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Schwanenwede: Erneuter Bundeswehrarrest gegen Kriegsdienstverweigerer

*Erneuter Bundeswehrarrest gegen Kriegsdienstverweigerer in Schwanewede

Zum zweiten mal in Folge wurde am Dienstag, den 12. Juli in der
Schwanewedener Lützow-Kaserne Disziplinararrest gegen den Bremer
Kriegsdienstverweigerer Kai S. verhängt. Die genauen Details über
Dauer und Art des zweiten Arrests drangen erst jetzt an die
Öffentlichkeit, da in der Lützow-Kaserne eine Informationssperre zum
Fall Kai S. angeordnet wurde.

Kai S. war am 02. Juli seiner Einberufung zur 4.
Panzergrenadierdivision 232 in Schwanewede gefolgt, hatte dort jedoch
alle Befehle verweigert. Daraufhin waren zunächst 7 Tage
Disziplinararrest erlassen worden, denen mit der Verhängung des 2.
Arrests nun zusätzliche 14 Tage folgen, da Kai S. sich weiterhin
weigert, Befehle auszuführen. Mit dem zweiten Arrest haben sich auch
die ohnehin harten Arrestbedingungen weiter verschlechtert.

Als konsequenter Kriegsdienstgegner lehnt Kai S. nicht nur den
sogenannten Wehrdienst, sondern auch den Zivildienst ab, da
Zivildienstleistende im Ernstfall zu kriegsrelevanten Arbeiten von der
Unterstützung der Mobilisierung bis hin zur Bedienung indirekter
Waffensysteme herangezogen werden können. Seine Verweigerung richtet
sich auch gegen den undemokratischen Charakter von Zwangsdiensten.
Rund 100 Männer pro Jahr verweigern sich derzeit wie Kai S. beiden
Diensten und werden deshalb auch Totalverweigerer genannt. Gegen sie
geht die Bundeswehr regelmäßig mit der Verhängung von
Disziplinararresten vor, noch ehe eine Verhandlung vor einem
ordentlichen Gericht stattgefunden hat.

Gemäß der Wehrdisziplinarordnung ist Disziplinararrest nur als
erzieherische Maßnahme gegen Soldaten anzuwenden. Besteht keine
Aussicht auf eine erzieherische Wirkung, so ist die Verhängung eines
Arrests unzulässig, da Disziplinarmaßnahmen die Strafverfolgung durch
ein ziviles Gericht nicht vorwegnehmen dürfen. Ein Mitglied der Gruppe Non Serviam!, in
der sich Freunde von Kai S. zusammengefunden haben, um ihn zu
unterstützen, zeigte sich angesichts dieser Sachlage heute empört über
den zweiten Arrest: "Kai hat seine Entscheidung zur Verweigerung des
Kriegsdienstes doch nicht erst am Tag seiner Einberufung getroffen. Er
ist seit Jahren aktiv gegen Kriegs- und Zwangsdienste. Für ihn stand
schon vor langem fest, daß er im Falle seiner Einberufung jeden Befehl
verweigern würde. Seine Verweigerung ist keine fixe Idee, die er nach
einiger Zeit vielleicht wieder verwerfen würde, sondern eine feste
Gewissensentscheidung. Mit dem Disziplinararrest verstößt die
Bundeswehr nicht nur gegen ihre eigenen Bestimmungen sondern auch
gegen den Verfassungsgrundsatz der Gewissensfreiheit! Sie wollen Kai
durch Isolationshaft dazu bringen, gegen sein Gewissen zu handeln."

Die Bedingungen im Bundeswehrarrest sind deutlich schlechter als im
regulären deutschen Strafvollzug. Die Zelle ist nur zwei mal drei Meter
groß, in ihre befinden sich lediglich ein Tisch und ein Stuhl. Die
Pritsche wird jeden Morgen um sechs hochgeklappt und erst um 21 Uhr
wieder heruntergelassen. Das einzige Fenster befindet sich in zwei
Metern Höhe und besteht zum größten Teil aus Milchglas. Als
Lichtquelle dient eine Leuchtstoffröhre, die nur von außen ein- und
ausgeschaltet werden kann. Wer im Arrest sitzt, hat in der Regel eine Stunde
Ausgang pro Tag und Anspruch auf eine Stunde Besuch pro Woche. Somit
bedeutet Bundeswehrarrest Einzelhaft unter verschärften Bedingungen.
Amnesty International kritisierte diese Praxis in den letzten Jahren
regelmäßig und spricht in ihren Berichten von der Verfolgung der
Totalverweigerer durch den deutschen Staat.

Im Fall von Kai S. haben sich die Arrestbedingungen mit der Verhängung
der zweiten Arrestzeit nun weiter verschlechtert. Kai wurde in eine
noch kleinere Zelle verlegt und den Wachen ein Gesprächsverbot
erteilt, welches allerdings zwischenzeitlich anscheinend wieder
aufgehoben wurde. Zwar werden in der Bundeswehrvollzugsordnung besondere
Maßnahmen gegen Arrestierte genannt, die zur Aufrechterhaltung von
"Sicherheit und Ordnung im Vollzug" vorübergehend verhängt werden
dürfen, Gesprächsverbote zählen jedoch nicht dazu.

Die Gruppe Non Serviam! wirft dem seit Anfang der Woche zuständigen
Befehlshaber, Hauptmann Haubrock außerdem vor, Kai S. mit
unmenschlichen Methoden einschüchtern zu wollen und unzulässigen
psychologischen Druck auf ihn auszuüben. Ein Mitglied sagte hierzu:
"Haubrock schreckt nicht einmal vor haarsträubend falschen
Behauptungen zurück, um Kai zu verunsichern. Er hat zum Beispiel
versucht, ihm einzureden, daß es ihm nach seiner Entlassung aus der
Bundeswehr verboten würde, ins Berufsleben zurückzukehren, bis seine
eigentliche Dienstzeit vorbei ist. Jeder Anwalt kann einem bestätigen,
daß das blanker Unsinn ist - und Haubrock ist selbst Jurist! Zusammen
mit der Isolationshaft und der Verschärfung der Haftbedingungen zeigt
das vor allem eins: Die Behandlung von Totalverweigerern bei der
Bundeswehr hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun. Sie versuchen
mit allen Mitteln, Totalverweigerer klein zu kriegen. Das ist
schändlich!"

Die Gruppe Non Serviam! ruft dazu auf, Kai S. Unterstützungspost
zukommen zu lassen und beim zuständigen Truppendienstgericht Nord
sowie in der Schwanewedener Lützow-Kaserne gegen den Disziplinararrest
zu protestieren und die sofortige Freilassung von Kai S. zu fordern.

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Adressen:

Post an Kai S. sowie Fragen zu seiner Situation und zur totalen
Kriegsdienstverweigerung können an die Gruppe Non Serviam! adressiert
werden:

NON SERVIAM!, c/o Infoladen, St.Pauli-Str. 10-12, D-28203 Bremen,
E-Mail:  non.serviam@gmx.net

Verantwortlich für die den zweiten Arrestantrag:

Hauptmann Haubrock, 4./ Panzergrenadierbataillon 323, An der
Kaserne 41, 28 790 Schwanewede, Tel.: 04209-922300 und 04209-922340

Zuständig für die Genehmigung des Arrestantrags:

Truppendienstgericht Nord, 3. Kammer, z.H. Richter Domininghaus,
Hans-Böttler-Allee 16, 30 173 Hannover

Spendenkonto für Kai S.:

Rote Hilfe Göttingen, Konto 350 670 309, Postbank Hannover,
BLZ 250 100 30, Stichwort: Non serviam/TKDV

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NON SERVIAM!
c/o Infoladen
St.Pauli-Str. 10-12
D-28203 Bremen
E-Mail:  non.serviam@gmx.net

 

13.07.2001
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