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Berlin: "Koerperwelten-Count-Down"

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Koerperwelten = speaktakulaerer Biologismus

29.08.2001 22:10

Die meisten der Kommentare gehen am Kern des Problems vorbei
und auch der Text beschreibt - wie einer der Kommentatoren richtig anmerkte
- allgemeine Faktoren von Entfremdung, die auf der Ebene des buergerlichen
Verkehrsverhaeltnisses ueberall zu finden sind und dem autoritaeren Charakter
innerhalb der Tyrannei des Demokratura entsprechen.

Es ist schon viel zu "Koerperwelten" publiziert und debattiert worden,
aber tatsaechlich: die kritischen Stimmen waren/sind in der Minderheit
und Aktionen gegen dieses Spaktakel waren rar. Der Kern des Problems ist -
geht man nach dem Werbemotto: "die Faszination des Echten": ist ein toter,
plastinierter Koerper wirklich "echt"?

Wohl kaum, denn die lebendige organische Materie hat Eigenwilligkeit,
Subjektivitaet samt Individualitaet und besteht aus der Trinitaet von Physis,
Psyche und Mentalem. Es wird in dem Koerperwelten-Spektakel bloss
dem Toten, der Biologie gehuldigt und folgerichtig ist LEBEN dann "unecht"...
(und wir wissen ja, dass Leben ein biophysikalisch-chemischer
Stoffwechselprozess ist, in und durch den dynamische Veraenderungen
herbeigefuehrt werden [R-Evolution!])

Die Ausstellung wurde als Tabubruch und Wissenschafts-"F-Luxus" mit
den alten Ritualen des (abendlaendischen) Todeskultes angepriesen
und sollte die Oeffentlichkeit mit der Fragestellung nach Leben und
Tod konfrontieren. Aber noch immer ist es so, dass ein nackter
Flitzer in der Oeffentlichkeit mehr Tabus fuer das wirklich ECHTE bricht,
als die Plaste und Elaste aus Heidelberg. Nicht Wissenschaft, sondern
Spektakel sind der Inhalt von "Koerperwelten". An diesem haetten
Kultus haetten die italienischen Futuristen ihre "echte" Freude
gehabt.

Doch nun zur Religionskritik: ich/wir haben diese Aktion aufgrund des
religioesen Duktus mit einigen Bauchschmerzen supported. Aber es ist
gut und nachahmens"wert", dass mal jemand den Mut hatte, sich dieser
masse Showgieriger entgenzustellen und ihnen eine wortgewaltige Schmaeh
und Polemik entgegenzuschleudern.

Kritik muesste zuvorderst an die Berliner Linken gerichtet werden (und
vielleicht fuehlt sich ja gerade der eine oder die andere er-sie-tappt?),
die zwar alle mehr oder weniger "ihre" J. Ditfurth gelesen haben, aber
nicht in der Lage waren, daraus eine praktische Konsequenz in Bezug
auf die Ausstellung zu ziehen.

Und der Terminus "Gott" wird fuer vieles benutzt, auch
dem >xyz-ungeloest< (d.h. dem, was wir nicht wissen).
Was genau sein wird, wenn wir sterben (ob es eine Form der
Energietransformation geben wird) und wie sich Endlichkeit
und Unendlichkeit zueinander verhalten, werden wir erst dann gewahr
werden, wenn wir selbst in ihr eingehen. In Koerperwelten jedenfalls zeigt
sich in dieser Frage eher eine schlechte Aufhebung hin zu einer
scheinbaren und unechten "Unsterblichkeit" und die Reduktion
des Menschen auf "Ersatzteillager fuer Organe", "Menschenmaterial"
ab.

Da also die neue und "fite" 4Koerperlichkeit4 nur Verschlechterungen,
noch mehr Heuchelei und Geldverdienerei mit dem Tod sowie perverse
Sensationsgier und Exhibitionismus mit sich bringt, ist es kein Wunder,
wenn Menschen sich nach "den alten Zeiten" sehnen und in der
Asche vergangener Zeit das kleinere Uebel sehen.
Das ist menschlich-allzu-menschlich und laeuft auf gesellschaftlicher
Ebene auf und in vielen Sektoren ab. Im Zeitalter von BIG-Brother in
seiner Trivialitaet kennt scheinbar das Faszinosums des Unechten keine
Grenzen mehr.

Was bleibt uns nun innerhalb des "Koerperwelten"-Countdown?
Remember Adorno: Es gibt nichts "Echtes" im "Unechten". Und um
dem noch etwas "Senf" hinzuzufuegen: ein wirklicher Tod kann nur
nach einem wirklichen (er-sie-fuellten) Leben stattfinden.
Ohne Ueberwindung der Fetische (auch der Religionen) und Entfremdung
- ohne Aufhebung der Zurichtung zum "Menschenmaterial" kann das echte
Leben sich wohl kaum entfalten. Es wird Zeit, dass sich wieder eine radikale
Kritik auch auf der Kulturebene entwickelt, die der Seichtigkeit des
frueheren "Buero fuer Ungewoehnliche Massnahmen" eine klare Absage
er-sie-teilen muss und sich an der radikalen Kritik der Situationistischen
Internationale" orientieren sollte.

"up-art" sucht noch mit-macher-innen fuer civilcouragierten, ungewoehnlichen
widerstand und ggf. ein "finale" bei "Koerperwelten".

bitte schnellstens melden bei:
"up-art"< menschl.emanzipation@gmx.de>

 

31.08.2001
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