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Austria: Anti-WEF Newsletter vom 1.7.

NEWSLETTER , Sonntag, 1.7.2001


Schon im Zuge der Vorbereitungen von Protesten gegen
den WEF-Gipfel in Salzburg, kam es zu einem
unglaublichen Schulterschluss der bürgerlichen Medien
mit der Polizei.
Es wurde von seiten der Medien versucht ein
linksradikales Netzwerk mit terroristischer
Zielsetzung bar jeglicher politischer Inhalte zu
konstruieren, nicht zuletzt deshalb, um das enorme
Polizeiaufgebot zu legitimieren. So wurden
Sachverhalte nicht nur verzerrt sondern zum Teil auch
frei erfunden, wodurch jede inhaltliche Diskussion,
die nicht darauf abzielt das WEF zu reformieren,
abgewürgt wurde.
So wurden Gummischläuche, die für kreativen Protest
verwendet wurden, von der "Kronen Zeitung" als
"geheimes Schlauch-Lager der Chaoten" bezeichnet, dass
gegen 21.00 Uhr enttarnt wurde (obwohl den ganzen
Nachmittag Leute sichtbar damit beschöftigt waren,
diese aufzupumpen).
Selbst sogenannte "Zeitungen für Leser" diffamieren
Proteste mit dem Argument, dass alle, die sich an
Protesten beteilgen entweder idealistische
RealitätsverweigerInnen oder apolitische ChaotInnen
seien und dass die ökonomische Globalisierung den
"armen" Ländern ja nur helfe.
Das Verhalten der Medien während des Wochenendes zeugt
von reiner Sensationsgeilheit, die - ganz im Sinne der
ökonomischen Globalisierung - Information zur Ware
reduzieren.


Die 3D-Strategie und ihr Scheitern

Die letzten Tage zeigten, was von der vielzitierten
Deeskalationsstrategie wirklich zu halten ist. Bei der
Pressekonferenz der Polizei am 30.6. beklagte
Polizeidirektor Schweiger die mangelnde
Dialogbereitschaft der VeranstalterInnen und
TeilnehmerInnen, die seiner Meinung nach auf eine
Pattstellung hinauslaufe, in der die Konfrontation mit
der Polizei in den Vordergrund, das eigentliche
Anliegen der DemonstrantInnen aber in den Hintergrund
rücke. Sein Konzept, diese Situation in Salzburg zu
verhindern wollte er mit dem Hinweis auf den geheimen
Charakter der Einsatzpläne jedoch nicht verraten.
Er verstand es in dieser Situation ausgezeichet, sich
auf der einen Seite als Verteidiger demokratischer
Rechte darzustellen obwohl er wenige
Stunden später seine Prügelknaben auf die
DemonstranInnen losliess.
Durch Einreiseverbote, unbegründete Stadtverweise,
wurden Personen von der Ausübung menschlicher
Grundrechte abgehalten.
Durch ständige Perlustrierungen wurden die Archive der
Exekutive gefüttert, gepaart mit massiven
Einschüchterungsversuchen (siehe Umstellung des
Infopoints Samstag abend) - Staatsmacht par
excellence.
Unter diesen Vorzeichen begann am Sonntag um 14.00 Uhr
der Zug zum Standkundgebungsort, von wo sich um 15.30
ein Demonstrationszug in Bewegung setzte.
Nachdem die Demo zweimal in rufweite des
Kongresszentrums landete, es dabei immer wieder zu
Knüppeleinsätzen seitens der Polizei kam (Einheiten
der WEGA), wurde eine Gruppe von 919 Menschen (laut
Polizeipräsident Schweiger) letztendlich in der
Wolf-Dietrichstrasse eingekesselt.
Wie hoch die "internationale Solidarität" bei der
Sozialistischen Jugend im Kurs steht, hat sich in
dieser Situation gezeigt - nach
Verhandlungen mit der Polizei konnten sie als einzige
Gruppe den
Kessel, ohne erkennungsdienstlich behandelt zu werden,
frühzeitig verlassen.
Die ersten Stunden im Kessel verliefen realtiv ruhig
und wurden von der
Polizei genutzt, reichlich Datenmaterial zu sammeln -
auf Dächern und
Balkonen waren z.T. vermummte BeamtInnen auszumachen,
die
filmten und fotographierten.
Und dann begann die "Deeskalationsstrategie" der
Polizei.
Es wurde versucht, einzelne Personen aus dem Kessel
herauszugreifen
und zu verhaften, was natürlich von den umstehenden
Personen zu
verhindern versucht wurde.
Massive Knüppeleinsätze der Polizei waren die Folge -
es kam zu
ersten verletzten DemonstrantInnen.
Aus Solidarität mit den AktivistInnen wurde von
AnrainerInnen ein
Transparent aus dem Fenster gehängt mit der Botschaft
"Lasst sie
frei!".
Stundenlange Verhandlungen um einen Abzug kamen zu
keinem
Ergebnis und waren für die Eingeschlossenen, die
mittlerweile mehrere
Stunden ohne Essen und Toiletten auf engstem Raum
waren, mehr
als zermürbend. Von 10 Menschen, die freiwillig
bereit waren, unter
Angaben der Personalien den Kessel zu verlassen,
wurden die Hälfte
beschuldigt, Straftaten begangen zu haben.
In dieser Gruppe befand sich auch ein
Afroösterreicher, der brutal zu Boden
gestossen wurde.
Hier verfolgte die Polizei definitiv die Strategie,
"fremdländisch"
aussehende DemonstrantInnen zuerst festzunehmen um
ihrem konstruierten Bild von "zugereisten
KrawallmacherInnen" gerecht zu werden. Zu keinem
Zeitpunkt hat eine irgendwie geartete
"Strassenschlacht" stattgefunden - es wurden auch,
entgegen
anders kolportierten Aussagen, keine Pflastersteine
geworfen.
Ab 23.00 wurden die DemonstrantInnen in Reihen von 5-7
Personen unter akribisch genauer Gesichtskontrolle
durch einen Spalier getrieben, woraufhin es zu einigen
Festnahmen kam.
Angesichts dieser Tatsachen beantwortet sich die
Frage, die eine NEWS-Reporterin auf der
Pressekonferenz Sonntag vormittag bezüglich Vermummung
und Demoausrüstung stellte, von selbst,
denn nicht nur die Polizei füllt ihre Archive mit
Bildmaterial, sondern auch die "objektive"
Berichterstattung.


Polizeiübergriffe und Sondereinheiten

Die Übergriffe gingen vor allem von der Wiener
Spezialeinheit WEGA
aus. Diese Polizeieinheit hat sich offensichtlich
gegen die Salzburger
Einsatzleitung, aber auch gegen Vermittlungsversuche
von
Bürgermeister Schaden durchgesetzt. Die Polizei hat
von Anfang an
gezielt auf Eskalation gesetzt. Die Terroreinheiten
der österreichischen Polizei wie
die Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) unter
dem Kommando von Ernst Albrecht oder die Grazer
TAURUS, die nur für
spezielle Aufgaben herangezogen werden - letztlich zur

Aufstandsbekämpfung - neigen dazu, wie
paramilitärische
Organisationen zu agieren. Diese österreichischen
"Elitetruppen"
haben sich bereits durch Übergriffe in Wien und Graz
"ausgezeichnet". Nicht nur der Sonntag in Salzburg
sondern auch Einsätze in der Vergangenheit zeigen,
dass die WEGA eine gewaltbereite "Anti?-Terroreinheit"
ist.

Wir sehen keine Existenzberechtigung fuer die WEGA und
fordern die Abschaffung aller Sondereinheiten der
Exekutive und die Einstellung aller Verfahren gegen
Anti-WEF-DemonstrantInnen.

antiwef_media

Bericht der Rechtshilfe

Die Veranstaltung der WEF war eine private
Veranstaltung, die in keinerlei öffentlichem Interesse
stand.
Im Laufe der Demonstration gab es 14 Verhaftungen.
Darüber hinaus gibt es eine unbekannte Anzahl von
Anzeigen gegen Leute, die beim Kessel willkürlich
herausgefiltert wurden. Eine Person wurde bereits am
Vormittag abgeschoben, eine wir wissen von mindestens
9 von Personen, denen die Einreise verweigert wurde.
Bereits am Freitag wurde ein Wiener ohne rechtliche
Grundlage des Landes Salzburg verwiesen. Ein
Innsbrucker wurde am Innsbrucker Bahnhof daran
gehindert, in den Zug zu steigen.
Nach Angaben der Demo-Sanitäter mußten sie 20
DemonstrantInnen versorgen, 14 von ihnen waren von
Polizisten verletzt worden, die anderen hatten
gesundheitliche Probleme aufgrund der stundenlangen
Einkesselung.
Nach Angaben der Polizei wuden 919 DemonstrantInnen -
von ingesamt 750 DemonstrationsteilnehmerInnen
(Polizeiangabe!) im Kessel festgehalten. Beim
Verlassen des Kessels wurden unzählige Personen
namentlich erfasst, nahezu alle erkennungsdienstlich
abgefilmt wurden.
Bereits Tage vorher wurden unzählige
Personenkontrollen und Perlustrierungen durchgeführt
und Pressevertreter massiv eingeschüchtert und
bedroht.
Vor, während und nach der Demonstration wurde der
Infopoint von als Robocops verkleideten
Spezialeinheiten massiv bedroht.
Der Einsatz der Polizei verlief wegen der
unterschiedlichen Einsatzgruppen unkoordiniert. Es war
nicht möglich über die Amtshandlung der einzelnen
Gruppen eine eindeutige Auskunft zu erhalten. So gab
es beispielsweise unterschiedliche Auffassungen über
die Art der Auflösung des Kessels zwischen
Bürgermeister, WEGA und Innenministerium. Konfussion
bezüglich der Vorgangsweise herrschte fast über den
gesamten Kesselzeitraum vor, was in den Verhandlungen
immer wieder deutlich wurde. Auch bezüglich der
Festgenommen herrschte Unklarheit. Über Stunden konnte
oder wollte die verantwortliche Einsatzleitung der
Rechtshilfe keine klare Auskunft über den Verbleib der
Verhafteten geben, vielmehr widersprachen die
einzelnen Aussagen einander.
Journalisten erhielten bei den Festnahmen die
Dokumentation der Amtshandlung verwehrt. Sie wurden
von Hundestaffeln abgedrängt. Personen, die frühzeitig
freiwillig den Kessel verlassen wollten, wurden
festgehalten und mussten sich allesamt ausweisen,
obwohl zunächst freies Geleit zugesichert worden war.
Einige von ihnen sogar - neben den üblichen verbalen
Einschüchterungen und Beschimpfungen - geschlagen und
festgenommen. Während der Amtshandlungen wurden
MigrantInnen der in Polizeikreisen üblichen
rassistischen Sonderbehandlung unterzogen.
Der Menschenrechtsbeirat bewies sich wieder einmal als
verlängerter Arm des Innenministeriums, ihres
Geldgebers. Er diente nicht dem Schutz
Demonstrierender, sondern zeichnete sich über seine
eindeutige Zusammenarbeit mit der Polizei aus.
Kasernierte überzüchtete Polizeieinheiten wie die WEGA
oder die Grazer TAURUS, die nur für spezielle Aufgaben
herangezogen werden - letztlich zur
Aufstandsbekämpfung - neigen dazu, verselbständigt,
ähnlich wie paramilitärische Organisationen, außerhalb
des bürgerlich demokratischen Rechtsstaates zu
agieren. Eine quantitative Verschärfung derartiger
verselbständigter Einsätze lässt sich aus den
Erfahrungen der letzten Demonstration deutlich
ablesen. Wie bewusst die österreichischen Regierungen
- auch in der Vergangenheit - diese Entwicklung
verselbständigter Einheiten forcierten, sollte weiter
diskutiert werden.
Die Einschüchterungen im Vorfeld bestätigen ein mehr
oder weniger einheitliches Vorgehen der Exekutive.
Und noch einmal: der ganze Einsatz wegen einer
Privatveranstaltung einiger Superreicher und ihrer
politischen Lakaien!
Die RH braucht Gedächtnisprotolle von Betroffenen und
ZeugInnen. Diese können bis Dienstag abend in der
Rechthilfe Salzburg, danach an die Rechtshilfe in Wien
weitergegeben werden.
Bitte keine Gedächtnisprotokolle ins Internet oder
über E-Mail verschicken! Big Brother is watching you!
Die Rechtshilfe fordert die Einstellung aller
Verfahren!


Demosanibericht

Nach der Bildung von fünf Helferinnen- und einem
Notfallteam am Sonntag war es uns möglich die
Kundgebung und die anschließende Demonstration
ausreichend zu begleiten. Je nach Situation waren alle
Teams im Einsatz. Bei der Kundgebung und der
Demonstration gab es cirka zwanzig Verletzte, von
diesen mussten vierzehn von uns versorgt werden .
Neben Platzwunden am Kopf vor allem durch
Schlagstockeinsatz, Verletzungen an Finger und Händen,
traten auch kreislaufbedingte Schwächeanfälle auf, als
Ursache kann der Stress und der Wassermangel im sieben
Stunden dauernden Kessel angenommen werden.. Eine
weitere Aufgabe war die Versorgung der eingekesselten
DemonstrantInnen nach der Auflösung des
Kessels mit Wasser. Die Polizei und das rote Kreuz
standen den DemonstrationssanitäterInnen von Beginn an
ablehnend gegenüber. Leicht durch ihre Kennzeichnung
zu erkennen wurde den DemonstrationesanitäterInnen von
Mitgliedern des Roten Kreuzes Klagen wegen Gebrauch
eines geschützten Symbols angedroht, Polizisten
verurteilten die DemonstrationsanitäterInnen als die
wirklich schlimmen DemonstrantInnen da sie versuchen
würden unter dem Denkmantel des Helfens mehr Chancen
für Gewaltbereite Handlungen zubekommen. Dabei
erwähnenswert erschein uns die Tatsache, dass die
DemonstratrationsanitäterInnen innerhalb des Kessels
die gesundheitliche Grundversorgung gewährleistet
haben. Zudem wurde unsere Arbeit teilweise durch die
Einsatzkräfte behindert. Keiner der
DemonstrationsanitäterInnen wurde verhaftet.
Einzig die Personalien eines Saniteams wurden
aufgenommen.

 

04.07.2001
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