nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Hamburg: Stellungnahme zum Thema Krieg


Stellungnahme zum Thema Krieg


In der aktuellen Situation, die die internationale Politik verändert hat und
weiter verändern wird, legen wir unsere Sicht der Dinge dar und stellen sie
zur Diskussion. Wir halten eine differenzierte, klare Positionierung für
wichtig.

In diesem Papier werden verschiedene Themen aufgegriffen:

1. Angriff auf die USA /
die USA als Symbol für Freiheit und Gerechtigkeit ?
2. Krieg
3. Angriffe gegen ZivilistInnen /
Terrorismus
4. Reaktionen der "europäischen Verbündeten" /
Veränderungen der politischen Lage
5. Schluss

1. Angriff auf die USA /
die USA als Symbol für Freiheit und Gerechtigkeit ?

Die getroffenen Ziele der verheerenden Anschläge in den USA, das World Trade
Center und das Pentagon (Verteidigungsministerium), machen deutlich, dass es
sich bei den Anschlägen um Angriffe gegen die USA handelt. Die Ziele waren
bzw. sind Schaltzentralen und Machtzentren der USA, die Nation identifiziert
sich mit diesen Zielen, als solche wurden sie angegriffen.

Das World Trade Center steht für die globalisierte kapitalistische
Wirtschaft, die allein auf die Vermehrung des eigenen Reichtums ausgerichtet
ist. Diesem Ziel werden einfachste Forderungen nach z.B.
- gerechter Entlohnung für die Arbeit aller
- gerechter Verteilung von Ressourcen
- sozialer Verantwortung für diejenigen, die, aus welchen Gründen auch
immer, dem Leistungsgedanken nicht gerecht werden,
- ökologischer Verträglichkeit
untergeordnet, wenn nicht gar als gänzlich unbrauchbar verworfen.
Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit, Solidarität und Verständnis,
Wohnung und Nahrung werden dem Ziel des Wachstums und Gewinns untergeordnet.
Es wird behauptet, dass die kapitalistische Wirtschaft quasi aus sich selbst
heraus diese Rechte beinhalten würde, wenn die Wirtschaft nur gut liefe. Mit
dieser Lüge hält sich der Kapitalismus moralisch über Wasser. Das Absurde
ist, dass er den Beweis für seine These nicht nur schuldig bleibt, sondern
dass der
Beweis gar nicht eingefordert wird.

Im täglichen Leben erfahren wir, dass die genannten Grund- und
Menschenrechte nicht einmal in den kapitalistischen Ländern des
relativen Wohlstands selbstverständlich sind. Jede und jeder, die/der auf
Arbeitssuche war, Bewerbungen schrieb und hochgradig stressige
Bewerbungsgespräche führen musste, weiß dies. Um in der Wirtschaft einen
(Arbeits-) Platz zu finden, ist unbedingte Anpassung an deren Erfordernisse
gefordert. Auch bei der Suche nach einer Wohnung, nach Unterstützung in
Krisensituationen wie Krankheit oder psychischem Kollaps gilt: du musst das,
was du brauchst, erkämpfen. Das Bemühen der Menschen in den westlichen
kapitalistischen Ländern, möglichst nicht aufzufallen, nicht herauszufallen
und am Ball zu bleiben, kostet ihre ganze psychische Kraft und kreiert einen
permanenten Spannungszustand. Dieser ist für die einen leichter, für die
anderen schwerer zu ertragen. Vereinzelung, Einsamkeit bis hin zur
Isolation, Alkoholismus, Konkurrenz, Arbeitswahn oder körperliche und
psychische Schäden sind die Folgen.

Der Kapitalismus wird der Substanz des Menschen und seinen vielfältigen
Bedürfnissen in keiner Weise gerecht. Soziale Gerechtigkeit als
Minimalforderung gibt es in
ihm nicht.

Da das kapitalistische Wirtschaftssystem von den Vertretern der europäischen
und US-amerikanischen Regierungen als ein Element der Freiheit in ihren
Ländern bezeichnet wird, halten wir es für wichtig, den Begriff mit Inhalt
zu füllen:

Grundlagen der Freiheit sind für uns zunächst die Akzeptanz und
Wertschätzung der Unterschiedlichkeit der Menschen. Davon ausgehend soll die
freie Entfaltung jeder und jedes Einzelnen möglich sein.

Freie Entfaltung heißt: Entfaltung im Zusammenleben mit anderen, in einem
gesellschaftlichen Kontext. Freie Entfaltung heißt nicht, unbegrenztes
Ausleben der Bedürfnisse Einzelner, da dies auf Kosten der Freiheit oder
Integrität anderer geht. Ein Beispiel: ein leerstehendes Gebäude; die Frage
lautet: wie soll es genutzt werden? In einer freiheitlichen Gesellschaft
würden alle, die Vorstellungen zu der Nutzung haben, bzw. von einer
möglichen Nutzung betroffen sind, zusammenkommen, ihre Bedürfnisse
einbringen und nach einer gemeinsamen Lösung suchen.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass Freiheit kein abstraktes Ziel ist.
Freiheit bedeutet vielmehr sich selbst in Kommunikation mit den anderen wahr
und ernst zu nehmen und einen Ausgleich der Bedürfnisse zur bestmöglichen
Zufriedenheit der Beteiligten zu schaffen. Diese Kommunikation, dieser
Ausgleich ist ein nicht endender Prozess, ist das Leben selbst.

Ausgehend von diesen Stichworten zum Thema Freiheit wird klar, dass das
kapitalistische Wirtschaftssystem in keinem Zusammenhang mit Freiheit steht,
oder der Begriff müsste neu definiert werden. Die im kapitalistischen System
lebenden Menschen müssen sich den Regeln von Konkurrenz (d.h. gegen die
anderen, nicht mit ihnen) und Leistung (höher, besser, weiter, schneller,
größer) unterwerfen, um in ihm Anerkennung zu erlangen. Doch selbst wenn
diese Unterwerfung stattfindet, ist Anerkennung nicht selbstverständlich
oder dauerhaft. Von einem Moment zum anderen kann die Anerkennung entzogen
werden, weil "der Markt" plötzlich neue Anforderungen stellt. Selbst
SenkrechtstarterInnen im IT-Business haben das in den letzten Jahren erlebt.

Wir hören in jedem Kommentar, in jeder Ansprache, dass die USA und
sinnbildlich das World Trade Center, für Freiheit stehen. Es ist wichtig,
dass wir uns davon nicht einlullen lassen und die Realität klar erkennen:
der Kapitalismus ist ein Gegner der Freiheit.

Wir können dies auch an der Politik der USA deutlich machen, die dem
Kapitalismus weltweit den Weg ebnet. Verschie-dene Regierungen der USA haben
an un-endlich vielen Orten auf dem Globus Unterdrückung unterstützt und
Diktatoren gefördert: in Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien. Wir
möchten in diesem Zusammenhang erinnern an
- den Abwurf der ersten zwei Atombomben durch die USA auf Hiroschima
(6.August 1945, 200.000 Tote) und Nagasaki (9.August 1945, 74.000 Tote) den
Krieg der USA in Vietnam gegen die Vietcong. Dieser Krieg brachte der
Bevölkerung u.a. durch Bombardements und Massaker (MY Lai) Tod, Zerstörung
und Verwüstung (4% der Zivilbevölkerung starben, 45% der Städte und 75% der
Industrieanlagen wurden zerstört).
- den Militärputsch in Chile am 11.9. 1973, als das chilenische Militär mit
aktiver Hilfe der CIA die gewählte sozialistische Regierung stürzte.


Ein aktuelles Beispiel aus dem Bereich der Ökonomie: zur Zeit bemüht sich
Präsident Bush die süd- und mittelamerikanischen Staaten zu einer
gigantischen Freihandelszone zu erklären: frei für die Expansion
kapitalistischer Interessen, was mit der weiteren Minimierung der Rechte von
ArbeitnehmerInnen einhergehen würde. Eine weitere Folge wäre, dass die
betroffenen Staaten kaum Einfluss auf die politische Gestaltung (z.B. in
Form von Gesetzgebung zur Regelung der Arbeit) auf ihrem eigenen
Autoritätsgebiet hätten.
Eine Situation, in der die Regierung der USA die Regierungen Süd- und
Mittelamerikas fragt: wollt ihr mitmachen? Es ist euer freier Wille! Doch
die Antwort NEIN würde einen Ausschluss aus dem Welthandelssystem bedeuten,
was sich im Rahmen der 1990 von den USA aus-gerufenen neuen Weltordnung kein
Staat leisten kann. Die Antwort ist also in
keiner Weise frei gewählt.

Das gibt das nächste Stichwort, welches in diesen Tagen immer wieder fällt:
Demokratie. Damit meint der Parlamentarismus die Wahl einer Regierung durch
die Bevölkerung. Die Regierung entscheidet dann in einem Zeitraum von 4 bzw.
5 Jahren über die gesellschaftliche Gestaltung. Einen Einfluss auf
Entscheidungen gibt es praktisch nicht.
Die demokratische Legitimierung einer gewählten Regierung steigt, je höher
die Wahlbeteiligung ist, d.h. je mehr Menschen für 4 bzw. 5 Jahre ihre
Stimme weg gegeben haben. In den USA liegt die Wahlbeteiligung in der Regel
bei ca. 35%. Wenn die Regierung tatsächlich von der Hälfte gewählt wird, was
viel wäre, dann wären das 17,5% der Wahlberechtigten der USA, die bereit
waren, der Regierung ihr Mandat zu geben. Die anderen 82,5% der
(wahlberechtigten) Menschen werden so von einer Regierung bestimmt, die sie
nicht gewählt haben.


2. Krieg

Wir stellen fest, dass es unterschiedliche Formen des Krieges gibt. Die
westliche Welt führt - nach der imperialistischen Kolonialisierung weiter
Teile der Welt in den letzten Jahrhunderten - jetzt einen globalen
Wirtschaftskrieg. Das bedeutet für den größten Teil der Menschheit
materielles und psychisches Elend bis hin zum Tod. In der Vergangenheit
wurden nicht nur einmal die menschenverachtenden Auflagen von Weltbank und
IWF für die Vergabe von Krediten aufgezeigt. Wir wollen dies hier nicht
vertiefen. Wir stellen fest, dass dieser Krieg jedoch seit Jahrzehnten
andauert und in einer kaum zu benennenden Brutalität wütet.

Es ist jetzt von dem Krieg der Kulturen die Rede. Die westliche Welt hat
allen den Krieg erklärt, die nicht mit Ihnen zusammenarbeiten. Nachdem im
Namen des Christentums Lebensstrukturen und Zivilisationen mit ihren
wirtschaftlichen und sozialen Konfliktlösungsstrategien zerstört wurden,
wird heute im Namen "der einen Zivilisation" Krieg mit unterschiedlichen
Mitteln gegen das Abweichen und gegen Widerstandsbestrebungen geführt.

Als angebliche Reaktion auf den 11.9.2001 wurde z.B. der Terrorismusbegriff
durch die EU-Kommission wie folgt ausgeweitet:
- die Zerstörung von Eigentum z.B. der Wurf eines Steins in die
Fensterscheibe einer Bank oder
- die unerlaubte Inbesitznahme öffentlicher Orte z.B. die Besetzung des
Rathausmarktes
werden als terroristischer Akt definiert, wenn sie mit dem Ziel durchgeführt
werden, die politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Strukturen zu
bedrohen. Ob diese Ziele jeweils dahinterstehen, bestimmt der Ankläger.

Hier wird deutlich, dass es bei den derzeit breit angelegten Maßnahmen nicht
nur um die Verfolgung und Ergreifung von Tätern wie denen des 11.9.2001
geht.
Auch Widerstandsgruppen und -bewegungen, Bewegungen wie die
Anti-Globalisierungs-Bewegung oder die Anti-AKW-Bewegung sollen
kriminalisiert und bekämpft werden.

Zurück zu den Angriffen in den USA am 11.9.2001:

Es wurde und wird gesagt, dass die Mittel, die in den Angriffen gegen diese
Zentren der US-amerikanischen Macht angewendet wurden, neue Mittel des
Krieges seien. Wir stimmen dieser Aussage teilweise zu. Doch was heißt das?
Was
ist das Neue? Das bisher nicht Dagewesene? Und was sind Aspekte, die nicht
neu sind?

- Was ist das Neue?

Menschen, die sich in ihrem sicheren Alltag wähnten, wurden nicht nur von
einer Sekunde zur anderen zu Opfern der Angriffe, sie wurden auch benutzt,
um die Angriffe durchzuführen, das ist das Neue: Sie wurden quasi zu
Munition, so, wie ein Raketensprengkopf Munition ist: nach dem Einsatz ist
er zerstört, seine Existenz beendet. Menschen wurden zu Munition gemacht,
ihr Leben, ihre Sehnsüchte und Wünsche spielten keine Rolle, als Menschen
(und eben nicht Raketensprengköpfe), waren sie für die Angreifer nicht
existent. So, wie für die Angreifer ihr eigenes Leben im Einsatz dieses
Mittels keine Bedeutung hatte, hatte auch das Leben der Opfer keinerlei
Bedeutung. Sie wurden einem Ziel zweckdienlich gemacht, das außerhalb ihres
eigenen, individuellen Seins stand.

- Was sind Aspekte, die nicht neu sind?

Ein Aspekt ist die Anwendung menschen-verachtender Strategien und Methoden.
Sie sind bekannt, z.B. Massenvernichtungswaffen wie Atombomben und chemische
Waffen, Folter, Landminen (gegen deren Abschaffung sich die Regierung der
USA bekanntlich wehrt)
oder uranangereicherte Sprengköpfe, um nur einige Beispiele zu nennen. In
Hinsicht auf die Anwendung menschenverachtender Methoden, unterscheiden sich
die Angriffe vom 11.9.2001 nicht prinzipiell von den Kriegen und Angriffen,
die die USA selbst geführt haben und fortwährend führen. Aus diesem Grunde
werfen wir allen, die den USA in dieser Situation eine ausschließliche
Opferrolle zuschreiben, Doppelzüngigkeit vor. Die Entrüstung derer, die
Kriege mit genau diesen Mitteln führen, ist heuchlerisch.
3. Angriffe gegen ZivilistInnen /
Terrorismus

Die Angriffe auf das World Trade Center werden mehr noch als der Angriff auf
das Pentagon als traumatisch erlebt und mit vielen Worten verurteilt, weil
dort eine in die Tausende gehende Zahl von ZivilistInnen getötet wurden.
Diese Angriffe gegen ZivilistInnen sind durch nichts zu rechtfertigen. Sie
sind ein menschenverachtender Akt. Es wurden wahllos Menschen vernichtet,
niemand, also auch die Angreifer nicht, konnte zum Zeitpunkt des Angriff
wissen, wer Opfer werden würde.

Wir stellen fest, dass sich mit ziemlicher Sicherheit im World Trade Center
unter den Opfern auch Täter befanden: Menschen, die in Ausübung ihrer
dortigen (beruflichen) Tätigkeit Konkurrenz, Armut und Elend verursachten.
Dies rechtfertigt diese Form des Angriffs in keiner Weise. Wir stellen auch
fest, dass diese Täter unter den Opfern für ihre Taten zur Verantwortung zu
ziehen sind. Dies ist mehr eine allgemeine Aussage, da es weltweit
keine Strukturen, keine Gerichte gibt, die einen Menschen oder einen Konzern
wegen Ausbeutung oder Menschenverachtung anklagen würden. Zu der Aussage
stehen wir dennoch.

Zum Begriff Terrorismus

Er beinhaltet für uns, dass jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt, an einem
beliebigen Ort Opfer der Akteure werden könnte.
Schauen wir auf das, was in den USA am 11.9.2001 geschehen ist, so ist der
Begriff Terrorismus zutreffend.

Es ist uns wichtig zu erwähnen, dass der Begriff Terrorismus in der
Vergangenheit von PolitikerInnen und in den Medien unzutreffend angewendet
wurde:

Für die Aktionen des bewaffneten Kampfes hier in den siebziger Jahren traf
die oben genannte Definition von Terrorismus nicht zu. Der bewaffnete Kampf
in der BRD wurde fälschlicherweise als terroristisch bezeichnet. Das wussten
und wissen
die EntscheidungsträgerInnen und MedienmacherInnen in der BRD. Der Begriff
wurde dennoch angewendet, dies hatte im Wesentlichen zwei Gründe:
- es sollte Angst in der Bevölkerung produziert werden, um eine
Distanzierung von den mit den Aktionen verbundenen Inhalten und Zielen zu
schaffen. Der Begriff wurde also benutzt, um der Bevölkerung Sand in die
Augen zu streuen.
- zum anderen waren zu der Zeit Guerilla-Kriege von der UN als kriegerische
Auseinandersetzung anerkannt. Dies hatte große völkerrechtliche Bedeutung
für die Guerilla-Bewegungen. Um den bewaffneten Kampf in der BRD aus dieser
Definition herauszunehmen, wurde der Begriff Terrorismus eingeführt.


4. Reaktionen der "europäischen Verbündeten" /
Veränderungen der politischen Lage

Die Regierungen der USA, Europas und die Nato profitieren von den Angriffen
am 11.09.2001.
Henry Kissinger wurde einen Tag danach von einem RTL-Reporter gefragt:
"Wird die USA gestärkt oder geschwächt aus dieser Situation hervorgehen?" Er
antwortete: "So makaber es ist, aber sie werden gestärkt aus dieser
Situation hervorgehen."

Was hat er damit gemeint?

Die genannten Regierungen und die Nato, haben jetzt weniger
Legitimationsdruck bei politischen Maßnahmen gegen linke Bewegungen, gegen
MigrantInnen, gegen islamische oder andere missliebige Staaten. Jegliche
Kritik an der Vorbereitung und Durchführung von militärischen oder anderen
politischen (Vergeltungs-)Schlägen wird als Befürwortung der Angriffe auf
die Menschen im World Trade Center denunziert und damit versucht, mundtot zu
machen. Kritik wird schwieriger werden, da sich die westlichen Staaten jetzt
demagogisch in eine Opferrolle begeben, aus der heraus sie sich zu wehren
suchen.

Mit dieser Rolle versuchen sie sich Legitimität für Aktionen zu verschaffen.
Bereits der Krieg gegen Jugoslawien hat gezeigt, dass Argumente und
politische Intervention zur Unterstützung von Konfliktlösungen in der
öffentlichen, sprich medialen Auseinandersetzung bei Bedarf mit einem großen
Handstreich vom Tisch gefegt werden. Dies wird auch in naher und fernerer
Zukunft versucht werden. Ob dies hier in der BRD so einfach sein wird, wie
im Krieg gegen Jugoslawien, wird sich zeigen.

Die jetzige Situation ist wesentlich unübersichtlicher und daher schwerer
einzuschätzen. Die Bevölkerung hier befürchtet und muss auch befürchten,
dass sie selbst un-mittelbar Teil des laufenden Krieges wird. Außenminister
Fischer und Kanzler Schröder lassen hier keine Zweifel aufkommen. Und wenn
Kriegsminister Scharping verlauten lässt, wir bräuchten uns keine Sorgen zu
machen, ist das Grund genug, sich Sorgen zu machen. Die Angst, dass
zukünftig auch hier Menschen im Zusammenhang mit der umfassenden
Kriegsführung zu Grabe getragen werden, könnte dazu führen, dass sich mehr
Menschen lautstark mit ihrer Kritik zu Wort melden (z.B. Kulturschaffende,
nichtstaatliche Organisationen, Intellektuelle, usw.).

G. W. Bush bezeichnete den Krieg, den er jetzt führt, als Krieg des "Guten
gegen das Böse": um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: er, die
Regierung der USA, sind "das Gute" und ihre Angriffsziele "das Böse".
Im deutschen Bundestag haben Vertreter der CDU, CSU und SPD die Angriffe
gegen die USA als "Akt des Bösen" und "Werk des Teufels" bezeichnet. Es wird
auf finstere, demagogische Mittel zurückgegriffen, denn eines ist ja klar:
das Böse und der Teufel, die müssen ja bekämpft werden. Diskussion
unerwünscht. Und wenn Mann das Böse und den Teufel bekämpft, ist auch klar,
dass das nicht mit Samthandschuhen geht. Mit diesen Formulierungen wurden
hier in der BRD in voraus-eilendem Gehorsam mögliche, menschenverachtende
Aktionen gerechtfertigt.

Zudem sind wir mit einer gleichgeschalteten Medienberichterstattung
konfrontiert, die, wie schon im Golfkrieg 1991 und im Jugoslawienkrieg,
alles auf Krieg konditioniert. Auch wenn es zur Zeit mehr differenzierte
Stellungnahmen gibt, sie können sich gegen die kriegsvorbereitenden Bilder
nicht durchsetzen.

Die Nato hat zum ersten Mal den Bündnisfall erklärt. Sie begreifen den
Angriff auf die USA als Angriff auf sich selbst. Zur Erinnerung: die Nato
ist ein Bündnis aus 19 Staaten: Belgien, Canada, Czechien, Dänemark,
Deutschland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Luxemburg,
Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Türkei, Ungarn, United
Kingdom, USA.

Es gibt von unserer Seite keinen Zweifel daran, dass die NATO-Staaten sich
bei Bedarf beteiligen werden, wenn die USA militärische Angriffe (bis hin
zur Besetzung) gegen Staaten richtet, von denen behauptet wird, sie
unterstützten die Täter. Beteiligung heißt dann nicht nur aktive und
finanzielle sondern auch propagandistische Unterstützung durch Wiederholen
von Behauptungen und Denunzierung von GegnerInnen. Dies ist eine nicht zu
unterschätzende Unterstützung, wie sich ebenfalls im Krieg gegen Jugoslawien
gezeigt hat.

Wir gehen davon aus, dass die von der NATO zu erwartenden Reaktionen über
eine Verfolgung der Täter hinaus gehen wird. Die Situation wird genutzt
werden, um offen militärisch, politisch und mit geheimdienstlichen Methoden,
Menschen und Organisationen zu bekämpfen, die die Regierung der USA und/oder
Regierungen der NATO-Staaten als ihre Feinde betrachten oder die sie aus
politischen Gründen bekämpfen.

Wir gehen davon aus, dass die Angriffe gegen die USA in den USA selbst und
hier in Europa einen weiteren Rechtsruck zur Folge haben werden. Der Ruf
nach der starken Hand in der Politik, nach "gerechter Strafe gegen das Böse"
bedroht hier vor allen Dingen das Leben von MigrantInnen und reduziert die
Handlungsfreiheit linker Bewegungen.

Wir gehen davon aus, dass sich in den einzelnen Ländern widerständige
Bewegungen entwickeln werden. Wir hoffen auf den Mut all derer, die sich von
der Drohung G. W. Bush´s - Wer nicht mit uns kämpft, ist unser Feind.- nicht
einschüchtern lassen.

5. Schluss

Aus den genannten Positionen leiten wir ab, dass weder die USA noch die Nato
das Recht haben, von einer "gerechten Strafe der Täter des 11. September
2001" zu sprechen. Auf die Erläuterung unserer Position zum Thema
"Bestrafung" verzichten wir an dieser Stelle.

Wir sind froh darüber, dass es bereits in zahlreichen Städten, in vielen
Ländern Demonstrationen gegen Krieg und Rassismus gab und gibt. Für den 29.
September 2001 wurde zum internationalen Aktionstag aufgerufen. Wir finden
es wichtig, Widerstand in unterschiedlichsten Formen zu organisieren und
damit sicht- und hörbar nach außen zu treten.


Gruppe LOTTA dos
29. September 2001

p.A. Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg

 

10.10.2001
Gruppe LOTTA dos   [Aktuelles zum Thema: Antimilitarismus]  [Schwerpunkt: WTC / Pentagon]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht