nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Nordhausen: Demonstration am 30.04

Aufruf zur Demonstration am 30.04.2002 in Nordhausen (Thüringen). Die
Demonstration unter dem Motto: "Es gibt keine Alternative zur sozialen
Revolution - Eure Gewalt hat System, euer System ist Gewalt!" wird von
der Autonomen Antifa Südharz (aas) und den Autonomen Thüringer Antifa
Gruppen [ATAG] vorbereitet.
Infos unter: www.puk.de/atag oder bei  antifa_suedharz@hotmail.com

Kapitalismus kann machen, was er muß


Aggressiver Expansionsdrang ist keine Besonderheit dieses
Gesellschaftsmodells, sondern immanenter Bestandteil dessen. Hat sich
dieser vormals an der Konfrontation mit dem real existierenden
Sozialismus entladen, im ewigen Machtpoker, Stärken und Sichern der
eigenen Einflussphäre, fiel nun nach `89 mit dem Ende des Warschauer
Vertrages, der Einzige ernst zu nehmende Gegenpart auf wirtschaftlicher,
militärischer und politischer Ebene weg.
Und vielleicht ist hierbei der Kapitalismus nicht nur übriggeblieben,
sondern hat gesiegt.
Der ungehinderte Zugang zu allen Teilen der Welt ist ermöglicht.
Globalisierung und Neoliberalismus sind Stichwörter, die als Ausdruck
dieser Verhältnisse positiv besetzt werden.

Tatsache seit `89 ist: der Kapitalismus ist das Maß aller Dinge,
alternative Modelle sind real nicht existent.
Die Forcierung der Ausbeutung und Profite, die kapitalistische
Verwertungslogik, geht entsprechend selbstsicher und optimiert über die
Bühne. Der Kapitalismus muß sich nun nicht mehr als besseres
Gesellschaftsmodell behaupten. Der Sozialstaat ist folglich
überflüssiger denn je. Waren die Säulen des Fundamentes durch immense
Staatsverschuldungen, Optimierung der Produktionsprozesse usw. erheblich
Einsturz gefährdet, haut es nun letztendlich dem sozialen
Wohlstandsstaat die Füsse weg. Der Fall nach unten ist erstmal
ungebremst. Dieser Verlauf ist vorhersehbar und symptomatisch an vielen
Kristallisationspunkten ehemaliger Ost-West Konfrontation aufzuzeigen.

Die Migrationspolitik muß ebenfalls nicht mehr besser sein, als sie der
Kapitalismus braucht. Jetzt sollen die Menschen gefälligst dort bleiben,
wo nichts zu holen ist.
Abschottung, Schengender Abkommen, Festung Europa waren vor `89
jedenfalls in dieser Form nicht umsetzbar. Heute sind es jedoch
wesentliche Punkte der Sicherheits- und Stabilisierungspolitik. Vor
allem der nordamerikanische Kontinent und Europa stehen für
rassistische, ausgrenzungsorientierte Migrationspolitik der neuen
Weltordnung, die zweifelsohne darauf aufbaut. Die Grenzen dieser
Wohlstandsgebiete stellen für die meisten Menschen eine unüberwindbare
Mauer dar. Rein darf, wer ein besonders hohes Ausbeutungpotential
vorweisen kann und daher, zumindest zeitweilig, am Wohlstandsleben
teilhaben darf. Die Bedingung ist:
Mensch ist nützlich und wird gebraucht. Dieser Rassismus, durch
ökonomische und wirtschaftliche Interessen geprägt, bedarf natürlich
einen völkisch-nationalen und darf nicht isoliert als "neuer Rassismus"
verstanden werden. Es ist nur ein anderes Grinsen der gleichen Fratze.

Die neue Weltordnung als Partition sozio-ökonomischer Gebilde. Diese
verfestigen sich an den Beispielen des mittelamerikanischen Raums im
Rahmen der NAFTA, des ASEAN-Verbandes und in der Entwicklung der EU als
politische und ökonomische Konkurrenz zu der US-amerikanisch dominierten
Zone. Hierbei muß der Kapitalismus machen, was er kann.
Die Einflußsphären sind nicht nur von der Durchsetzung der
kapitalistischen Verwertungslogik geprägt, sondern bedingt durch die
(alten) neuen Zentren ebenfalls in der Durchsetzung bestehender
politischer, ökonomischer und moralischer westlicher Normen.
Zivilisation, zivilisierte Welt werden hierbei als Synonyme für die
westliche Welt und Normvorstellungen ins Feld geführt. Untermauert wird
diese Ordnung durch den Einsatz monetärer Faktoren, also Investitionen,
Kredite usw. zur Ruhigstellung unberechenbarer Staaten (z.B. Russland),
oder aber durch den Einsatz militärischer Intervention in Androhung oder
Durchführung (z.B. der Angriffskrieg gegen die Republik Jugoslawien).


Deutschland halt's Maul

Während Deutschland unbestritten eine, wenn nicht die ökonomische und
politische Zentralmacht in Europa darstellt, fehlte bisher jedoch zur
völligen Souveränität und zum Großmachtstatus die entscheidende
militärische Komponente. Was bisher keiner schaffte, machten nun ein
Schröder, Scharping, Fischer und die "neue Mitte" allen vor. Krieg auf
dem Balkan. Krieg zur eigenen Interessenwahrung nicht trotz, sondern
wegen Auschwitz.
Ein Milosevic wird zum Hitler und serbische Gefangenenlager zu deutschen
KZs. Deutschland besinnt sich der historischen Schuld: Auschwitz wird
zum moralischen, politischen Argumentationsmuster deutscher
Kriegseinsätze.
Es ist geschafft - die Bundeswehr gehört wieder zu den gängigen
aussenpolitischen Instrumentarien. Der Holocaust und der
Vernichtungskrieg der Wehrmacht sind, nach langem Totschweigen und
Verdrängen zur nationalen Identität geworden, zum nationalen
Begründungsmythos. Mittlerweile haben sich deutsche Kriegseinsätze
legitimiert. Bauchschmerzen bereitet nicht mehr das Ob und das Warum,
sondern das Wie und Womit. Ab und zu muß noch mal die moralische Keule
geschwungen werden und der Kanzler politische Schachzüge hervorzaubern
und koppelt eben mal eine Gewissens- und Vertrauensfrage.
Spürpanzer in Beirut, Einheiten in Somalia und die Vorzeigejungs der
"KSK" an vorderster Front der Terroristenbekämpfung - die breite
Zustimmung der Bevölkerung wird vorausgesetzt, ja kann vorausgesetzt
werden. Deutschland spielt also wieder mit um die Schlossallee der
neuen Weltordnung und geht dabei über Los.


Gewaltige Kritik

Während der Kapitalismus immer noch machen kann, was er muss und
Deutschland immer noch nicht abgeschaltet ist, bleibt es auch weiterhin
die Aufgabe der radikalen Linken, diese Verhältnisse zu kritisieren und
anzugreifen. In die Schußbahn der Kritik gehören nicht nur die
offensichtlichsten Symptome, sondern die immanenten Bestandteile des
Systems. Die Durchsetzbarkeit der kapitalistischen Verwertungslogik
bedarf explizit gewaltförmiger Prozesse und Institutionen. Ebenso
eindeutig wie unscharf jedoch erscheint die Begrifflichkeit Gewalt,
wendet man den analytischen Blick auf das Thema. In der Soziologie z.B.
wird dem Thema "Gewalt nur eine marginale Bedeutung zugewiesen, d.h. die
Thematisierung von Gewalt ist in Spezial- oder Randgebiete abgedrängt
wurden. Begründet ist dies mit der Charakteristik der Moderne und mit
ihr das Verschwinden der Gewalt aus innerstaatlichen Konflikten. Alles
andere wird als Rückfall, als eine Ausnahme dargestellt, die auf eine
unvollständige Modernisierung, vormoderne Zustände hinweist.
Bedeutend unklarer wird die Begrifflichkeit bei der Verwendung von
Gewalt im Sprachgebrauch. Lässt man den "Kompetenzbegriff" (im Sinn von
etwas in Gewalt bringen) weg, so ergibt sich dennoch schon allein durch
den verbleibenden "Aktionsbegriff" im Alltagssprachgebrauch ein hohes
Maß an Mehrdeutigkeit.
Gegenstand linksradikaler Politik sollte hierbei nicht das Phänomen "das
Auto in der Gewalt haben" sein, sondern an der grundsätzlichen
Verfasstheit staatlicher Formation rütteln. Im Zusammenhang mit der
soziologischen Theorie, bei der Gewalt als Spezial- oder Randgebiet
oder eben als Rückfall hinter die Moderne begriffen wird und mit dem
Hinweis auf die Erzeugung des Phänomens Gewalt in variablen Diskursen,
kommt der strukturellen Gewalt eine relevante Bedeutung zu.


Die Funktion des Staates als menschliche Gemeinschaft ist es nicht den
Samariter zu spielen und möglichst gutes zu tun, sondern die
Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Formation zu garantieren.
Es geht nicht darum, den armen Kindern im Trikont uneigennützig zu
helfen oder einen sozialen Mindeststandard der Gesellschaft
aufrechtzuerhalten, des guten Willen wegen. Es geht darum, diesen
Problematiken (z. B. sozialen Krisen) vorzubeugen und entgegenzuwirken.
Hierbei gehört die soziale Befriedigung nach aussen und nach innen
genauso dazu wie der Knüppeleinsatz der Bullen auf Demos oder die
militärische Intervention als Fortsetzung der Politik. - Zwei Seiten der
gleichen Medaille.
Die Wahl der Mittel ist hierbei, im jeweiligen zeitpolitischen
gesellschaftlichen Diskurs zu suchen.
Diese Diskurslinie charakterisiert das zivilisationstheoretische Denken
über Gewalt als Konzeption -
die scheinbare Minimierung der gesellschaftlichen Gewalt, die
Befriedigung der Gesellschaft. Wer sich hier dazuzählen kann, steht
somit auf der Seite der "Guten".
Gewalt wird wahlweise als fremd, vormodern, unzivilisiert, abnormal -
jedenfalls außerhalb der Gesellschaft verankert. Die Begrifflichkeit
wird dabei antipodisch zu zentralen, positiv bewerteten Begriffen wie
Rationalität, (moderne) Gesellschaft, Recht und Demokratie gefasst.
Die Darstellung der Gewalt als "negatives anderes" blendet somit die
Gewaltförmigkeit des Staates und der Gesellschaft aus.
Die Legitimation durch die Gesellschaft und die Reproduktion
struktureller Gewalt erlaubt es dem Staat, sich aus vielen Bereichen
zurückzuziehen und wenn nötig nur regulierend einzugreifen.
Gesellschaftlich geprägte Zwangsstrukturen und die fast völlige
Anerkennung des Kapitalismus als Naturgesetz, den es nur zu zügeln gilt,
baut gesellschaftliche strukturelle Gewalt auf. Alle die, die durch das
Raster der Verwertungslogik fallen, werden gesellschaftlich geächtet und
erfahren den Arbeitsethos und Nationalismus der verschworenen
Individualgesellschaft. MigrantInnen werden zu parasitären Erscheinungen
und SozialhilfeempfängerInnen zu Schmarotzern.

Das Recht auf physische Gewaltsamkeit haben Einzelpersonen oder
Personengruppen nur soweit, wie es der Staat ihnen zu spricht. Die
Gewaltsamkeit ist solange legal, wie die staatliche Ordnung sie
toleriert, genehmigt oder vorschreibt. Eine Sitzblockade etwa kann so zu
einer illegalen Gewaltanwendung denunziert werden, wobei der
Schlagstockeinsatz, um eine Auflösung durchzusetzen, wiederum legal ist.
Ebenso kann einem die Anwendung der organisierten Ausbildung zum Töten
bei der BW zu höchsten Auszeichnungen verhelfen. Klammheimliche
Freude... kann dagegen schon als terroristischer Akt gewertet werden.
Diese Differenzierung hat System.
Wird sich dieser nicht entzogen, verkommt jegliche Kritik an bestehenden
Verhältnissen zu einer autoritären Rebellion und es bleibt nicht mehr
als das Bekenntnis zur gewaltförmigen Gewalt Staat übrig. Die Berufung
der Zivilgesellschaft auf Gewaltfreiheit und Menschenrechte schlägt in
die gleiche Kerbe.
Nicht einmal der Mindeststandard der Menschenrechte wäre ohne Anwendung
von "illegaler" Gewalt möglich gewesen. Die Menschenrechte heute sind
jedoch Volksurteil und Universalrechtfertigung für Angriffskriege (s.
Jugoslawien) und somit unweigerlich mit den gesellschaftlichen
Gewaltverhältnissen verknüpft. Menschenrechte mittels Gewalt herbei zu
bomben, ist etwa kein Widerspruch in sich, sondern die konsequente
Anwendung dessen. Die gemeinte Gewaltfreiheit ist also keine Negation
der bestehenden Gewalt, sondern klammert die strukturelle, staatliche
Gewalt aus und gibt somit seine implizite Zustimmung zu dem, was Mensch
glaubt abzulehnen.


Für das Ende der Gewalt
-Kapitalismus abschaffen-
-Gegen Deutschland-


autonome antifa südharz, märz 2002

 

09.04.2002
Infoladen Sabotnik   [Aktuelles zum Thema: Soziale Kämpfe]  [Schwerpunkt: 1.Mai]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht