anderen Formen von Misshandlungen gekommen. Als Täter werden sowohl die paramilitärische Guardia Civil, die Nationalpolizei, sowie die baskische Polizei (Ertzaintza) benannt. Besonders die tagelange Isolationshaft nach einer Festnahme gemäß dem Anti-Terror Gesetz (der sogenannten "Incommunicado-Haft") - bei der ein unbegründeter Verdacht der ermittelnden Behörden ausreicht - ermöglicht oder vereinfacht die Menschenrechtsverstöße. Die Gefangenen haben über vier Tage weder Kontakt zu einem Anwalt ihres Vertrauens, noch können sie Angehörige kontaktieren.
Nicht selten erfolgt nach diesen Tagen die Haftentlassung mangels Beweise - ein Indiz für die Funktion der Incommunicado-Haft als (Folter-)Instrument mit dem Ziel, die Betroffene einzuschüchtern, und ihr politisches Umfeld zu destabilisieren.
Wenige Tage vor dem UNO-Bericht erschien ein Bericht von amnesty international, der alleine 321 polizeiliche Übergriffe gegen MigrantInnen in den vergangenen 6 Jahren aufführt. Genannt werden diverse Formen von Misshandlungen durch Polizei und Guardia Civil - Vergewaltigungen und Todesfälle in Polizeigewahrsam eingeschlossen.

Zwei derzeit drohende Auslieferungen, die es zu verhindern gilt :

Juan Ramón Rodriguez Fernández

Wenige Wochen nach Bekanntgabe der Anti-Terror-Liste der EU trat in den Niederlanden erstmals die EU-Institution Eurojust, die Koordinationsstelle der Staatsanwaltschaften der EU-Mitgliedsstaaten, in Aktion, um auf Ersuchen des spanischen Staates eine Verhaftung vorzubereiten. Am 16. Januar verhaftete ein Sonderkommando der niederländischen Polizei den Sänger und Aktivisten Juan Ramón Rodriguez Fernández, genannt Juanra. Der Haftbefehl wirft im u.a. vor, zwei Namen von Personen aus rechtsextremen Kreisen im spanischen Staat an eine Person weitergeleitet zu haben, die beschuldigt wird, in Kontakt zu ETA zu stehen. Mittlerweile wurde der Vorwurf gegen Juanra auf Mitgliedschaft zu ETA ausgeweitet. Die niederländische Justiz wird am 11. Juni entscheiden, ob dem Auslieferungsersuchen der spanischen Justiz stattgegeben wird.
Am 8. Juni werden europaweite Aktionen gegen die Auslieferung stattfinden - achtet also auf Ankündigungen!

Der Fall Gabriele Kanze

Gabriele Kanze wurde am 14. März 2002 bei ihrer Einreise in die Schweiz von der Schweizer Polizei verhaftet. Gegen sie liegt seit 1994 ein internationaler Haftbefehl wegen Unterstützung des damaligen ETA-Kommandos Barcelona vor. Der konkrete Vorwurf lautet, dass Gabriele eine Wohnung gemietet haben soll, die von Mitgliedern des Kommandos genutzt wurde. Die Hinweise auf die Wohnung wurden nach der Verhaftung eines Mitglieds des Kommandos unter Folter erpresst. Nach einem internationalen Abkommen sind Anklagen, die unter Folter zustande kommen, unrechtmäßig. Sie sitzt zur Zeit in Auslieferungshaft im Knast von Flums/Schweiz. Ein Auslieferungsersuchen des spanischen Staates liegt vor. Auch Ihre Auslieferung gilt es zu verhindern.

In den Knästen des spanischen Staat sitzen derzeit über 550 politische Gefangene aus linken Bewegungen, und seit Monaten erfolgen in kurzen Abständen immer neue Verhaftungen.

Deshalb fordern wir:

Keine Auslieferungen an den spanischen Staat!
Sofortige Freilassung von Gabi und JuanRa aus der Abschiebehaft!
Abschaffung des gesamten Paragrafen 129!
Freiheit für alle politischen Gefangenen - weltweit!


AufruferIn: Gruppe Irrintzi

UnterstützerInnen:

autonomi-kollektiv (DK), Gemeinsames Antirepressionsbündnis Berlin (GARB), Projekt "Die Linke Seite", [...]

Wir bitten Euch, diesen Aufruf als Gruppe/Organisation zu unterstützen.
Kontakt per e-mail:  irrintzi@nadir.org,
 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/irrintzi/index.htm

 

24.05.2002
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