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Marburg: Stoppt den Krieg in Afghanistan!

STOPPT DEN KRIEG IN AFGHANISTAN!

Anmerkungen der DFG-VK Marburg zu den fortlaufenden Bombardements

Seit dem 7. Oktober bombardieren US-amerikanische und zum Teil britische
Streitkräfte Städte und militärische Einrichtungen in Afghanistan.
Offiziell geht es bei dieser Militäraktion darum, den für die Massaker
in New York und Arlington verantwortlich gemachten Usama Bin Ladin zu
fassen und das ihn unterstützende Taliban-Regime in Kabul zu stürzen.

Daran, daß die Hintermänner der barbarischen Anschläge in den USA vom
11. September 2001 zur Rechenschaft zu ziehen sind, besteht kein
Zweifel. Wohl aber daran, daß dies mit kriegerischen Mitteln, mit
Bombardements zu bewerkstelligen sein wird. Denn dagegen spricht die
Erfahrung. Weder ist es den alliierten Truppen 1991 während des
Golfkrieges gelungen, den zum Hitler der 90er Jahre deklarierten
irakischen Staatschef Hussein zu töten, noch konnte man bisher auf dem
Balkan einer nennenswerten Zahl von Kriegsverbrechern und Leuten, die
die Nato dazu erklärt hat, habhaft werden. Und so macht die
US-amerikanische "Kampagne" bisher auch einen eher hilflosen Eindruck:
Als in der ersten Woche der Angriffe eine 2000-Pfund schwere
Hightech-Bombe ihren Bestimmungsort um mehrere Hundert Meter verfehlte
und in ein Wohngebiet krachte, erwähnte das US-Verteidigungsministerium
nebenbei, daß das eigentliche Ziel ein einzelner (!) Hubschrauber auf
dem Kabuler Flughafen gewesen sei. Man könnte das auch nennen: mit
Kanonen auf Spatzen schießen. Ein solches Vorgehen nimmt zweifellos jede
Menge ziviler "Kollateralschäden" in Kauf.

Zumal ein ausreichender Druck auf das gegnerische Regime nur auszuüben
ist - das zeigt das Beispiel Kosovo-Krieg 1999 - , wenn auch zivile
Infrastrukturen angegriffen werden: Verkehrsknotenpunkte, Brücken,
Fabriken, kulturelle Einrichtungen, Fernseh- und Radiostationen. All
dies wurde bisher bereits bombardiert oder mit Bomben bedroht. Der
bisherigen US-Kriegsführung liegt nach aller Erfahrung ein
Eskalationsmechanismus zugrunde, der, je länger und entschiedener die
Gegenwehr des Taliban-Regimes sich organisiert, desto stärker versucht,
militärischen Druck zu entfalten. Der dürfte sich aber vor allem gegen
die verbliebene zivile Infrastruktur zunehmend richten, da militärische
Ziele nach einiger Zeit kaum noch vorhanden sein dürften. Dann wird die
Kriegspropaganda der USA mehr und mehr zivile Einrichtungen in
Afghanistan zu militärisch bedeutsamen Objekten umdefinieren.

Natürlich stellen viele eine Frage an die Friedensbewegung: Wie sehen
denn eure Vorschläge aus, um die Verantwortlichen der Anschläge zu
bestrafen? Eine Antwort wird sicherlich für viele unbefriedigend
bleiben, denn der Hinweis auf Auslieferungsverfahren nach
internationalem Recht, auf die Möglichkeit, internationale Gerichtshöfe
und UN-Gremien einzuschalten, bleibt für diejenigen zu vage, die nun auf
schnelle Ergebnisse hoffen. Schnelle Ergebnisse zeitigen allerdings
jetzt schon die Bombardierungen Afghanistans, dessen militärische und
zivile Infrastruktur erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Über
sieben Millionen Flüchtlinge sind davon beredtes Zeugnis. Hingegen wird
ein Resultat der laufenden Militäraktionen in Zukunft sicherlich nicht
zu verzeichnen sein: Daß einzelne für die Anschläge vom September
verantwortliche Täter gefaßt werden.

Wenn die Chancen, die Urheber des Terrors auf der Grundlage
internationalen Rechtes vor ein Gericht zu stellen, zur Zeit relativ
gering sind, dann liegt das auch daran, daß nach wie vor nur dürftige
Beweise gegen die Hintermänner vorliegen. Jedenfalls soweit sie
öffentlich bekannt sind. Mit Sicherheit kann Usama Bin Ladin als
Anstifter zu den Attentaten gelten (denn er hat immerhin zu solchen
Anschlägen aufgerufen), aber der Dokumentation der britischen Regierung
zur angeblichen Beweiskette (F.A.Z. vom 9.10.2001) gelingt es nicht,
seine Urheberschaft nachzuweisen. Als Anklageschrift vor einem
ordentlichen Gericht könne das Papier nicht dienen, geben die Autoren
selbst zu. Insofern kann also die US-amerikanische Regierung dem Regime
in Kabul keine ausreichenden Beweise vorgelegt haben, denn sie sind
schlicht nicht vorhanden. Was auch daran liegt, daß die britische
Dokumentation nicht klar machen kann, welchen Charakter die Organisation
Al Qaida überhaupt besitzt. Handelt es sich um eine straff organisierte
Gruppe, in der das Befehl-und Gehorsam-Prinzip herrscht? Dies wäre eine
Voraussetzung dafür, Bin Ladin überhaupt als Haupttäter dingfest machen
zu können. Oder handelt es sich nur um eine lose Vereinigung weitgehend
autonom agierender Zellen? Die Briten versuchen, das Phänomen so zu
fassen: "Usama Bin Ladin steht an der Spitze des Al-Qaida-Netzes." Ein
Netz, das eine Spitze besitzt! Schwierig, sich vorzustellen, was das
überhaupt sein soll. Daher bleibt nach wie vor die Forderung nach
Offenlegung der Beweise gegen Usama Bin Ladin und das "Al-Qaida-Netz"
aktuell und richtig. Mehr noch: sie wird immer aktueller. Denn seit dem
7. Oktober ist es in bemerkenswerter Weise still geworden um mögliche
weitere Details der "Beweiskette".

Der laufende Krieg ist allerdings auch deshalb keine Möglichkeit zur
Bekämpfung des Terrorismus, weil sich aus politischen Gründen die USA
mit Gruppen und Staaten verbünden müssen, die in der Vergangenheit
terroristischen Aktivitäten nicht unbedingt ablehnend gegenüberstanden.
So finanzierte Saudi-Arabien bewaffnete muslimische Gruppen in
Afghanistan, Tschetschenien, Bosnien und auf den Philippinen. Pakistan
gelang es nur mit knapper Not, den Status eines "Schurkenstaates"
abzustreifen. Und von der "Nordallianz" darf man, sollte sie an einer
Nachfolgeregierung in Kabul beteiligt werden, realistischerweise das
erneute Anzetteln eines Bürgerkrieges erwarten. Krieg löst keine
Probleme, sondern Krieg verursacht sie.

Deshalb ist es richtig, auf die Straße zu gehen und gegen den Krieg zu
demonstrieren. Dabei darf die Friedensbewegung freilich nicht vergessen,
daß die bedeutendste Ursache der derzeitigen Luftschläge die Massaker in
den USA gewesen sind. Allzu leichtfertig wurden diese manchmal als mehr
oder weniger absehbares, vielleicht sogar zwangsläufiges Ergebnis einer
sich nicht nur ökonomisch globalisierenden Welt erklärt, in der Menschen
massenhaft in sozialem Elend und extremer wirtschaftlicher Not leben
müssen. Gegenüber einer solchen Interpretation ist jedoch strikt darauf
zu beharren, daß alleine aufgrund sozialer Verelendung solche
terroristischen Anschläge weder zu erklären noch zu begreifen sind. Denn
an vielen Orten der Welt haben soziale und politische Bewegungen auf
Unterdrückung, Besatzung und wirtschaftliche Ausbeutung manchmal mit
gewaltfreien Mitteln (wie auch heute noch in Indien oder in
Lateinamerika), manchmal mit militärischen Mitteln reagiert. Nie aber
bisher mit solchen einen unbedingten Vernichtungswillen dokumentierenden
Terrorakten wie denen in den USA. Auch die "Verdammten dieser Erde"
haben eine Wahl. Darauf muß die Friedensbewegung deutlich hinweisen.
(Weshalb auch zur Zeit Religionskritik, insbesondere die Kritik des
Islam, in dessen religiösen Grundsätzen letztlich auch einige Partikel
zur Erklärung der Massaker zu finden sind, auf der friedensbewegten
Tagesordnung stehen muß.)

Und die Friedensbewegung sollte es freilich lassen, in deutschtümelnder
Manier von der Berliner Regierung ein irgendwie geartetes "mäßigendes"
Einwirken auf die Politik der USA und Großbritanniens zu erwarten.
Schröder, Fischer und Co. verfolgen allein deutsche Interessen. Ihnen
geht es nicht um Moral, Ethik, Gerechtigkeit oder was auch immer einem
da so einfallen mag. Vielleicht bremst die deutsche Regierung bei
militärischen Aktionen, um sich ihre Geschäfte mit dem Iran und die
guten Kontakte zur arabischen Welt nicht zu versauen. Vielleicht drängt
sie aber auch gegen den Willen der USA darauf, an Militäraktionen
teilzunehmen, um nach dem Krieg in Zentralasien bessere Karten in der
Hand zu haben, wenn diese neu gemischt worden sind. Egal welche Option
die Bundesregierung zur Zeit tatsächlich verfolgt (falls ihr das
überhaupt selbst schon klar ist, denn wohlmöglich ist zur Zeit noch
nicht ausreichend sicher abzuschätzen, welche der beiden Alternativen
für die Geschäfte des deutschen Kapitals einträglicher sein könnte), um
ideelle Werte geht es ihr mit Sicherheit nicht. Appelle, die anderes
unterstellen, sind mithin doch sehr fehl am Platz.
F.-J. Murau
*******************************
DFG-VK Marburg
Postfach 1246
35002 Marburg
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28.10.2001
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