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Ich bin SCHOLZ - ein SCHILL zu sein

Ich bin scholz ein Schill zu sein


Einen ersten politischen Sieg hat der rechte Richter Ronald Schill im Hamburger Bürgerschaftswahl-kampf schon erreicht. In Zusammenarbeit mit der CDU, den Medien, und rechten Kreisen in SPD und Polizei ist es der Schill-Partei gelungen das Thema Innere Sicherheit zum bestimmenden Wahlkampf-thema zu machen, in dessen Verlauf nun auch In-nensenator Wrocklage zurücktreten musste. Sein Nachfolger Olaf Scholz ist angetreten um zu zeigen, dass die SPD das bessere Law-and-Order-Programm besitzt, nachdem die Sozialdemokraten ursprünglich versucht hatten, das Thema aus dem diesjährigen Wahlkampf heraus zu halten.

Die CDU im Chor mit ihrem angestrebten Koaliti-onspartner PRO und ein Großteil der Medien sugge-rieren, dass in Hamburg Chicagoer Verhältnisse herrschen würden. Dabei bedient der Senat mit seinen Bedrohungsszenarien seit Jahren die wahn-haften Unsicherheitsgefühle der Bürger
.
Ein Rückblick:
Repressive Senatspolitik der letzten Jahre
Innensenator Wrocklage war ursprünglich im Rah-men des sogenannten Polizeiskandals angetreten mit dem Versprechen, die rassistischen Praktiken der Hamburger Polizei, ihre Übergriffe auf Migran-tInnen – auf vermeintliche Dealer –, ihre Prügelor-gien bei Demonstrationen und den ausgesproche-nen Corpsgeist der Beamten zu unterbinden. Dieses ist ihm augenscheinlich nicht gelungen, sollte es überhaupt je das Ziel seiner Innenbehörde gewesen sein.

Ein weiterer Meilenstein rot-(grüner) Innenpolitik war das sogenannte „Bettlerpapier“ und seine Folgepa-piere, welche insbesondere von Ex-Bürgermeister Voscherau gepuscht wurden. Nach intensiven For-derungen des Hamburger Einzelhandels nach „mehr Durchgriff der Polizei, um das Stadtbild von Bettlern zu bereinigen“ (Ulf Kalkmann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes), legte die Innenbehörde das erste Papier unter dem zynischen Titel „Maß-nahmen gegen die Unwirtlichkeit der Stadt“ vor. Es forderte offen die Vertreibung aller Personen aus der City, die sich dort nicht zum Konsum aufhalten, z. B. Wohnungslose, Alkohol- und Drogenkranke. Das Papier beinhaltete die Deportation der als un-erwünscht definierten Personen an den Stadtrand, wo sich prompt Bürgerwehren formieren. Nach Pro-testen von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, Verei-nen, Initiativen, Teilen der Sozialdemokratie und damals auch noch der Grünen, legten Vosche-rau/Wrocklage eine zweite, vordergründig entschärf-te Version vor. Statt neue gesetzliche Grundlagen für die Vertreibungspolitik zu schaffen, sollte nun diese mit bestehenden Gesetzen umgesetzt wer-den. Neu hinzu kamen in der zweiten Version Maß-nahmen gegen Betteln im Öffentlichen Personen-nahverkehr und Überlegungen zur Zwangsarbeit von Wohnungslosen. In der Debatte um die SPD-Vertreibungspolitik machte Voscherau schon 1996 deutlich, dass seine Partei nicht etwa (sozial-)-rassistischen Parteien oder Strömungen entschie-den entgegentreten will, sondern durch Übernahme der Inhalte diesen das Wasser abgraben möchte: „Wer die SPD zu einer rotgrünen Partei macht, kriegt in Deutschland innerhalb der nächsten 15 Jahre eine Bewegung á la Haider.“

Folglich ließ die SPD die GAL auch nur ins Regierungsboot, als diese bereit war, neben Abstrichen u. a. in Fragen der Ökologie, der Sozial- und Gesundheitspolitik diese Law-and-Order-Politik mitzutragen. So entstand das vierte (ergänzende) „Bettlerpapier“ auch unter der Federführung der „Stadtentwicklungsbehörde“ (STEB) und ihres Chefs Wilfried Maier (GAL). Von der GAL-Kritik an früheren „Bettlerpapieren“ blieb nichts mehr übrig. Stattdessen gab es Forderungen wie Platzverweise, Aufenthaltsverbote, Festnahmen, Ingewahrsamnah-men und ein „massierter Einsatz von Polizei-beamten vor Ort mit täglich bis zu 110 zusätzlichen Polizeibeamten allein im Stadtteil St. Georg.“ Der rot-grüne Polizeiapparat, der seit 1998 auch den verstärkten Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Öffentlichen Personennahverkehr vorsieht, sollte durch pressewirksame Razzien u. a. am Hauptbahnhof auch erst einmal ein Bedrohungsszenario suggerieren, fühlten sich doch noch Mitte der 90er Jahre knapp 80 Prozent der HamburgerInnen nicht oder nur wenig durch aktives Betteln belästigt.

Rotgrüne Asyl- und Ausländerpolitik
Nach der letzten Bürgerschaftswahl 1997 wurde im Koalitionsvertrag von SPD und GAL vereinbart, dass die rigide Flüchtlings- und Abschiebepolitik der Hamburger Regierung beibehalten wird. Die Ausländerbehörde wurde nicht – wie von der GAL versprochen – dezentralisiert, sondern Abschie-bungen durch „Straffung von Verwaltungsabläufen“ effektiviert. Flüchtlinge werden nach wie vor in völlig überfüllten, menschenunwürdigen Massenun-terkünften untergebracht, von der vorherigen Regierung noch als dreimonatige Notunterkunft vorgesehen, mit der GAL nun als Wohnlager für vier Jahre festgeschrieben.

Medizinisch äußerst umstrittene Altersfeststellungen und Bescheinigungen von Reisefähigkeit trotz schwerer Krankheiten sind ebenso rot-grüne Praxis, wie „Botschaftsanhörungen“, das bedeutet die zwangsweise Ausstellung von Reisepapieren durch willfährige Botschaften trotz ungeklärter Herkunft der Menschen. Im Frühjahr 1999 legte die Auslän-derbehörde ein Geheimpapier vor, nach dem „schneller, effektiver und häufiger“ abgeschoben werden soll. Nach Protesten der GAL kam es in den folgenden Monaten zu einer „Politischen Verständi-gung“, die jedoch die Verschärfungen des Geheimpapiers eher bekräftigten, sodass In-nensenator Wrocklage feststellen konnte: „Die bisherige Praxis der Ausländerbehörde wird bes-tätigt.“

Generell ist es nicht das Ziel von SPD/GAL, Ab-schiebungen möglichst zu verhindern und das eh schon restriktive Asylgesetz zugunsten von Flücht-lingen auszulegen, sondern die Abschiebepraxis voran zu treiben.

Ich bin scholz ein Schill zu sein
Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Politik des rot-(grünen) Senats zu den Themen Innere Sicher-heit, Asyl- und Migrationspolitik wird deutlich, dass man Wrocklage keine Träne nachzuweinen braucht, andererseits von seinem Nachfolger Olaf Scholz jedoch eine noch reaktionärere Politik erwarten kann. Ursprünglich im linken Spektrum der SPD angesiedelt und früher in der Jugendsozialarbeit tätig, ist Scholz nun extra für den Hamburger Wahl-kampf als Mann fürs Grobe aus Berlin geholt wor-den.

„Ich habe keine Beißhemmungen, was Kriminelle in dieser Stadt angeht“, kündigt Scholz seine Überwa-chungs- und Bestrafungsfantasien an. Er empfiehlt z. B. die lebensgefährliche zwangsweise Verabrei-chung von Brechmitteln gegen sogenannte jugendli-che „Intensivdealer“, womit er auch gleich indirekt an rassistische Vorurteile in der Bevölkerung anknüpft. „Jugendliche Intensivdealer“ sind nach gängiger Ansicht Schwarze oder Kurden, jedenfalls richtet sich die Zwangsvergabe von Brechmitteln nicht ge-gen weiße Dealer in Edel-Discos der Hamburger Partyszene.

Und an die Bettlerpapierinitiatoren Voscherau und Wrocklage anknüpfend meint der neue Innensena-tor: „Was wir am Hauptbahnhof sehen, ist frustrie-rend. Da muss man neue Wege beschreiten und das Problem mit repressiven Mitteln reduzieren.“ Dabei dürfe es „überhaupt keine Tabus geben.“

U. a. die Zusage von 61 schon gestrichenen Stellen
bei der Polizei, eine zusätzliche Klasse in der Poli-

zeischule und eine Verschärfung des „Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (SOG) sind erste Sofortmaßnahmen im Scholzschen Law-and-Order-Katalog.

Wie nicht anders zu erwarten sagt die GAL zu allem „Ja und Amen“, um an der Macht zu bleiben. Frakti-onschefin Möller erklärte, dass sie „keinen Richtungswechsel in der Innenpolitik des Senats“ erkenne.

Sicherlich ist eine einfache Gleichsetzung von „Richter Gnadenlos“ Schill und dem neuen Innense-nator sowie der Politik ihrer Parteien nicht möglich. Allerdings bedienen sich beide der gleichen Analy-sen, aus denen allerdings unterschiedlich reaktionä-re Parolen folgen. Soziale Erscheinungen wie Ar-mutsmigration, Verelendung von Teilen der Bevölkerung, Arbeitslosigkeit oder (Jugend-)kriminalität sollen nicht durch eine sozialere Politik in ihren Ursachen bekämpft werden, sondern deren Subjekte mit polizei- und ordnungspolitischen Mitteln abgeschoben, eingesperrt oder zumindest aus der Konsumwelt vertrieben werden. Denn die soziale Polarisierung der Gesellschaft wird auch in der reichsten Stadt Europas immer deutlicher, und solange eine gesellschaftliche Kontroverse um Ursache und Wirkung des Kapitalismus nicht stattfindet, bedient sich die SPD und ihr Koali-tionspartner weiter nur der Mittel von rassistischer und sicherheitspolitischer Demagogie.

Ich bin scholz ein Schily zu sein
Durch die Ablösung von Wrocklage und die ersten Maßnahmen des neuen Innensenators Scholz setzt der Hamburger SPD-GAL-Senat zum einen zentrale Forderungen von Schill um und zum anderen ist es doch nur die Fortsetzung der rassistischen und repressiven Konzepte des SPD-Bundesinnenministers Schily.


Gegen Rassisten und Law-and-Order-Politik, unabhängig von ihrem Parteibuch
Gleiche Rechte für alle Menschen, denn Kein Mensch ist illegal
Sofortige Legalisierung aller Drogen


„Vier Jahre rot-grüne Asylpolitik – eine Bilanz“
Veranstaltung des Antifa-Cafés in der B5
mit dem Hamburger Arbeitskreis Asyl e. V.,
am Freitag, den 13.07.01 in der Brigittenstraße 5 (B5), St. Pauli


Veranstaltung am 13.7.01 in der Brigittenstraße:


Vier Jahre rot-grüne Asylpolitik – eine Bilanz

Als vor vier Jahren die GAL zum ersten Mal in die Regierung der Hansestadt gewählt wur-de, war sie begleitet von der großen Hoffnung vieler Menschen auf eine positive Änderung der Asylgesetzgebung und einen menschlicheren Umgang der Behörden mit Flüchtlingen.

Die Hoffnungen waren jedoch nur von kurzer Dauer, denn schon bald stellte sich heraus, dass die SPD sich kein Stück bewegt und der GAL offensichtlich das Thema keinen Koali-tionsstreit wert ist. Das Ergebnis ist eine Fortführung der Politik von Vertreibung und Ab-schreckung, die in Hamburg traurige Tradition ist.

Der Hamburger Arbeitskreis Asyl e.V. zieht eine ernüchternde Bilanz rot-grüner Asylpolitik. Was hat sich seit Regierungsantritt getan, was hat sich nicht getan? Was wurde im Koali-tionsvertrag vereinbart und was wurde davon tatsächlich umgesetzt?

 

07.07.2001
Antifa-Cafés in der B5   [Aktuelles zum Thema: ÖffentlicherRaum]  Zurück zur Übersicht

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