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Berlin: Stellungnahme der AAB rund um den 1.Mai 2002

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1.Mai Berlin - Stellungnahme der AAB

Vorwort
Am Freitag, den 22. Februar fand im Mehringhof ein Treffen zur Vorbereitung der diesjährigen revolutionären 1. Mai Demonstration statt. Wir – die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) – wurden gleich zu Beginn aufgefordert, den Raum zu verlassen. Ebenso alle anderen Personen oder Gruppierungen, die in irgendeiner Form am „Personen-Bündnis für einen polizeifreien 1. Mai“ beteiligt sind. Begründung: Die AAB habe sich für eine reformistische Befriedungspolitik in Kreuzberg entschieden und mache nun mit Kriegstreibern gemeinsame Sache gegen linksradikale Kritik und Politik. Da wir weder die Möglichkeit hatten, unsere Position darzustellen, noch überhaupt eine gemeinsame Diskussion gewünscht wurde, wir beides jedoch als notwendig für eine gemeinsam getragene revolutionäre 1. Mai Demonstration erachten, stellen wir im Folgenden unsere Position dar.

Das Ziel
Wie auch in den vergangenen Jahren wollen wir in einem Bündnis mit möglichst vielen linksradikalen Gruppen die revolutionäre 1. Mai Demonstration durchführen. Unter dem Motto „Kapitalismus abschaffen! Eine andere Welt ist nicht möglich!“ werden wir die radikale Kritik der herrschenden Verhältnisse dorthin tragen, wo sie am besten aufgehoben ist – nach Mitte. Zentrale inhaltliche Punkte sollen sowohl die kriegerische Außenpolitik Deutschlands als auch der Rot-Grüne/ Rot-Rote Kampf um eine bessere Verwaltung des Kapitalismus sein. Wie jedes Jahr soll die Demo 18.00 Uhr am Oranienplatz starten. Angemeldet ist bisher die Route Oranienstraße, Friedrichstraße, Breite Straße und Annenstraße.
Diese Route wurde in der Vergangenheit grundsätzlich verboten. Nun muss sich Rot-Rot positionieren, was interessant wird, haben doch noch im letzten Jahr gerade VertreterInnen der PDS die von Werthebach praktizierte faktische Abschaffung des Demonstrationsrechts aufs heftigste kritisiert und sich in Form einer Ersatzanmeldung mit der verbotenen 1.
Mai Demo solidarisiert.
Wir verstehen diese Demonstration weiterhin als Bündnisdemonstration der radikalen Linken in Berlin und fordern aus diesem Grund alle Gruppen und Personen auf, sich an der Vorbereitung zu beteiligen. Dafür sind unseres Erachtens Diskussionen notwendig, die wir immer bereit sind zu führen, was die bereits angemeldete Route ebenso betrifft wie alle anderen Punkte unseres Konzeptes.

Über Personenbündnis, Reformismusvorwürfe und Bündnispolitik
Nun wird in der Berliner Linken seit ein paar Wochen wieder heftig diskutiert. Dreh- und Angelpunkt ist der diesjährige 1. Mai und vor allem die Existenz eines Personen-Bündnisses - das in Kreuzberg am Tag selber eine polizeifreie Zone fordert, um politische Diskussionen auf der Straße zu führen – an dem auch wir beteiligt sind. Dazu ein kurzer Rückblick: Bis zum letzten Jahr hatte sich kaum eine/r mehr für die Vorbereitung des 1. Mai in Kreuzberg interessiert. Die Verantwortung für die Demonstration lag bei einigen wenigen Gruppen, der Rest der Szene hat beobachtet, kritisiert, boykottiert oder toleriert. Häufigster Vorwurf zum 1. Mai und der AAB: entpolitisiertes Pop-Event, ritualisierte Randale. 2001 haben sich die Umstände von staatlicher Seite grundlegend geändert. Zum ersten Mal unterlag die revolutionäre 1. Mai Demo einem Totalverbot. Hatte es auch in den Jahren zuvor erste Unterbindungsversuche gegeben (Teilstreckenverbote, Auflagen zur Blockbildung mit jeweils 50 m Abstand usw.), wurde Kreuzberg 2001 komplett abgesperrt, gab es dutzendweise großräumige Aufenthaltsverbote, Gefährdungsansprachen und Meldeauflagen.
Dass dennoch eine Demonstration stattfand, lag weniger an der Existenz einer durchsetzungsfähigen linksradikalen Bewegung als an der Empörung und daraus resultierenden Unterstützung von Seiten einiger übrigggebliebener linksliberaler BürgerrechtlerInnen und Einzelpersonen aus verschiedenen Parteien.
Diese Entscheidung, nämlich mit Unterstützung reformistischer Kräfte die 1. Mai Demo durchzuführen, war unserer Meinung nach die einzig Richtige im Hinblick auf den derzeitigen Zustand der radikalen Linken.
War die Aufregung über das Verbot vorm 1. Mai noch groß und damit auch die Hoffnung, es würden sich wieder mehr Gruppen und/oder Einzelpersonen an den Vorbereitungen für dieses Jahr beteiligen, war einen Monat später in der Szene wieder Ruhe eingekehrt.
Bereits im vergangenen Sommer hatten wir zu einem ersten Bündnistreffen geladen. Schwerpunkt sollte sowohl die Nachbereitung des letzten 1. Mai sein, als auch die Diskussion um die Zukunft des 1. Mai in Berlin. Genau fünf Gruppen erschienen. Auf die in diesem Kreis erstellte Einladung zu einem zweiten Treffen reagierten nur noch zwei Gruppen. Dass 2002 in Berlin Rot-Rot an der Macht sein könnte und sich damit vielleicht auch andere Perspektiven im Hinblick auf Demonstrationsrecht u.ä. ergeben könnten, war zu diesem Zeitpunkt kaum zu erahnen!
Zeitgleich begannen in anderen Kreisen sehr wohl Diskussionen um den 1. Mai. Die Idee, Kreuzberg zu einer „Polit-Meile“ zu machen, unter dem Label „Demokratie von unten“ und ohne Polizei, entstand in Bürgerrechtskreisen und wurde praktisch vor allem von Peter Grottian forciert. Auf dessen Anfrage, ob wir uns eine Beteiligung an solch einem Konzept vorstellen könnten, haben wir aufgrund der Umstände offen reagiert. Folgende Überlegungen waren Grundlage unserer Entscheidung:

1) Das geplante Fest wird von uns nicht als Alternative zum bisherigen 1. Mai verstanden, sondern als Ergänzung! Primäres Anliegen ist nach wie vor die Durchführung einer linksradikalen, revolutionären 1. Mai Demonstration und zwar autonom organisiert, d.h. ohne jegliche Mitgestaltung von Seiten des Bündnisses. Dies war und ist die Grundlage unserer Beteiligung am Personenbündnis. Inhaltliche Ausrichtung, Route, Anmeldung, Pressearbeit und Mobilisierung obliegen einzig und allein dem linksradikalen Bündnis zur Vorbereitung der 1. Mai Demonstration.

2) Die Forderung, den 1. Mai politisch zu füllen und die Kritik an uns, nichts als ein beliebiges Pop-Spektakel zu organisieren, das sich am Ende meist in unpolitischen Spaß-Randalen auflöst, waren jahrelang integraler Bestandteil jedweder autonomen Abgrenzungserklärung. Gegen Diskussionsveranstaltungen ist unserer Ansicht nach nichts einzuwenden. Es war immer Ansatz unserer Bündnispolitik, linksradikale Gesellschaftskritik in öffentliche Diskussionen hineinzutragen, linksradikale Politik wahrnehmbar zu machen und auch mal andere Bühnen zu nutzen, um eigene Inhalte zu vermitteln.

3) In Anbetracht der Situation im vergangenen Jahr stellte (und stellt sich immer noch) die Frage nach Repressionsversuchen. Wir sind nicht der Einschätzung, die radikale Linke in Berlin wäre derzeit in der Lage, einem weiteren Totalverbot der Demo, wie es im Grunde von der Polizeiführung geplant war, erfolgreich etwas entgegenzusetzen. Auch wenn sich die politische Wetterlage auf lokaler Ebene geändert hat, braucht linksradikaler Widerstand eine linksliberale Öffentlichkeit, wenn er politisch wahrnehmbar bleiben will. Uns erschließt sich der Sinn eines Konfrontationskurses mit den letzten Resten dieser Öffentlichkeit nicht.

4) Auch an der Forderung, SO 36 habe am 1. Mai polizeifrei zu sein, ist erst einmal nichts verkehrt. Dass sie nicht revolutionär ist, steht außer Frage, aber diese Kritik gilt im Grunde für jede konstruktive Forderung, beispielsweise auch für die Forderung nach einer Nichtöffnung der Oberbaumbrücke oder das Herausrückens eines Sozialen Zentrums durch ver.di.

5) Gerade im Hinblick auf die zunehmende Repression von linksradikalem oder auch nur gesellschaftskritischem Widerstand, in Anbetracht des Aufrüstens des Staates nach innen in Form von „Anti-Terror-Paketen“, Amtshilfe für andere Staaten bei der Verfolgung von GlobalisierungsgegnerInnen oder Ausweitung der Genanalysepraxis bieten Bürgerrechtsgruppen und – bündnisse die Chance, grund- und menschenrechtlichen Forderungen Ausdruck zu verleihen.
Ein Hauptbestandteil unserer Arbeit im Bündnis war die Verabschiedung eines Anti-Repressions-Forderungskatalogs. Neben der Polizeifreiheit für SO 36 am 1. Mai enthält dieser Katalog die Forderung nach Auflösung aller geschlossenen Einheiten, nach Kennzeichnungspflicht für Bullen, jeglicher Unterlassung von Meldeauflagen, Ausreiseverboten, Gefährdungsansprachen, Aufenthaltsverboten sowie der sofortigen Unterlassung von Amtshilfe, Rasterfahndung und Speichelprobenabnahme.

Wie weiter?
Aller Kritik und allem Ärger zum Trotz begrüßen wir, dass sich nun doch wieder mehr Gruppen, Vereinigungen oder Einzelpersonen an der Diskussion um und Vorbereitung vom 1. Mai 2002 aktiv beteiligen wollen. In der Ansicht, dass es am 1. Mai oberste Prämisse ist, linksradikale Kritik auf die Straße zu tragen, sind wir uns wohl einig. Ebenso in der Einschätzung, dass es vor allem jetzt gilt, die Unterschiede zwischen reformistischen und revolutionären Utopien herauszustellen und nicht zu verwässern. Diese Chance bietet der diesjährige 1. Mai ohne Frage. Aus diesem Grund halten wir an unserem Vorhaben fest, die revolutionäre 1. Mai Demonstration gemeinsam mit einem starken linksradikalen Bündnis vorzubereiten!
Kapitalismus abschaffen!
Es gibt keine Alternative zur Revolution!
Heraus zum 1. Mai 2002!


Antifaschistische Aktion Berlin
Februar 2002

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01.03.2002
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