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Tübingen: Freispruch wegen Fahnenflucht-Aufruf rechtskräftig - neuer Desertions-Aufruf gegen den neuen Krieg

Am 18.09.2001 erhielt der Anwalt von Tobias Pflüger, Rechtsanwalt Holger
Rothbauer eine Kopie eines kurzen lapidaren Schreiben der
Staatsanwaltschaft Tübingen an das Landgericht Tübingen vom 12.09.2001
in dem es - unterschrieben von Staatsanwalt Dr. Klose - heißt:

"Die Berufung der Staatsanwaltschaft Tübingen gegen das Urteil des
Amtsgerichts Tübingen - 12 Cs 15 Js 6706/99 - wird hiermit
zurückgenommen."

Das heißt: Der Freispruch des Amtsgerichts Tübingen vom 28.06.2000 wegen
des Aufrufs zur Fahnenflucht im Zusammenhang mit dem NATO-Angriff auf
Jugoslawien ist hiermit rechtskräftig!

Der rechtskräftig freigesprochene Tobias Pflüger sagte zu dem Urteil:

Damit ist für Recht empfunden worden, daß ich Soldaten aller
Kriegsparteien während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien dazu
aufgerufen habe, zu verweigern oder zu desertieren. Begründung war ein
"unvermeidbarer Verbotsirrtum". (Fussnote 1) (Näheres zum Prozeß
[Urteil, Schriftverkehr, Presseberichte, Solidaritätsaktionen etc.]
unter  http://www.tobias-pflueger.de)

Ich kann mich aufgrund der neuen weltpolitischen Situation (Fussnote 2)
allerdings nicht recht freuen über den rechtskräftigen Freispruch. Die
US-Regierung, die NATO und die deutsche Bundesregierung bereiten derzeit
Rachekriege wegen der brutalen und entsetzlichen Mega-Anschläge von New
York und Washington vor.

Der "erste Krieg des 21. Jahrhundert" (Bush), "der Kampf Gut gegen Böse"
(Bush) sei ein "langer Kreuzzug" (Bush), ein "weltweiter Feldzug"
(Bush). Jede militärische Aktion sei möglich.

Die Vereinten Nationen (UN) haben nicht etwa beschlossen, daß die
Verantwortlichen für die Anschläge mit militärischer Lynchjustiz
"ausgeräuchert" (Bush) und "vernichtet" (Bush) werden sollten, nein die
UN sprachen davon, daß sie "vor Gericht zu bringen" sind.
Richtig.Terrorismus ist kein Krieg!

Die Bundesregierung will an militärischen Vergeltungsaktionen
teilnehmen. Eine Beteiligung der Bundeswehr und dort der
Elitekampftruppe "Kommando Spezialkräfte" (KSK) - mit der ich mich seit
Jahren intensiv beschäftige - ist vorgesehen.

Deshalb:
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Aufruf

Ich fordere die US-Regierung, die NATO und die Bundesregierung auf, auf
Racheaktionen, insbesondere Krieg, zu verzichten. Ist Rache ein Akt
einer "zivilisierten Welt"? Ich meine nein! Statt Rache ist eine
Bekämpfung von Ursachen von Terrorismus überfällig.

Ich rufe hiermit alle Soldaten, die bei Rachekriegen wegen der brutalen
Anschläge in den USA, - gegen wen auch immer eingesetzt werden sollen -
dazu auf:

- verweigert die Befehle, die verfassungswidrig und völkerrechtswidrig
zur Teilnahme an Rachekriegen auffordern. (Es handelt sich hier nicht um
einen Artikel 5 Fall der NATO!, Terrorismus ist kein Krieg) Es besteht
nach dem Soldatengesetz die Pflicht, völkerrechtswidrige Befehle zu
verweigern.

- verweigert den Kriegsdienst nach Artikel 4. Abs. 3 Grundgesetz
- oder verweigert den Kriegsdienst total, da der "Zivildienst" als
Kriegsdienst ohne Waffe auch in militärische Planungen eingebunden ist
- oder desertiert, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt, sich dem
Krieg zu entziehen!

- Ich rufe die Soldaten der anderen NATO-Staaten (USA, Großbritannien,
Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, Irland,
Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Ungarn, Polen, Tschechien,
Griechenland und Türkei) dazu auf, verweigert den Kriegsdienst und/oder
desertiert (s.o.)!

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Die Begründung für den Freispruch im jetzt rechtskräftigen Urteil vom
28.06.2000 trifft auch heute wieder zu. 1

Wer sich diesem Aufruf anschließen will schicke bitte eine e-mail an
mailto: aufruf@tobias-pflueger.de. Der Aufruf kann weiter verbreitet
werden. (Fussnote 3)
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Fussnote 1: "1. Der Angeklagte war bei der Begehung der angeklagten
Taten der festen Überzeugung, daß er mit seinem Verhalten nicht den
Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gem. § 111 StGB
erfüllt, da dieser Krieg nach seiner Meinung gegen geltendes Völkerrecht
verstoße und folglich eine Befehlsverweigerung der im
Jugoslawienkonflikt beteiligten Bundeswehrsoldaten u.a. durch § 22 Abs.
1 WStG gerechtfertigt sei und auch eine Desertion deshalb nicht den
Tatbestand des § 16 Abs. 1 WStg erfülle. [...] 2. Dieser Irrtum war für
die Angeklagten auch unvermeidbar. Der Angeklagte hat seine
Erkundigungspflichten im Sinne des § 17 StGB genügt, indem er sich
eingehend mit der Frage der völkerrechtlichen Beurteilung des
Jugoslawienkrieges beschäftigt hat. [...]"

Fussnote 2: Eine erste Stellungnahme und Analyse zu den brutalen
Mega-Anschlägen von New York und Washington für die Informationsstelle
Militarisierung (IMI) e.V. vom 12.09., aktualisiert am 18.09. findet
sich auf der Homepage von IMI:  http://www.imi-online.de/2001.php3

Fussnote 3: Am Ende noch eine persönliche Anmerkung: Im ersten Moment
nachdem ich den Brief der Staatsanwaltschaft gelesen hatte, "am 12.
September" "zurückgenommen", dachte ich: "O.k. dann eben wie vor Gericht
angekündigt: "Im nächsten Krieg werde ich es wieder tun". Dann jedoch
Gedanken, "der ganze Streß noch mal?", "lieber würde ich weiter Analysen
für die Informationsstelle Militarisierung und andere schreiben" und
"eigentlich habe ich auch für mich persönlich anderes zu tun". Doch,
nach einigem Abwägen: "Es geht wohl nicht anders: Es muß wohl sein, bei
der Vorlage..." Nur meine Bitte an alle: Bitte unterzeichnet den Aufruf,
damit es so viele sind, daß die Justiz nicht einzelne herausgreift.

Zentrales Ziel muß es sein, den drohenden Krieg zu verhindern, auch
dieser lange Krieg der USA, der NATO und der Bundeswehr wird wieder
schwerpunktmäßig Unschuldige und Zivilisten treffen.

Bei Unterstützung des Aufrufes bitte eine e-mail an
mailto: aufruf@tobias-pflueger.de. Begründungen kann jede/r schreiben wie
sie/er will.

V.i.S.d.P.: Tobias Pflüger, Burgholzweg 116/2, 72070 Tübingen


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20.09.2001
Informationsstelle Militarisierung IMI [homepage]   [Email] [Aktuelles zum Thema: Antimilitarismus]  Zurück zur Übersicht

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