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Berlin: 04.-07. Juli »this is not a love song - radikale Linke und Psychologie heute«

CALL FOR PAPERS Kongress "Subjekt [in] der Berliner Republik"


* this is not a love song
radikale linke und psychologie heute *
 http://www.notalovesong.org


*Subjekt [in] der Berliner Republik
»this is not a love song - radikale linke und psychologie heute«
Kongress 2002*
TU Berlin 04.-07. Juli 2002

Call For Papers: Subjekt [in] der Berliner Republik
Der unverstellte Blick auf die gegenwärtigen deutschen Verhältnisse
lässt nichts gutes ahnen, und es braucht eigentlich keinen Walser, um zu
erkennen, woran alle Deutschen immer schon geglaubt haben: Deutschland
ist wieder da. Was nicht heißen kann, es wäre je weg gewesen. Stets
bewegte sich das Deutsche auf jenen Ort zu, den es nie wirklich
verlassen hatte, und für den die Wiedervereinigung sowohl Ziel als auch
Vorraussetzung war. Die Unfähigkeit zu trauern nennen das die einen,
Wirtschaftswunder mit demokratischen Wertewandel die anderen. Als
bürgerliche Gesellschaft kann sich Deutschland jedoch nicht mit
nationaler Einheit zufrieden geben. Die fortwesende Bewegung der
Gesellschaft auf ihre Krise zu nötigt zu mehr. Es gilt, Sack und Asche
der deutschen Teilstaaten abzuwerfen und sich wieder zu höherem berufen
zu fühlen. Dafür braucht es zum Beispiel: eine deutsch-nationale
Identität, die sich nicht trotz sondern gerade wegen Auschwitz bildet;
eine gut ausgerüstete Armee - und keine "starke Truppe" - die sich
globalen Aufgaben stellen will; ein paar Sicherheitspakete und eine
Nationalstolz-, eine Faulenzer-, eine Kinderdressur-, eine Wegschließ-,
und eine "Wer-weiß-was-noch-kommt"-Debatte. Die Tische tanzen wieder und
die Ideologien haben Hochkonjunktur. Die Frage nach einer "alternativen
deutschen Identität", wie sie fauler Weise unter falschem Namen 1968
aufkam, hat sich mit der Wiedervereinigung - z.T. in den selben Köpfen -
endgültig erledigt. Man trägt sein Deutschsein wieder offen - nicht nur
auf Mallorca - und es bleibt zu fürchten, dass sich die Deutschen
bereits wieder auf dem Weg zum volksgemeinschaftlichen Ganzen befinden.
Jedoch, die Bewegung ist nicht ungebrochen, das Deutsche kein der
genetischen Struktur innewohnendes Wesen. Auf die Frage: "Worauf dürfen
die Deutschen stolz sein?" antwortet die Bild Zeitung "Alpen und
Nordsee" statt Krupp-Stahl und Führers Autobahnen. Das zeugt von
schlechtem Gewissen und davon, dass die Deutschen sich zwar noch immer
als Verlierer fühlen aber nach wie vor nicht als Mörder. Deutschland und
seine freiwilligen Insassen sind also auf Selbstfindung. Das nationale
Bewusstsein rüstet auf, nicht zuletzt durch die Rückverlegung des
Souveräns an den historischen Schauplatz großdeutscher Wahntaten.
Dieser Bewegung will der *not a love song Kongress 2002* sowohl mit
logisch-allgemeinen, als auch mit historisch-besonderen Überlegungen
nach bzw. auf den Grund gehen. Intention ist die der aufklärenden
Kritik. Im Bewusstsein darüber, dass die Einzelnen in der Gesellschaft
nichts gelten und von der verselbständigten Struktur nur mitgeschleift
werden, sind es doch eben jene die diese Struktur - ohne es zu wissen -
tragen. Daher soll, anknüpfend an den ersten not a love song Kongress,
die Psyche der Menschen Bezugspunkt sein und die Bedeutung der
analytischen Psychologie - welche nach Adornos Diktum die einzige ist,
"die im Ernst den subjektiven Bedingungen der objektiven Irrationalität
nachforscht" -für die Kritik des falschen Bestehenden herausgearbeitet
werden.
Ziel des Kongresses ist es, der Fragestellung nachzugehen, wie die
Menschen zu Subjekten formiert werden und welche nationalen
Besonderheiten dabei das »deutsche Wesen« konstituieren. Es sollen
Identitätskonzepte, Massenwahn, Vorstellungen und Phantasien der
Deutschen ebenso unter die Lupe genommen werden, wie deren Verhältnis zu
Kapital, Staat, Krise und Nation. Hier einige mögliche Fragestellungen
und Ansatzpunkte für Kritik:
- In Zeiten der offensichtlich werdenden Krise verändert sich das
herrschende Bild vom Menschen: eine jede sein eigener Unternehmer. So
will es der Staat und sein Schröder. Wie aber bringt sich das den
deutschen Untertanen bei? Über's Brandstiften im Alleingang? Oder jedem
sein eigener Wagen auf der Loveparade? - Zuerst einmal hat jeder 20 Kilo
abzunehmen, bevor er in den maßgeschneiderten Armani schlüpft, die Ärmel
hochzukrempeln, bevor zur Havanna gegriffen wird, und Audi statt
Mercedes zu fahren, oder am besten beides. Das deutet auf eine
Neuauflage der protestantischen Ethik hin, die allerdings immer schon am
derzeitigen Stand der Subsumtion von Innerlichkeit ansetzt.
- Die Unterdrückung von Frauen gilt seit Afghanistan als Rechtfertigung
für Krieg. In Deutschland scheint die Eingleichung der Frau damit
vollendet. Wenn aber gleichzeitig die Anzahl berufstätiger Frauen
rückläufig ist und Stoiber gern 1000DM "Herdgeld" zahlen will,
sexistische Werbung gang und gebe und "Weiblichkeit" wieder Mode wird,
stellt sich die Frage: ist das doch noch Patriarchat? Gehört mein Bauch
mir und damit auch das Recht ihn zu verkaufen? Oder wie lässt sich das
Geschlechterverhältnis - nicht nur in Deutschland - begreifen?
- Krempelt der Schröder die Ärmel hoch, dann wissen alle Deutschen
Bescheid: jetzt wird geschafft und nicht gerafft. Der Kanzler weiß, was
Arbeit ist, und tut sie für sein Volk. Das kommt davon, wenn man jede
Lüge glauben muss, die man verkündet. Nationalismus, Rassismus und
Antisemitismus sind Gegenstände, die mit Bezug auf Deutschland immer
kritikwürdig sind.
- Die nationale Einheit ist wiederhergestellt und doch scheint die
Gemeinschaft der Deutschen noch ihre völkischen Gemeinsamkeiten zu
suchen. Viel wird geredet vom Ossi und Wessi, aber anscheinend
unterscheiden sich beide nur in der Größe ihrer Lohntüten. Oder ist der
Bruch bzw. die kommunistische Verunreinigung des deutschen Volkskörpers
zu groß, um geheilt zu werden?
- Mit Triebtätern und Russenmafia im inneren, Djschihadisten und
Wallstreet außerhalb des Landes tut Sicherheit Not. Ob Schill oder
Schilly, Bewusstsein muss geformt und verwaltet werden. Warum aber
fühlen sich nur die VerschwörungstheoretikerInnen bedroht? Ist das
Internet der heiß ersehnte Ersatz für die revolutionsunlustige
Arbeiterschaft? Oder die technisch manifest gewordene Monade? Und was
läuft im Fernsehen?

In diesen oder ähnlichen Fragestellungen hoffen wir, den not a love song
Kongress 2002 bewegen zu können. Dafür möchten wir ein Forum bieten, in
welchem die Möglichkeit besteht voneinander zu lernen, miteinander zu
denken und Bewusstsein über das unwahre Ganze zu bilden. Dafür suchen
wir nach ReferentInnen: diese sollten Lust verspüren, einen Vortrag über
ihr Gedachtes in Berlin (wo sonst?) zu halten und uns bitte eine
Kurzfassung desselben zukommen zulassen.

Exposés mit kurzer Selbstdarstellung bitte an:
 kongress2002@notalovesong.org
www.notalovesong.org

oder per Post:
AK Kritische Humanwissenschaften
C/o AStA Uni Bremen
Bibliothekstr. 3

28359 Bremen


Weitere Infos unter:  http://www.notalovesong.org

Gerade erschienen:
initative not a love song "subjekt.gesellschaft - perspektiven
kritischer psychologien" Unrast Verlag Münster - 16EUR
Enthält die Beiträge des 2000er not a love song Kongresses -
Inhaltsverzeichnis unter:
 http://lovesong.gesellschaftsanalyse.de/texte/subjekt_g/index.htm

 

19.02.2002
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