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Salzburg/ Austria: ANTI-WEF Protest und Repression

Anti-WEF-Protest und Repression in Salzburg

Schon im Vorfeld taten die Massenmedien alles, um die Proteste gegen das
WEF
zu kriminalisieren und WEF-GegnerInnen automatisch mit "gewaltbereiten
Chaoten" gleichzusetzen. Im nachhinein bemühten sie sich, die Gewaltexzesse
und Eskalationen der Polizei zu legitimieren (im Fall der "Kronenzeitung"
durch die Verbreitung von völlig erfundenen Meldungen, im ORF sogar durch
Manipulation von Bildern). Hier ein Bericht abseits der medialen
Desinformationen von Mayday-AktivistInnen, die nach Salzburg gefahren waren:

Übergriffe auf Indymedia-JournalistInnen und Machtdemonstrationen

Unter Mißachtung des Demonstrationsrechtes hatte die Polizei nur eine
Kundgebung vor dem Bahnhof genehmigt und jede Demonstration verboten.
Zahlreichen WEF-GegenerInnen wurde an der Grenze die Einreise verweigert,

Salzburg glich in den Tagen vor dem 1. Juli einer belagerten Stadt: An allen
Ecken waren Sondereinheiten positioniert, die willkürlich Leute überprüften,

durchsuchten und Personalien notierten oder WEF-GegnerInnen einfach nur
beschimpften. Das Volksheim der KPÖ, das als Infopoint und Unterkunft
diente, wurde rund um die Uhr bewacht, alle Ein-und Ausgehenden wurden von
einer Polizeikamera gefilmt.

Es fanden gezielt Angriffe der Polizei auf MitarbeiterInnen des unabhängigen
Mediennetzwerkes Indymedia statt: Allein am 29. und 30. Juni attackierte
die
Polizei in drei Fällen Indymedia-Leute ohne jeden Anlass:
Die Grazer Taurus-Einheit, beispielsweise, verhaftete einen deutschen
Journalisten, der sogar einen offiziellen Presseausweis vorweisen konnte,

hielt ihn zwei Stunden lang fest, bedrohte ihn und nahm ihm seine Unterlagen
ab.
Ein weiterer Vorfall: Die Polizei paßte drei MitarbeiterInnen von Indymedia
beim verlassen des Medienzentrums ab, darunter einen jungen Grazer,
beschimpfte und durchsuchte sie, verhörte sie über eine Stunde lang über
ihre Presseausweise, attackierte insbesondere den Grazer körperlich und
löschte schließlich alle ihre Bänder und Aufnahmen, die sie bei sich hatten.

Während dieser beiden Tage fanden in Salzburg mehrere Aktionen wie
Straßenthater, Fest und zwei sponate Demonstrationen (trotz Verbot), unter
massivem Polizeiaufgebot, statt. Diese Demonstrationen verliefen aber,
ohne
Zwischenfälle, was auch auf das extrem deeskalierende Verhalten der
DemonstrantInnen zurückzuführen war. Die TeilnehmerInnen überreichten z.B
den Polizisten Blumen und riefen immer wieder, dass sie nur "friedlich
demonstrieren" wollten.

In der Nacht auf den 1. Juli umstellten mitten in der Nacht ca. 60 voll
ausgerüstete WEGA-Beamte das Volksheim, mit der scheinbaren Absicht, es
zu
durchsuchen. Antwort eines Beamten auf die Frage eines Mädchens nach dem
Grund für den Aufmarsch: "Hast net ghört, was der Einsatzleiter gsagt hat?
Du sollst die Goschn halten." Wie es sich herausstellte, hatte ein
Journalist den "Tipp" gegeben, dass vor dem Volksheim Lastwägen mit Steinen
beladen worden seien (bei einer Kameraüberwachung rund um die Uhr!). Nach
einer nächtlichen Machtdemonstration, die von den Leuten am Infopoint mit
Liedern und Sprechchören beantwortet wurde (an den anwesenden ORF gerichtet:
"ORF, probiers mal mit der Wahrheit!") zog die WEGA schließlich wieder ab.
Dafür berichtete die "Krone" am nächsten Tag, am Infopoint sei ein "geheimes
Schlauchlager ausgehoben" worden: gemeint waren Gummireifen, die am Vortag
vor dem Volksheim aufgeblasen wurden und aus denen am Sonntag ein das WEF
symbolisierendes Monster zusammengebaut wurde, das ganz offen durch die
Straßen geführt wurde.

Kundgebung am Bahnhof und Demo trotz Verbot

Am 1. Juli versammelten sich gegen 14 Uhr ca. 2000 Leute vor dem Bahnhof
zur
genehmigten Kundgebung. Zahlreiche Personen wurden durch Polizeikontrollen
und Verzögerungstaktiken der Exekutive daran gehindert, rechtzeitig oder
überhaupt zum Treffpunkt zu kommen, darunter auch einige GrazerInnen, die
mit dem Bus der KPÖ anreisten. Unverständlicherweise reagierte die KPÖ,
die
die Kundgebung leitete, trotz Hinweisen nicht auf diese Situation, sondern
begann einfach mit dem Programm. Schon nach kurzer Zeit zeigte sich
allerdings, dass viele KundgebungsteilnehmerInnen keine Lust hatten, sich
gegenseitig, am Bahnhof abgeschirmt, ihre Kritik am WEF zu erzählen und
das
unhaltbare Demoverbot zu akzeptieren.

Binnen kurzem wurden von den TeilnehmerInnen die Absperrgitter abmontiert
und in der Folge als Sitzbänke verwendet. Nach einigen Redebeiträgen setzten
sich mehrere Gruppen, mit den Rufen "Demo jetzt! Come on, let's go!",
Richtung Innenstadt in Bewegung. Vergeblich versuchte der Ordnerdienst der
KPÖ dem entgegenzuwirken und die Kundgebung, die partout nicht mehr auf
sie
hören wollte, zurückzuscheuchen. Ca. 1500 Leute - TeilnehmerInnen aller
Altersstufen, von autonomen Gruppen bis zu Prominenten, wie Peter Kreisky
-
schlossen sich der Demo an. Die Taktik der DemonstrantInnen bestand zunächst
darin, die Polizei zu täuschen, schneller zu sein als die Absperrungen
formiert werden konnten und dort entlang zu ziehen, wo kaum abgesperrt
wurde. Auf diese Weise wurden mehrere Sperren ohne wirkliche Konfrontation
einfach überrannt und die Demo kam rasch in die Nähe des Kongreßzentrums.
Nach einiger Zeit waren die entscheidenden Straßen jedoch abgesperrt, und
die Polizei verhinderte mit Gittern, Schildern und Schlagstöcken
Durchbrüche. Es gab die ersten Verletzten. Einige DemonstrantInnen
versuchten, mit ihren Fahnenstangen gegen die Gitter und Schilder
vorzugehen, Wurfgeschosse flogen (Dosen und Holzstecken, aber keine 30
Pflastersteine!). Nach einem brutalen Schlagstockeinsatz gab es den mehrfach
zitierten Steinwurf, der allerdings entgegen den österreichischen
Medienberichten und der Darstellung von ATTAC keinen Schaden anrichtete.

Bezeichnend für den Charakter der Demo: Als sich etwa 15 Beamte den Weg
in
die Mitte der Demo freiprügelten und sich damit selbst einkesselten, wurde
ihnen trotz ihrer Ohnmacht in diesem Moment und obwohl sie gerade Leute
verletzt hatten, kein Haar gekrümmt. Eine Straße weiter war's dann endgültig
aus: Hunderte Polizisten, darunter die WEGA aus Wien, bildeten kurz vor
18
Uhr einen Kessel (ca.120m vom Kongresszentrum entfernt -
Wolf-Dietrichstrasse) und sperrten darin den Großteil der DemonstrantInnen
ein.

Der Kessel

Über 900 Leute waren damit auf engstem Raum zusammengepfercht, 6 Stunden
lang von jeder Versorgung angeschnitten und dem Terror der Polizei
ausgesetzt. Hieß es zuerst noch, die Eingeschlossenen könnten bald wieder
gehen, wurden sie bald darauf aufgefordert einzeln herauszukommen und sich
erkennungsdienstlich behandeln zu lassen. Mit Sprechchören: "Niemals!" wurde
die Forderung zurückgewiesen, verlangt wurde der gemeinsame unbehelligte
Abzug. Doch sämtliche Verhandlungen, um die sich PolitikerInnen der KPÖ
und
der Grünen bemühten, scheiterten an der WEGA, an die die Einsatzleitung
das
Kommando de facto übergeben hatte: Dem Bürgermeister (SPÖ) z.B. wurde
seitens der Polizei zugesagt, alle Leute, die mit ihm gingen, hätten freien
Abzug. Einige Leute glaubten dieser Zusage und verließen tatsächlich einzeln
den Kessel, sie wurden angehalten, z.t. brutal behandelt, gefesselt und
verhaftet.

Gezielt versuchte die WEGA, die Eingeschlossenen psychisch und physisch
unter Druck zu setzen, um die DemonstrantInnen zur Aufgabe zu zwingen:
Mehrere Gefangenenbusse fuhren vor, vor den Augen der Eingekesselten wurde
mit Handfesseln herumjongliert, immer wieder griff die Polizei einzelne
brutal aus dem Kessel heraus, um sie zu verhaften, prügelte hinein, drängte
die Leute noch enger zusammen und warf sogar einmal Tränengas - und das,

obwohl die Eingekesselten nicht einmal mehr eine Coladose warfen, nur mehr
versuchten, sich zu schützen und durch Lieder oder Sprechchöre
durchzuhalten. Neben den durch Schläge Verletzten behandelten die anwesenden
Demosanis mehrere DemonstrantInnen, die aufgrund des stundenlangen Stehens,

des Wassermangels (nur kurz war den 900 Leuten ein Wasserhahn in einem
Hauseingang zugänglich) und des Stresses Kreislaufzusammenbrüche hatten.
Umso bemerkenswerter war, dass selbst in dieser Situation viele nicht ihren
Sinn für Humor verloren und so z.B. nach 5 Stunden Kessel noch den
Sprechchor riefen: "Wir haben Spaß - was habt Ihr?!" Erwähnt werden muß
auch, dass sich einige AnrainerInnen mit den Eingeschlossenen aktiv
solidarisierten und das etwa durch ein Transparent offen zeigten.

Zu legitimieren versucht wurde der Kessel mit dem angeblich verletzten
Polizisten: Noch während des Kessels berichtete der Bayrische Rundfunk,
dass
die Meldung so nicht stimmen konnte, und inzwischen stellte sich heraus,

dass ein Beamter ohne Fremdverschulden gestürzt war und sich dabei verletzt
hatte. "Herzlichen Dank" an dieser Stelle an ATTAC, das noch einen Tag
später die Falschmeldung der Polizei verbreitete. Dazu passt auch, dass
der
ORF zwar sehr viel filmte, doch nur zurechtgeschnittene Bilder ausstrahlte
(z.b. machte der ORF aus dem Versuch, einen Verletzten wieder in den Kessel
hineinzuholen und weitere Prügelangriffe der Polizei abzuwehren, einen
"Angriff" der DemonstrantInnen indem er einen Teil der Szene schnitt, und
dafür gleich anschließend das Bild des gestürzten Polizisten brachte, das
in
Wirklichkeit in überhaupt keinem zeitlichen oder sinngemäßen Zusammenhang
dazu stand).

Eine Sonderrolle spielte noch die SJ, deren Block der freie Abzug im
Gegensatz zu allen anderen gestattet wurde und die auch nur für sich eine
Sonderregelung ausverhandelt hatte: Dabei kam es zu den sehr unschönen
Szenen, bei denen Polizisten und SJ-Ordner andere Leute, die die Gelegenheit
zum sicheren Abzug ebenfalls nutzen wollten, wieder in den Kessel
zurückstießen.

Irgendwann wurden die Eingeschlossenen aufgefordert, alle "gefährlichen"
und
"bedrohlichen" Gegenstände abzugeben, dann wären sie frei. Sämtliche
Stangen wurden daraufhin von den Fahnen und Transparenten geschraubt, sogar
Regenschirme und der Feuerlöscher der Demosanis wurden der WEGA übergeben.
Hier wieder eine Korrektur der Medienberichte: Die bei der Pressekonferenz
der Polizei gezeigten "Knüppel" sind die Stangen, die die Leute von ihren
Transparenten und Bannern nahmen, und es wurde kein einziger Pflasterstein
oder sonst ein Stein im Kessel beschlagnahmt, wie ATTAC aufgrund der
Aussagen der Polizei unkritisch verbreitete. Freigelassen wurden die
verhafteten DemonstrantInnen allerdings trotz alledem nicht, die Polizei
brach wiederholt sämtliche Zusagen.
Schließlich "gestattete" die Polizei den DemonstrantInnen, nacheinander
in
Zehnergruppen aus dem Kessel zu kommen: Alle mussten durch ein
hellerleuchtetes Spalier von WEGA-Beamten gehen, mehrmals stehen bleiben,

wurden fototgrafiert . Willkürlich zeigten Polizisten auf einzelne, die
dann polizeilich erfasst und recht wahllos wegen Landfriedensbruch,
Widerstand etc. angezeigt wurden. Wohl weil die meisten schon zu erschöpft
für einen Widerstand waren, kamen die Hunderten DemonstrantInnen den
Anweisungen der Polizei nach.
Kurz vor Mitternacht, nach 6 Stunden, durften die letzten den Kessel
verlassen. Es zeigte sich, dass eine Solidemo ebenfalls stundenlang draußen
auf sie gewartet hatte und sofort Wasserflaschen und Traubenzucker an die
Herauskommenden verteilte. Mit ihnen zusammen zogen die aus dem Kessel
Gekommenen in einer letzten Demonstration zum Bahnhof. Häufigster
Sprechchor: Auf nach Genua...

PS.: Übrigens ist anzumerken, dass es bei der Demo, bis auf eine
eingeschlagene Heckscheibe eines Polizeifahrzeuges, zu keinen
Sachbeschädigungen kam. Soviel zu den in der "Krone" erwähnten "wilden
Strassenschlachten".

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07.07.2001
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