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                        rassistische Zugkontrolle 
						 
                          Cornelia Gunßer
 Vertreterin des Flüchtlingsrats Hamburg
 bei PRO ASYL
 Tel./Fax: 040 / 38 18 27
 mobil: 0173 / 410 86 42
 e-mail:   wogeev@t-online.de
 
        Hamburg, den 30.5.01
 
 Nachfolgendes Protokoll einer BGS-Kontrolle in einem IC/EC-Zug der DB am
 22.5.01 beleuchtet in anschaulicher Weise, wie hier in diesem Land
 Menschen
 anderer Hautfarbe ohne triftigen Grund polizeilichen Kontrollen
 unterzogen
 werden. Drei Tage nach der Demonstration von Flüchtlingen und
 UnterstützerInnen in Berlin gegen die Residenzpflicht macht der Vorfall
 zudem die Ausmaße deutlich, in denen dieses Gesetz heute gegen
 Flüchtlinge
 angewandt wird.
 Wir als Beteiligte sowie die von uns vertretenen Organisationen
 protestieren
 aufs schärfste gegen diese menschenunwürdigen und rassistischen
 Kontrollen.
 Wir fordern alle Organisationen und Medien auf, diesen und ähnliche
 Vorfälle
 öffentlich zu machen und ebenfalls dagegen zu protestieren.
 Nähere Informationen erhalten sie bei der oben angegebenen
 Telefonnummer.
 
 
 Protokoll über die BGS-Kontrolle am 22.5.01 im Zug nach Bonn und die
 Vorgänge auf der BGS-Wache in Münster
 Am Dienstag, den 22.5.2001 fuhren wir mit einer achtköpfigen Delegation
 von Menschen verschiedener Nationalitäten mit dem EC/IC 801 um 11.47 Uhr
 von Hamburg nach Bonn. Dort waren wir von mehreren studentischen Gruppen
 und Flüchtlings-Organisationen als ReferentInnen zu einer Veranstaltung
 an der Universität unter dem Titel "Die deutsche Abschiebepolitik und
 die Praxis der Botschaftsvorführungen" eingeladen. Fünf der
 ReferentInnen kamen aus Hamburg und sind Mitglieder des "Komitees für
 die Verteidigung der Rechte der Flüchtlinge" sowie verschiedener anderer
 Organisationen ("African Refugees Organisation - ARA", "SOS-Struggles of
 Students", "Flüchtlingsrat Hamburg" und dessen Vertreterin bei "PRO
 ASYL"). Drei Mitglieder des "Internationalen Menschenrechtsvereins
 (IMRV)" stiegen in Bremen ein.
 Wir hatten Plätze hintereinander in einem Großraumwagen. Vorn saßen
 Debjani Daf, eine indische Studentin mit Aufenthaltserlaubnis und Fawzi
 Sheho, ein syrischer Kurde, dahinter Ingo Saalfeld, ein
 Deutsch-Brasilianer, und Cornelia Gunßer, Deutsche, dahinter Senfo
 Tonkam, anerkannter politischer Flüchtling aus Kamerun und Janak Pathak,
 ein nepalesischer Asylsuchender im Asylverfahren, dahinter Kossi Jules
 Agbemadon, ein gerade anerkannter togoischer Flüchtling und Lansana
 Camara, guineischer Asylsuchender.
 Gegen 13.30 Uhr - wir hatten Osnabrück passiert und näherten uns Münster
 - kamen von vorn und von hinten vier BGS-Leute (eine Frau, drei Männer)
 in Zivil zu unseren Plätzen. Sie waren wohl von der DB gerufen worden,
 denn sie schauten nicht auf Gesichter, sondern steuerten gezielt auf
 bestimmte numerierte Plätze zu. Gleichzeitig wurden die indische Frau
 und die drei Afrikaner von den BGS-Leuten aufgefordert, ihre Ausweise zu
 zeigen. Die Aufgeforderten fragten, warum ausgerechnet sie ihre Papiere
 zeigen sollten? Sie würden ihre Ausweise nur zeigen, wenn alle Reisenden
 im Waggon kontrolliert würden. Es entstand eine lautstarke Diskussion
 über die Frage der Begründung der Kontrolle, an der sich auch andere
 Fahrgäste beteiligten, z.T. mit der Meinung, Kontrollen müssten halt
 sein, z.T. unterstützten sie unsere Argumente. Die BGS-Leute weigerten
 sich zunächst, Gründe für ihre Kontrollen anzugeben und behaupteten
 dann, ihre Aufgabe sei. "illegale Ausländer" zu suchen. Wir fragten,
 woher sie denn wissen wollten, wer im Waggon "Ausländer" bzw. "illegal"
 sei? Es sei doch offensichtlich, dass sie nach Hautfarbe auswählen
 würden, wen sie kontrollieren und wen nicht! Die BGS-Leute weigerten
 sich, mit uns über ihre Kriterien zu diskutieren und behaupteten, wir
 wüssten ja gar nicht, wen sie in den anderen Waggons kontrolliert
 hätten. Die Aufgeforderten hätten jetzt ihre Papiere zu zeigen, oder sie
 müssten in Münster aussteigen! Die Betroffenen weigerten sich weiterhin,
 ihre Ausweise zu zeigen, solange nicht alle kontrolliert würden. Die
 BGS-Leute drohten, Verstärkung zu holen und zogen sich zur Beratung
 zurück. Die BGS-Frau äußerte die Meinung, wir hätten eigentlich recht -
 sie sollten alle kontrollieren. Sie konnte sich aber wohl nicht
 durchsetzen.
 Ingo Saalfeld und Cornelia Gunßer, die nicht nach ihren Papieren gefragt
 wurden, riefen inzwischen per Handy bei diversen Medien (freies Radio
 FSK, Frankfurter Rundschau, taz Hamburg und Bremen, junge welt u.a.) und
 Organisationen (IMRV, PRO ASYL, Flüchtlingsrat Hamburg,
 Flüchtlingsinitiative Bremen, die Bonner StudentInnengruppen LUST und
 ASL, SOS-Struggles of Students, Black Students Organisation, The Voice -
 Africa Forum u.a.) an und gingen bei der Ankunft in Münster (14.03 Uhr)
 live auf Sendung beim Hamburger FSK-Radio - just in dem Moment, als vier
 uniformierte BGS-Leute in voller Ausrüstung in den Waggon kamen und
 gezielt auf die drei Afrikaner zugingen. Sie forderten sie auf, ihre
 Ausweise zu zeigen und erklärten Cornelia Gunßer, als sie eine
 Begründung verlangte, dies sie eine "verdachtsunabhängige Kontrolle",
 die nach dem BGS-Gesetz rechtmäßig sei. Wir kritisierten weiter
 lautstark die rassistischen Kriterien dieser Kontrolle, und die
 Aufgeforderten zeigten ihre Ausweise nicht. Daraufhin wurden die drei
 Afrikaner von den BGS-Leuten mit brutaler Gewalt aus dem Zug gezerrt,
 Kossi Agbemadon und Senfo Tonkam in Handschellen. Auf dem Bahnsteig
 standen mindestens zehn weitere BGS-Leute in Uniform. Direkt vor
 Cornelia Gunßer packten zwei bis drei BGSler Senfo Tonkam, der sich am
 Sitz festhielt, und schlugen auf ihn ein. Als Cornelia Gunßer dagegen
 protestierte und dabei den direkt vor ihr befindlichen Arm eines BGSlers
 berührte, wurde ihr mit einer Strafanzeige wegen Gefangenenbefreiung
 gedroht. Sie forderte Mitreisende auf, auch zu protestieren und mit uns
 gemeinsam auszusteigen. Angesichts dieser Misshandlungen solidarisierte
 sich spontan eine deutsche Mitreisende, und als unsere Gruppe den Zug
 verließ, schloss sie sich uns an und ging mit uns hinter den BGS-Leuten
 und den Festgenommenen her zur BGS-Wache im Bahnhof von Münster. Sie
 wartete über zwei Stunden zusammen mit uns vor der Tür der BGS-Wache und
 stellte sich als Zeugin zur Verfügung.
 Bei der BGS-Wache angekommen, wurde Senfo Tonkam in Handschellen in den
 hinteren Teil der Wache zum Verhör geführt. Die beiden anderen Afrikaner
 - Kossi Agbemadon und Lansana Camara - sowie Cornelia Gunßer mussten
 auch mit in die Wache und vor dem Tresen warten. Cornelia Gunßer
 versuchte, mit "PRO ASYL" zu telefonieren. Sie wurde aufgefordert, das
 zu unterlassen und ihre Papiere zu zeigen. Sie zeigte ihren Ausweis, der
 zur Überprüfung mitgenommen wurde, und telefonierte weiter. Die beiden
 Afrikaner mussten auch ihre Papiere abgeben und vor dem Tresen warten.
 Cornelia Gunßer wurde gefragt, ob die beiden Afrikaner eine Genehmigung
 bei der Ausländerbehörde eingeholt hätten für die Reise? Sie antwortete,
 das wisse sie doch nicht - da müssten sie halt die Ausländerbehörde
 fragen. Der BGS-Mann antwortete, er dachte, da wir ja eine
 Gruppenfahrkarte hätten, hätte Frau Gunßer als Gruppenleiterin evtl. für
 alle Flüchtlinge Genehmigungen zum Verlassen ihres Landkreises
 eingeholt. Cornelia Gunßer sagte, sie sei nicht die Gruppenleiterin. Sie
 erhielt nach wenigen Minuten ihren Ausweis zurück und wurde
 aufgefordert, die Wache zu verlassen. Sie sagte, dass sie bleiben wolle,
 wenn die anderen drinbleiben müssen. Das wurde ihr aber nicht gestattet,
 sondern sie musste zu den anderen unserer Gruppe, die vor der Tür der
 Wache im Vorraum warteten und auch ihre Ausweise zur Überprüfung abgeben
 mussten, aber nicht hineingerufen wurden.
 Über Kontakte in Hamburg wurde inzwischen ein Rechtsanwalt in Münster
 eingeschaltet, der bei der BGS-Wache anrief, allerdings zunächst nicht
 viel erfuhr, außer dass Senfo Tonkam aus strafrechtlichen Gründen
 verhört und gegen andere wohl der Vorwurf der Residenzpflichtverletzung
 erhoben werde. Später erfuhr Cornelia Gunßer über eine Journalistin, die
 bei der BGS-Wache angerufen hatte, dass gegen sie wohl Strafanzeige
 wegen "Rädelsführerschaft" erstattet werden solle. Vom BGS wurde ihr
 nichts darüber gesagt, und sie wurde auch nicht verhört, sondern wartete
 weiter mit den anderen vor der Tür. Wir telefonierten mit Medien und
 Organisationen. Ein BGS-Leiter kam draußen vor der Tür auf Cornelia
 Gunßer und Ingo Saalfeld zu und fragte, wir hätten Klagen über das
 Vorgehen des BGS? Er wollte mit uns diskutieren und erklären, dass alles
 rechtmäßig abgelaufen sei. Wir sagten, diese Kontrollen seien
 rassistisch.
 Gegen 15.30 Uhr wurden Kossi Agbemadon und Lansana Camara freigelassen.
 Sie und Janak Pathak hätten eine Residenzpflichtverletzung begangen und
 müssten in ihre Landkreise zurück, bei Weiterreise würden sie eine
 Straftat begehen und würden festgenommen. Die beiden Afrikaner
 erzählten, dass die BGS-Leute darüber diskutiert hätten, ob sie wohl zu
 ihrer Botschaft nach Bonn müssten, um sich Papiere für die Abschiebung
 zu besorgen? Wir hatten aber gesagt, dass wir zu einer Veranstaltung an
 der Bonner Universität fahren. Es habe unter den BGS-Leuten
 unterschiedliche Meinungen gegeben, ob die beiden Afrikaner festgenommen
 oder laufengelassen werden sollten, und die Freilassung erfolgte wohl
 aufgrund diverser Anrufe von Medien und Organisationen.
 Senfo Tonkam wurde jedoch weiter verhört, nach "gefährlichen
 Gegenständen"  und Drogen durchsucht und einem Alkoholtest unterzogen.
 Wir warteten weiter in dem Raum vor der Tür der BGS-Wache. Nach einiger
 Zeit wurden wir von BGS-Leuten aufgefordert, nach draußen zu gehen, was
 wir aber nicht taten. Schließlich duldete der BGS weiter unsere
 Anwesenheit im Vorraum, zeitweise, aber nicht immer, "bewacht" von
 einzelnen BGS-Leuten.
 Debjani Daf, über die der BGS wohl per Computerabfrage erfahren hatte,
 dass sie vor einigen Jahren bei der EU-Kommission gearbeitet hat, wurde
 - mit der Absicht einer  Entschuldigung? - von einem BGSler gefragt, ob
 sie auch vor der Aktion schon so gut Deutsch konnte?
 Der festgenommene Senfo Tonkam wurde gegen 16 Uhr zur
 erkennungsdienstlichen Behandlung in die BGS-Wache in der Schaumburgstr.
 13 gebracht. Wir gingen auch dorthin. Der Anwalt war inzwischen bei dem
 Festgenommenen und kam gegen 16.50 Uhr mit ihm heraus. Es werde ihm
 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung vorgeworfen.
 Gegen 17.30 Uhr schafften wir es, unsere Gruppenfahrkarte auf einen
 anderen Zug umschreiben zu lassen, obwohl der BGS sich auch nach
 Aufforderung durch die DB weigerte, uns eine dafür eigentlich nötige
 schriftliche Bescheinigung auszustellen, dass wir ohne unser Verschulden
 die Reise unterbrechen mussten, weil wir vom BGS aufgehalten wurden.
 Lediglich telefonisch wurde uns der Aufenthalt in der BGS-Wache
 bestätigt.
 Wir setzten unsere Fahrt nach Bonn zu viert im Zug fort. Die vier
 Asylsuchenden wurden von einer Antirassistin aus Münster im Auto
 mitgenommen, um weitere Kontrollen und Festnahmen im Zug zu vermeiden.
 Am 23.5.01 war in der "taz Hamburg" über die Zugkontrolle zu lesen:
 "Nach BGS-Darstellung habe man von vornherein alle kontrollieren wollen,
 denn 'der Verdacht lag nahe, dass Schleuser dabei waren', sagt
 BGS-Sprecher Werner Janning, ' die Kollegen haben dafür ein Gespür'".
 Dieses "Argument" wurde uns gegenüber nicht geäußert, und im Zug machten
 die BGS-Leute keinerlei Versuche, andere Reisende als die Genannten zu
 kontrollieren.
 
  
						 
	                      
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