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Berlin: Keine Bühne für Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus!

Appell gegen Veranstaltung am 8. Mai 2002:
Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

am 8. Mai lädt die SPD zum Gespräch über "Nation, Patriotismus, demokratische Kultur in Deutschland 2002" ein. Bei der Zusammenkunft in der Bundeszentrale der Partei sollen Martin Walser und Bundeskanzler Gerhard Schröder sprechen und zum Abschluss unter Leitung des ZEIT-Redakteurs Christoph Dieckmann diskutieren. (Einladung siehe unten oder unter www.spd.de).Wir empfinden diese Veranstaltung als skandalös und wollen aus folgenden Gründen dagegen öffentlich protestieren:

1. Martin Walser hielt 1998 anlässlich der Verleihung des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels eine aggressiv nationalistische und antisemitische Rede. Seine Klage über Auschwitz als "Moralkeule", die "Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken" und die "Dauerrepräsentation unserer Schande" war ein Angriff auf die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus, insbesondere die des Holocausts. Darüber hinaus verharmloste oder leugnete er heutige rechtsradikale Gewalt und hielt ein offensives Plädoyer für ein Selbstverständnis der Deutschen als "ganz normales Volk". Auf die Kritik von Ignatz Bubis hin entstand eine Debatte, in der sich Walser zum geschichtsrevisionistischen Gehalt seiner Rede bekannte.

2. Bundeskanzler Gerhard Schröder drückte damals sein Einverständnis mit Walsers Rede in der Fernsehsendung "Talk im Turm" so aus: "Ein Dichter darf so etwas sagen müssen [!]. Ein Bundeskanzler darf das nicht." Diese Hemmung scheint nun gefallen zu sein. Eine konsequente Folge der sogenannten deutschen "Normalisierung", die erst kürzlich in Schröders Forderung gipfelte, die Bundeswehr in Israel einzusetzen.

3. Der Moderator Christoph Dieckmann veröffentlichte zum 9. November 2001 einen Aufsatz in der ZEIT, welcher den christlichen Antisemitismus revitalisierte. Er wollte die christliche Religion der jüdischen als überlegen zeigen, und stellte die rhetorische Frage, ob es nicht der »jüdische Volkserwählungsglaube« war, durch den der Nationalsozialismus inspiriert wurde. Darüber hinaus machte Dieckmann Israels "Erwählungshybris", die ihm als "Fluch" gilt, für den gesamten israelisch-palästinensischen Konflikt verantwortlich: "War nicht das Volk Israel, dem Gott seine Gebote offenbarte, unterwegs nach einem verheißenen Land, in dem aber längst andere Menschen lebten? Hält nicht Israel bis heute fremde Erde und büßt dafür mit Tod und tötet jeden Tag? Wir registrieren das ohne deutschen Kommentar, als gebiete unsere Geschichte uns zu schweigen, als rechtfertige Auschwitz Israels Palästinapolitik." Damit bedient Dieckmann nicht nur einen virulenten Antisemitismus, sondern verschärft mit seiner revisionistischen Argumentation die antisemitisch begründeten Ressentiments gegen Israel.

4. Der 8. Mai ist der Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Noch am 8. Mai 1995 wurde diese Einsicht relativ breit und erfolgreich gegen den geschichtsrevisionistischen Versuch der "Neuen Rechten" verteidigt, mit ihrem Aufruf "Gegen das Vergessen", Deutschland und die Deutschen an diesem Tag als Opfer in den Mittelpunkt zu stellen. Doch Walsers Friedenspreis-Rede 1998 wurde nicht nur von Rechtsextremisten als "Beginn der Befreiung Deutschlands" empfunden. Der große Zuspruch für Walser war eine "Befreiung vom eigenen Gewissen" (Bubis) - der Versuch, sich von der Verantwortung für den Nationalsozialismus und seine Verbrechen zu befreien. Wenn nun der Bundeskanzler zusammen mit Martin Walser am 8. Mai dieses Jahres "Stolz auf unser Land" predigt und Deutschland zu einer "normalen Nation" erklärt, läuft das darauf hinaus, den 8. Mai zum Tag der "Befreiung von deutscher Verantwortung" umzudeuten.

Das Berliner Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus wird in einem öffentlichen Appell die Absage dieser Veranstaltung fordern. Sollte sie dennoch stattfinden, rufen wir zu einer zeitgleichen Protestkundgebung vor der SPD-Bundeszentrale auf. Der Appell wird zum Ende dieser Woche verschickt und soll mit einer Liste von UnterstützerInnen unter anderem am Montag in Form von Anzeigen in Tageszeitungen veröffentlicht werden. Dafür bitten wir Sie um folgendes:

Unterstützen Sie den Appell persönlich oder für Ihre Institution und senden Sie uns diese Unterstützung bis Sonntag Mittag an folgende Email-Adresse:  bgaa_berlin@yahoo.de

Unterstützen Sie uns bei der Finanzierung der Anzeigen in Tageszeitungen durch Überweisung einer Spende an folgendes Konto: Astrid Geiermann, Berliner Sparkasse BLZ 100 500 00, Kto.-Nr. 0514111526, Verwendungszweck: 8.Mai.
Lassen Sie sich zu der Veranstaltung einladen (Fax: 030-28090448 oder Email:  anmeldung@spd.de) und machen Sie vor Ort auf den Skandal aufmerksam, den diese Veranstaltung darstellt.
Leiten Sie dieses Schreiben und den Appell an möglichst viele Personen und Organisationen weiter, die den Protest unterstützen könnten.

Mit freundlichen Grüßen,

Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus

– ein Zusammenschluss linker Berliner Organisationen und Einzelpersonen


Es folgt das Einladungsschreiben der SPD:

********** Beginn der SPD-Einladung ************


Nation. Patriotismus. Demokratische Kultur.
08. Mai 2002
Wir in Deutschland. SPD
Die Demokratie ist lebendiger geworden und die
Zivilgesellschaft stärker. Dialog- und
Kompromissfähigkeit dominieren. Es gibt wieder eine
politische Kultur der Offenheit und der Toleranz in
Deutschland.
Wir in Deutschland -- das sagen wir heute mit Stolz
auf unser Land, selbstkritisch aber auch selbstbewusst
patriotisch. Wir wollen erneuern und wir wollen
zusammenhalten. Und wir wollen unserer veränderten
Rolle in Europa und in der Welt gerecht werden. Als
eine normale Nation.
Darüber nachzudenken und darüber zu sprechen lohnt
sich. Wir laden Sie ein zum Gespräch über "Nation,
Patriotismus, demokratische Kultur in Deutschland
2002" am 8. Mai im Willy-Brandt-Haus.
Franz Müntefering
Generalsekretär der SPD

Gespräch am 08. Mai 2002 im Willy-Brandt-Haus, Berlin
Programm
18 Uhr Begrüßung durch Franz Müntefering
18.10 Uhr Über ein Geschichtsgefühl
Martin Walser

18.30 Uhr Nation. Patriotismus. Demokratische Kultur

Gerhard Schröder
18.50 Uhr Gespräch zwischen Gerhard Schröder und
Martin Walser,
moderiert durch Christoph Dieckmann (Die
Zeit)
20 Uhr Empfang
Technische Hinweise
Diese Karte berechtigt nicht zum Eintritt. Bitte
beachten Sie, dass aufgrund der Räumlichkeiten die
Zahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen begrenzt ist.

Anmeldung
Wir bitten unter Angabe von Namen und Adresse um
verbindliche
Rückmeldung per Fax oder Email:
Fax: 030/280 90 448
Email:  anmeldung@spd.de

Anmeldeschluss ist der 2. Mai 2002
Die Anmeldungen werden nach Eingang berücksichtigt.
Die Teilnahme ist nur Gästen mit einer
Anmeldebestätigung möglich. Diese verschicken wir,
solange es die Platzkapazitäten erlauben, möglichst
per Email.
Informationen zur Veranstaltung erhalten Sie ab
demnächst unter www.spd.de und unter der Rufnummer
030/280 90 254 durch Dr. Klaus-Jürgen Scherer.
Veranstaltungsort
Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstraße 141, 10963 Berlin
Die Einladung ist nicht übertragbar! Aufgrund
erhöhter Sicherheitsvorkehrungen werden die Gäste
gebeten, ihren Personalausweis vorzuweisen. Dafür
bitten wir um Verständnis.

********** Ende der SPD-Einladung ************

 

04.05.2002
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