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Türkei/ Europe: IRA wird bejubelt, die PKK verdammt - oder wie mit zweierlei Maß gemessen wird

Dialog-Kreis: "Krieg in der Türkei -
Die Zeit ist reif für eine politische Lösung"
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29. November 2001

Eine Erklärung des Dialog-Kreises:

IRA wird bejubelt, die PKK verdammt - oder wie mit zweierlei Maß gemessen wird

Freude und Erleichterung wird von allen Seiten über den Schritt der IRA, ihre
Waffen zu vernichten, ausgedrückt. US-Präsident Bush spricht von einem
"historischen Schritt". Der englische Premier Tony Blair würdigte "den Mut und
die Kühnheit" der Republikaner-Führer, die "diesen Augenblick von grundlegender
Bedeutung" ermöglicht hätten und die irische Staatspräsidentin sprach von einem
"Schlüsselereignis" für den Friedensprozess. Das alles sind sehr berechtigte,
kluge Worte, die eine friedliche, politische Lösung des Nordirland-Konflikts
ermutigen und weiter voran bringen können.
Wie anders verhalten sich die politischen Akteure in einem anderen Fall. Im
türkisch-kurdischen Konflikt, der in unterschiedlichen Formen seit der Ära Kemal
Atatürks schwelt und immer wieder aufflammt, hat die kurdische Guerilla PKK 1999
einseitig den Krieg beendet und erklärt, sie wolle auf militärische Gewalt
verzichten und mit politischen und demokratischen Mitteln für eine friedliche
politische Lösung des Konflikts in den Grenzen der Türkei eintreten. Ihre
Guerilla hat sie, da die Türkei nicht bereit war, für diese eine
Amnestie-Regelung zu erlassen, wie die EU sie gegenwärtig in Mazedonien
anstrebt, aus dem Lande abgezogen. Sie hat als symbolischen Akt eine
Friedensgruppe aus 'den Bergen' geschickt, die ihre Waffen ablegte, und eine
andere aus EU-Europa, die eine politische Friedensbotschaft überbringen wollte.
Ankara hat beide Gruppen sofort verhaften lassen und ihre Mitglieder vor Gericht
gestellt. Sie wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und sitzen noch
immer in türkischen Gefängnissen. Von den westlichen Regierungen kam bisher
keine mit dem Bemühen um den Frieden in Nordirland vergleichbare Unterstützung.
Im Gegenteil! Als Belohnung für die Friedensbereitschaft der PKK lässt der
deutsche Innenminister ihre Mitglieder besonders streng als Angehörige einer
angeblich noch immer terroristischen Organisation verfolgen und hält hartnäckig
an dem seit 1993 bestehenden PKK-Verbot fest, infolge dessen nach wie vor
kurdische Institutionen, Vereine, Redaktionsräume und Verlagshäuser sowie
Wohnungen politisch engagierter KurdInnen von der deutschen Polizei durchsucht
werden.
Der über Irland jubelnde Tony Blair und die USA haben die PKK auf die Liste der
terroristischen Organisationen setzen lassen.
Zur gleichen Zeit klammert die Türkei bei ihren Verfassungsänderungen im Rahmen
der EU-Beitrittspartnerschaft die Kurdenfrage wiederum aus, während die EU in
ihrem jüngsten Fortschrittsbericht zur Türkei das Kurdenproblem überhaupt nicht
thematisiert.
In der Türkei werden von türkischen 'Sicherheitskräften' nach wie vor kurdisch
besiedelte Dörfer zerstört, die Menschen vertrieben, Mitglieder der legal
gewählten kurdischen HADEP-Partei ermordet und der Ausnahmezustand immer wieder
verlängert. Ankara fordert jetzt sogar mit dem Terrorismus-Argument die
Auslieferung von vermeintlichen PKK-Mitgliedern, die sich im Ausland aufhalten.
Für viele Menschen in der Friedens- und Menschenrechtsarbeit ist die
Bewusstseinsspaltung der westlichen, einschließlich der deutschen Politik
unfassbar. Sie beteuert ständig, den Frieden fördern zu wollen, während sie
gleichzeitig die Möglichkeiten hierzu im türkisch-kurdischen Konflikt
wissentlich missachtet, ja sogar durch ihre Haltung den Konflikt fördert.
Zynischerweise wird gleichzeitig die Türkei, der das EU-Parlament Folter und
Menschenrechtsverletzungen vorwirft, als Hoffnungsträger für den Frieden in
Afghanistan gefeiert. Sie soll dorthin Spezialtruppen schicken, weil sie ja
breite Erfahrungen mit der Bekämpfung des Terrorismus im Südosten und Osten
habe, sprich mit der Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung im eigenen Land.
Wer von Menschenrechten und Frieden, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung
spricht, darf nicht mit zweierlei Maß messen. Deswegen ist es dringend
notwendig, das PKK-Verbot mit all seinen negativen Folgen endlich aufzuheben und
zu beginnen, eine friedensfördernde Politik auch im türkisch-kurdischen Konflikt
zu verfolgen.

V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Andreas Buro, Grävenwiesbach

 

30.11.2001
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