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Jena-Forst: Polizei und Sicherheitsdienst misshandeln Kamerunerin

Polizei und Sicherheitsdienst misshandeln
Kamerunerin


Brutale Misshandlung einer afrikanischen Flüchtlingsfrau durch Polizei und
Sicherheitsdienst im Transitlager Jena Forst am 13. Februar 2002

Am Morgen des 13. Februar 2002, wurde Constance Etchu, eine Asylbewerberin
aus Kamerun von Polizisten und Angehörigen des Sicherheitsdienstes in der
Erstaufnahmeeinrichtung Jena Forst physisch und psychisch misshandelt, weil
sie sich weigerte, nach Gera in das Asylbewerberheim überstellt zu werden.

Gera ist wegen der dortigen Naziszene bei den Flüchtlingen, insbesondere
Afrikanern, gefürchtet. Afrikanische Flüchtlinge in Gera wagen sich nicht
allein auf die Straße aus Angst vor Naziübergriffen und rassistischer
Diskriminierung.

Erklärung von sieben Zeugen, die in Jena Forst leben:

Gegen acht Uhr heute Morgen klopfte ein Angehöriger des Sicherheitsdienstes
an die Zimmertür von Constance Etchu aus Kamerun, um sie an ihren Transfer
nach Gera zu erinnern. Sie sagte dem Angehörigen des Sicherheitsdienstes,
dass sie nicht nach Gera gehen würde, denn Gera sei voller Nazis. Sie war
dort am 12. Februar, um sich den Ort selbst anzusehen und konnte, als sie
zurückkam, den anderen über den Zustand des Heims berichten. Das Heim
selbst sei in Ordnung, aber sie habe Angst, denn ihr Leben ist nicht sicher
in Gera. Gera ist voller Nazis. Sie würde ein anderes Heim Gera vorziehen.

Der Chef des Sicherheitsdienstes brachte sie in das Büro des Sozialdienstes,
wo sie die Transferliste unterschreiben sollte, aber sie weigerte sich.
Schließlich unterzeichneten die Leute vom Sicherheitsdienst an ihrer
Stelle. Sie kamen mit Constance zurück zu ihrem Zimmer, um sie zu zwingen
ihre Sachen aus dem Raum zu holen. Sie weigerte sich. Also sagten sie, dass
sie jetzt, da sie sich geweigert hätte, die Polizei holen würden.
Constance sagte, dass sie lieber mit der Polizei als nach Gera gehen wollte.

Der Mann vom Sicherheitsdienst klopfte an die Tür von Raum 207 und sagte den
Leuten dort, dass sie mit Constance sprechen sollten, damit sie nach Gera
gehe. Falls nicht, würde die Polizei kommen, um sie zu verhaften. Sie gingen
also zu Constance und berichteten ihr, was der Mann vom Sicherheitsdienst
gesagt hatte. Sie sagte wiederum, dass sie nicht nach Gera gehen wolle
wegen der Nazis dort und dass sie lieber irgendwo hingehen wolle, wo es
keine Nazis gäbe. Die zwei verließen Constances Zimmer und berichteten dem
Chef des Sicherheitsdienstes, dass sie nicht nach Gera gehen wolle. Also
erklärte der Mann vom Sicherheitsdienst, dass er die Polizei rufen würde.
Nur zehn Minuten später kam ein Zivilpolizist (ohne Uniform aber mit
Pistole) zusammen mit Frau Krüger und holte Constance aus ihrem Zimmer und
brachte sie in das Büro des Sicherheitsdienstes. Sie sperrten sie etwa 20
Minuten lang dort ein. Dann kam die uniformierte Polizei mit einem Wagen.
Es waren ein Mann und eine Frau.

Während sich Constance im Büro des Sicherheitsdienstes befand, ging ein
Angehöriger des Sozialdienstes in ihr Zimmer und steckte ihre Handtasche
mit dem Handy und ihrer Kamera sowie ihre Jacke in eine große blaue
Plastiktüte. Jemand vom Sicherheitsdienst warf die Tüte in einen der Busse
des Sicherheitsdienstes, in dem sich andere, weiße Flüchtlinge befanden.

Fünfzehn Minuten nach ihrer Ankunft betrat die Polizei das Büro des
Sicherheitsdienstes. Sie drehten Constance die Arme auf den Rücken und
fesselten ihre Hände hinter ihrem Rücken mit Handschellen. Sie öffneten das
Gitter und zwangen sie in den Bus des Sicherheitsdienstes einzusteigen. Sie
weigerte sich.

Die zwei Polizeimänner, die Polizeifrau und ein Mann vom Sicherheitsdienst
begannen sie zu schlagen um sie in den Bus zu zwingen. Sie blockierte, indem
sie ein Bein unter den Bus klammerte und fiel schließlich zu Boden. Während
sie auf dem Boden lag, ein Bein unter dem Bus, stieg ihr ein Polizist mit
dem Fuß auf das Gesicht. Sie versuchten sie mit Gewalt unter dem Bus
hervorzuziehen. Die Polizisten und die Angehörigen vom Sicherheitsdienst
spuckten auf sie und traten ihren Kopf mit Füßen.

Eine Frau, die im Heim lebt und die Constances Misshandlung durch die
Polizei und den Sicherheitsdienst beobachtete, weinte aufgrund des Leids,
das Constance zugefügt wurde. Die Leute vom Sicherheitsdienst bezeichneten
sie und uns andere anwesende Flüchtlinge als ?Arschloch?, ?Penner?, sie
sagten ?Fuck you? und ?Black Monkeys? (Schwarze Affen) zu uns und sie
erzählten uns, dass wir in Afrika im Wald lebten. Einem von uns zeigte ein
Mann vom
Sicherheitsdienst einen ?Fuckfinger? in Richtung seines Afters.

Anschließend, zwangen drei Leute vom Sicherheitsdienst und ein Polizist
Constance gewaltsam sich zu beugen und trugen sie zum Polizeiauto. Sie
schlugen ihren Kopf mehrfach mit Fäusten, um ihren Kopf nach unten zu
beugen, um sie in das niedrige Polizeiauto zu zwingen. Während all der
Misshandlungen waren Constances Hände nach wie vor hinter ihrem Rücken
gefesselt.

Nachdem sie auf dem Boden gelegen war, war sie wegen des Regens völlig von
Schlamm durchweicht. Deshalb musste die Polizei Nylontüten auf dem Sitz
ausbreiten, damit die Sitze des Polizeiautos nicht beschmutzt würden.
Danach fuhr das Polizeiauto mit Constance davon. Der Bus mit ihrer Tasche
und den weißen Flüchtlingen fuhr ebenfalls davon.
Uns, die wir zurückgeblieben waren, sprachen die Sicherheitsbediensteten auf
Englisch an und drohten uns ebenfalls mit Misshandlungen.


Ergänzung zum Protokoll vom 13. Februar durch Constance Etchu

Als der Polizist und die Polizistin in das Büro des Sicherheitsdienstes
kamen, befand ich neben dem Weg zur Theke. Die Polizistin stieß mich zur
Seite, wobei sie auf sehr genervte und verächtlichtliche Art ?Afrika?
sagte. Der Polizist und der Sicherheitsbeamte drehten meine Hände auf
meinen Rücken und legten mir Handschellen an. Auf diese Weise schubsten sie
mich zum Bus des Sicherheitsdienstes. Als der Chef des Sicherheitsdienstes,
der Zivilpolizist sowie die beiden Polizisten in Zivil versuchten mich in
den Bus zu zwingen, weigerte ich mich und fiel schließlich zu Boden. Als
ich auf dem Boden lag, stand einer der Polizisten mit seinem Fuß zunächst
auf meinem Bauch, später auf meiner Brust. Die Polizistin trat mit ihren
Füßen gegen meinen Kopf.

Zu dieser Zeit rief Caroline, die die Situation beobachtete, aus: ?You
people want to kill her.? Woraufhin der Polizist antwortete: ?Ja?.
Als sie mich später in das Polizeiauto zwingen wollten, boxte mich der
Polizist fast fünf Minuten lang in den Bauch. Aufgrund der Schmerzen stieg
ich schließlich in den Wagen.

Bevor der Wagen auf die Bundesstraße einfuhr, forderte die Polizistin den
Polizisten, der am Steuer saß, auf den Wagen anzuhalten, weil sie mich
angurten wollte. Während sie versuchte mich anzugurten, bat ich sie darum
mir die Handschellen zu entfernen, da meine Hände eingeschlafen waren. Sie
sagte mir, dass meine Hände bis Gera so bleiben würden. Dann stieg der
Fahrer aus dem Wagen, öffnete meine Tür, zog ein Messer heraus und schnitt
damit meinen Pullover kaputt. Später nahm die Frau ein Seil und band meine
Beine zusammen.

Auf der ganzen Fahrt nach Gera hielt die Polizistin, die neben mir saß, mit
ihren beiden Händen meinen Kopf nach unten gebeugt. Noch immer fühle ich die
Schmerzen am ganzen Körper.
Die ganze Zeit über lachten die beiden über mich. Ich hörte sie ?Africa,
Africa? sagen. Während sie meinen Kopf nach unten pressten, weinte ich,
aber sie lachten weiter.

Als wir in Gera ankamen, befreite die Frau meine Beine und befahl mir aus
dem Wagen auszusteigen. Ich weigerte mich. Dann nahmen ein
Sicherheitsbeamter aus Jena und ein Polizist meine Beine und zogen mich aus
dem Auto auf die Straße. Sie schleppten mich etwa zehn Sekunden lang am
Boden entlang. Dann stand ich auf und sie stießen mich in das Heim.

Als ich aufstand, zog die Polizistin meine Armbanduhr herunter und nahm sie
mir weg. Währenddessen sagte sie etwas wie: ?Flüchtlinge brauchen keine
Uhr.? Sie behielt meine Uhr und gab sie mir nicht zurück.

Als wir im Heim ankamen, löste der Sicherheitsbeamte zuerst die Handschelle
von dem einen Arm. Bevor er die andere Hand befreite, bewegte er sie mehrere
Male auf und nieder. Alle Sicherheitsbeamten lachten.

Die weiße Polizistin sagte mir: ?Dies ist Gera, du musst in Gera bleiben.?
Und sie gingen.
Letzte Woche war ich beim Arzt in Jena Forst, da ich schwanger bin. Er sagte
mir, dass er die Untersuchung nicht machen könne und dass ich dazu in die
Stadt gehen müsste. Er gab mir ein Papier, damit die Schwester einen Termin
ausmachen könne, doch für diese Woche gab es keinen Termin mehr. Also kam
ich am Dienstag wieder. Aber sie sagte mir, dass ich umverteilt würde und
dass ich in Gera einen Arzt aufsuchen müsse. Doch nach allem was gestern
passiert ist, bekam ich letzte Nacht Blutungen.

Erklärung der Flüchltinge aus Jena Forst:


Deshalb haben wir uns entschieden

gegen die Zusammenarbeit von der Polizei, dem Sicherheitsdienst in Jena
Forst sowie der Verwaltung unter Frau Krüger bei der brutalen Misshandlung
von Constance Etchu zu protestieren.

Wir protestieren gegen die tägliche Misshandlung und Brutalisierung der
Flüchtlinge in Jena Forst.
Wir protestieren gegen die tägliche Diskriminierung von Flüchtlingen
insbesondere von denen mit schwarzer Hautfarbe.
Wir protestieren gegen die alltägliche rassistische Behandlung von schwarzen
Flüchtlingen.
Wir protestieren generell gegen die Isolierung und die soziale Ausgrenzung
von Flüchtlingen in Jena Forst.
Wir protestieren gegen die Unsicherheit, die die Heimverwaltung und die
Sicherheitsbeamten für die Flüchtlinge verursachen.
Wir protestieren gegen die unmenschliche Behandlung der Flüchtlinge in Jena
Forst.

Wir, die Flüchtlinge, appellieren für den vollständigen Schutz unserer
Menschenrechte.
Wir fordern eine offene Gesellschaft ohne Rassismus, Diskriminierung,
Isolation und sozialer Ausgrenzung von Flüchtlingen in Jena und Thüringen.

Wir verlangen die Schließung von Jena Forst für Flüchtlinge gegen die
Isolation und die soziale Ausgrenzung von Flüchtlingen.

Wir appellieren an alle progressiven Deutschen, MenschenrechtsaktivistInnen
und AntirassistInnen die Misshandlung von Constance Etchu und der
Flüchtlinge in Jena Forst anzuklagen.

Wir, die wir die Zivilcourage hatten, die Misshandlungen, die wir heute
sahen, öffentlich anzuzeigen, verlangen Sicherheit, Unterstützung und
Solidarität.
Es gibt keine Garantie für die Sicherheit der Flüchtlinge.

Wir kamen, um Sicherheit und Unterstützung zu finden und nicht Misshandlung.

Unterstützt die Zivilcourage der Flüchtlinge gegen Diskrimierung und
Rassismus in Jena Forst.

Kamga Guy Branco,
Amin Pamela,
Jules Tchatchueng,
Doohin Leot,
Cynthia Sunny,
Yebba Sama Caroline,
Deuton Francois David

Wir rufen auf zu einer Demonstration in Jena, Stadtkirche, am Donnerstag,
den 14. Februar, um 15.00 Uhr.
Um 14.00 beginnt ein Protestmarsch der Flüchtlinge, die Zeugen waren, vom
Flüchtlingsheim Jena Forst in die Stadt.

Info - Update durch The Voice

Am Donnerstag fand in Jena eine Demonstration statt gegen die Misshandlung
von Constance Etchu und gegen die Diskriminierung, Ausgrenzung und Isolation
der Flüchtlinge in Jena Forst.

Die Polizeidirektion hat schon reagiert: Es soll Anzeige erstattet werden
gegen Verleumdung, gegen Constance Etchu soll wegen Beleidigung und
Widerstand ermittelt werden.

Nach wie vor möchte Constance unter keinen Umständen in Gera leben. Sie
bittet alle um Unterstützung in ihrem Protest gegen ihre Verfrachtung nach
Gera. Gegen ihre Behandlung durch Polizei und Sicherheitsdienst will sie
Anzeige erstatten.

The VOICE Africa Forum unterstützt Constance und die Flüchtlinge in Jena
Forst in ihrem Protest gegen Misshandlungen, rassistische Diskriminierung
und Isolation im Wald bei Jena.

The VOICE fordert die Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung Jena Forst!

Es wird gerade eine Kampagne für die rechtliche und politische
Unterstützung von Constance Etchu und für die Schließung des im Wald
isolierten Flüchtlingsheims Jena Forst mit Brief/
Faxaktionen und wöchentlichen Aktionen der Flüchtlinge in Jena eingeleitet.

 

19.02.2002
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