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Schwanewede: Aktuelles zu Kais TKDV

rh goettingen: aktuelles zu kais tkdv

Rote Hilfe Goettingen Infomail vom 06.07.2001

Hallo liebe FreundInnen und GenossInnen!

Zu unserem Freund Kai, der am letzten Montag bei der Bundeswehr in
Schwanewede den Kriegsdienst totalverweigert hat, haben wir einige neue
Nachrichten von seiner Bremer Unterstuetzungsgruppe "non serviam!", die
wir euch hiermit gerne zukommen lassen. Gerade jetzt zu Beginn des
Arrestes laeuft erfahrungsgemaess ein Kraeftemessen zwischen der
Bundeswehr und dem Totalverweigerer (inkl. UnterstuetzerInnen), wo die
Militaers auszureizen versuchen, wieviel Widerstand ihnen
entgegenschlaegt, wieviel oeffentliche Kritik sie bei ihrem Treiben
erwarten duerfen, ob sich auch von ausserparlamentarischer und
parlamentarischer Seite Protest regt etc.

Es ist daher jetzt wichtig, bei der Kaserne in Schwanewede wie auch beim
Truppendienstgericht Nord immer wieder durch Anrufe und Schreiben nach
Kai zu fragen, deren alltaeglichen Betriebsablauf zu stoeren.

Ebenso wichtig ist es, jetzt Kai Post zuzusenden: Dadurch wird ihm
gezeigt, dass er nicht allein ist und ausserhalb des Arrests
UnterstuetzerInnen sind. Ausserdem wird es von der Kaserne ja auch
wahrgenommen, wenn Kai Mengen von Briefen und Postkarten erhaelt. (Da
Kai ja offiziell nicht in Strafhaft sitzt, unterliegt seine Post auch
formal keiner Postzensur. Wir empfehlen Einschreibebriefe, weil das
innerhalb der Bundeswehr sicher anfangs auch einige organisatorische
Schwierigkeiten mit sich bringen wird; ansonsten schickt ihm Postkarten
und einfache Briefe.) Sendet die Post entweder direkt in Kais Zelle oder
ueber "non serviam!" (dorthin koennt ihr auch Soli-Mails senden).

Die linken Zeitungs- und Zeitschriftenprojekten unter euch moechten wir
bitten, zu pruefen, ob ihr Kai nicht kostenlos eine Ausgabe eures
Blattes zukommen lassen koenntet.

Danke allen im voraus!

Eure

Rote Hilfe Goettingen

++++ Aktuelles zu Kai von den BremerInnen ++++

Heute ist Kais fuenfter Tag im Disziplinararrest. Kurz zur Erinnerung:

Er war am Montag seiner Einberufung in die Kaserne Schwanewede
nachgekommen, hatte dort jedoch saemtliche Befehle verweigert.
Daraufhin war vom stellvertretenden Kompaniechef, dem Oberleutnant
Brammer, seine vorlaeufige Festnahme beordert und Arrest beim
Truppendienstgericht Nord (3. Kammer) beantragt worden. Zugleich wurde
Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Verden erstattet. Am Dienstag
Nachmittag stimmte das Truppendienstgericht dem ersten Disziplinararrest
von 7 Tagen zu, der am 9.7. um 15:00 Uhr enden soll. Kais Anwalt,
Guenter Werner, wird gegen den Disziplinararrest eine formale
Beschwerde einlegen.

Der Arrest wird nicht in der Luetzow-Kaserne vollstreckt, in die Kai
eingezogen wurde, sondern in der benachbarten Weser-Geest Kaserne. Diese
befindet sich an einer Strasse im Privatbesitz der Bundeswehr, ca. 1 km
entfernt von der naechsten oeffentlichen Strasse. Zu Kais
Haftbedingungen: Seine Zelle befindet sich im Eingangsgebaeude der
Weser-Geest Kaserne und zwar direkt hinter dem Eingang. Sie enthaelt
die typische Einrichtung - Waschbecken, Toilette, Klappritsche, Tisch
und Stuhl. Ein schmales Fenster, das zum Kasernenhof zeigt, befindet
sich knapp unterhalb der Decke, so dass zwar Tageslicht in die Zelle
dringt, aber unter normalen Umstaenden keine Moeglichkeit besteht,
hinauszusehen. Waehrend draussen in den vergangenen Tagen sengende
Hitze herrschte, ist es innen sehr kuehl. Kai berichtete, dass es
morgens sogar unangenehm kalt sei. Seine Sachen wurden bei seiner
Festnahme zunaechst konfisziert, kurze Zeit spaeter jedoch wieder
ausgehaendigt (Kommentar des zustaendigen Alphamaennchens: "Ihr
koennt dem Jungen doch nicht seinen Tabak wegnehmen"). Er hat eine
Stunde Ausgang am Tag, der eigentlich um 16.00 Uhr stattfinden sollte,
bisher aber stets zu verschiedenen Zeiten zwischen 16.00 und 19.00 Uhr
ausgefuehrt wurde. Dabei muss er sich entscheiden, ob er sich Duschen
oder auf dem Kasernengelaende spazieren moechte. Waehrend dieser Zeit
sowie zu den Essenszeiten hat er auch die Moeglichkeit, zu
telefonieren. Das Essen nimmt er in Gemeinschaft zu sich und hat
geschrieben, dass er die Gespraeche mit den Soldaten waehrend des
Essens als angenehme Abwechslung zu der Stille in seiner Zelle
empfindet.

Bisher scheint Kai insgesamt fair behandelt zu werden, er sagte, dass
1-2 Soldaten seine Haltung sogar gutheissen wuerden, aber nicht bereit
waeren, die Konsequenzen auf sich zu nehmen. In der Weser-Geest Kaserne
werde er deutlich besser behandelt als zuvor in der Luetzow-Kaserne.
Dabei scheint ihm die Rivalitaet zugute zu kommen, die traditionell
zwischen den Panzergrenadieren der Luetzow-Kaserne und den
Artilleristen der Weser-Geest Kaserne besteht. Abfaellige Bemerkungen
und Verhaltensweisen bekommt er vor allem von Wehrdienstleistenden zu
spueren und beim Wachdienst von der 3. Batterie, waehrend die erste
Batterie locker sei (der Wachdienst wird unter insg. 4 Batterien
aufgeteilt, die staendig wechseln). Glueckerweise hat bisher
ueberwiegend die 1. Batterie den Wachdienst gestellt, deren Verhalten
tatsaechlich ueberraschend ist. Am Mittwoch versuchten zwei Bekannte
Kai spontan - und ausserhalb der Besuchszeiten - zu besuchen. Die
beiden kamen um 12:30 Uhr - also waehrend der Mittagspause - an und
teilten dem Wachhabenden mit, dass sie Mitbewohner von Kai waeren und
etwas wichtiges mit ihm zu besprechen haetten, wurden gefragt, wie
lange es dauern wuerde, antworteten: "10-15 Minuten" und schon waren
sie drin! Sie wurden nicht durchsucht (obwohl eine der beiden eine
Tasche/einen Rucksack bei sich trug), weder die Besuchsdauer noch ihre
Personalien wurden festgehalten. Auch Guenter Werner, Kais Anwalt,
sagte nach einem Besuch am Mittwoch, dass er soetwas noch nicht erlebt
haette: Er hatte seinen Namen genannt und erklaert, dass er Kais
Anwalt sei und war daraufhin sofort zu ihm gelassen worden - ohne
Personalienkontrolle oder Passierschein. Am Donnerstag wurde Kais
Pritsche tagsueber nicht hochgeklappt, so dass er sich hinlegen
konnte.

Es ist allerdings zu befuerchten, dass die Situation nicht so locker
bleibt. Zum einen scheinen die Militaers zunaechst unsicher gewesen zu
sein, wie sie mit einem Totalverweigerer umgehen sollen. In Schwanewede
hat es seit mehreren Jahren keinen TKDVer mehr gegeben, der fuer Kais
Arrest zustaendige Oberfeldwebel Brammer ist anscheinend noch
verhaeltnismaessig jung. Dass die Bundeswehr jedoch rasch zu einer
immer eindeutigeren Linie findet, zeigte sich schon am Dienstag und
Mittwoch als Mitglieder der Gruppe NON SERVIAM! in den beiden Kasernen
anriefen: Anfangs stiessen wir auf viel Unsicherheit und daraus
resultierende Informationsbereitschaft (wenngleich die Informationen
selbst zum Teil sehr widerspruechlich waren), nach einigen Stunden war
es bereits ueblich geworden, sich darauf zu berufen, dass man nichts
wisse, nicht zustaendig sei und darueberhinaus ohnehin nichts sagen
duerfe. Dies ging sogar bis zur Behauptung, dass solche Informationen,
wie sie von einem von uns verlangt wurden (Postadresse Kais, Dauer des
Arrests, Besuchsrecht) aus Gruenden des Datenschutzes (!) prinzipiell
nicht ueber das oeffentliche Telefonnetz weitergegeben wuerden,
sondern nur nach persoenlicher Vorstellung in der Kaserne.

Hinzu kommt, dass der derzeit verantwortliche stellvertretende
Kompaniechef Oberleutnant Brammer nicht mehr lange zustaendig sein
wird. Zwar entpuppt sich auch Brammers gerne zur Schau getragene
Liberalitaet (Bemerkung bei einem Telefonat: "Was haben sie denn fuer
ein Bild von der Bundeswehr? Wir misshandeln ihn (Kai - Anm. d. Verf.)
doch nicht!") sich bereits nach kurzem Kratzen als Duenner Lack vor
einer Wand aus Autoritaetsglaeubigkeit und konservativen
DCberzeugungen (Als die vorlaeufige Festnahme am ersten Tag von einem
Mitglied unserer Gruppe am Telefon Brammer gegenueber als unzulaessige
Disziplinarmassnahme bezeichnet wurde, behauptete dieser z.B. in einer
glaenzenden Darbietung militaerischer Logik, es handele sich
keineswegs um eine Disziplinarmassnahme, sondern um die Bestrafung
einer Befehlsverweigerung zur Aufrechterhaltung der Truppendisziplin!).
Doch zumindest scheint ihm bisher nicht daran gelegen zu haben, die
Arrestbedingungen allzu rigide zu gestalten. Ob dies beim derzeit noch
im Urlaub befindlichen Kompaniechef ebenso sein wird, muessen wir
aufgrund der Informationen, die wir inzwischen ueber ihn erhalten
haben, eher bezweifeln.

Ansonsten ist noch zu sagen, dass Kai bisher kaum Post bekommen hat.
Also, bitte, SCHREIBT IHM! Anders wird er nicht erfahren, dass ihr da
seid und dass er da drinnen nicht alleine ist. Ruft bitte auch bei der
Kaserne an, erkundigt Euch nach Kai, verlangt, ihn zu sprechen oder
fordert seine Freilassung, damit auch die Bundeswehr merkt, dass er
nicht alleine ist. Protestbriefe und -faxe sind natuerlich auch gut!

Spendenkonto fuer Kai:

Rote Hilfe Goettingen

Konto 350 670 309

Postbank Hannover

BLZ 250 100 30

Stichwort: Non serviam/TKDV

Gegen die Verhaengung des 1. Disziplinararrest kann nun ausser beim
Kompaniechef der 4. Panzergrenadierdivision 323 bzw. dessen
Stellvertreter Oberleutnant Brammer auch bei der 3. Kammer des
Truppendienstgerichts Nord protestiert werden:

Truppendienstgericht Nord

3. Kammer

Hans-Boettler-Allee 16

30173 Hannover

Zum Schluss noch eine Bitte: Kai hat darum gebeten, in Presseinfos an
Mainstream-Medien (!) nicht seinen vollen Namen zu nennen um Schmaeh-
und Drohanrufe bei seiner Familie zu vermeiden. Bitte beruecksichtigt
dies, falls ihr eigene Pressearbeit machen wollt. Und bitte schickt der
Gruppe "non serviam!" Kopien von Euren Protestschreiben, Presseinfos
etc. zu. Vielen Dank, bis bald, bleibt heiter und bewegt euch ...

NON SERVIAM!

*Adressen*

Kais Adresse:

Kai Ste.r, - z. Zt. im Arrest -, Weser-Geest-Kaserne, Wache, An der
Kaserne 44, 28 790 Schwanewede

Die Adresse der Einheit, zu der er einberufen wurde, lautet (fuer den
Fall der Zurueckverlegung):

4./ Panzergrenadierbataillon 323, An der Kaserne 41, 28 790
Schwanewede,
Tel.: 04209-922341

Verantwortlich fuer den Arrest ist der stellvertretende Kompaniechef
Oberleutnant Brammer:

Oberleutnant Brammer, 4./ Panzergrenadierbataillon 323, An der
Kaserne
41, 28 790 Schwanewede, Tel.: 04209-922340 und 04209-922347

Die Zentrale der Luetzow-Kaserne ist unter der Nummer 04209-920 zu
erreichen und die Zentrale der Weser-Geest Kaserne unter der
Telefonnummer 04209-922104.

Das Truppendienstgericht Nord hat dem Erstarrest zugestimmt:

Truppendienstgericht Nord, 3. Kammer, Hans-Boettler-Allee 16, 30173
Hannover

Die Adresse der Unterstuetzungsgruppe "non serviam!":

NON SERVIAM! c/o Infoladen, St.Pauli-Str. 10-12, D-28203 Bremen

E-Mail:  non.serviam@gmx.net

 

06.07.2001
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