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Bochum: ISI Marketing versucht ArbeiterInnen das Maul zu verbieten

15.05.01
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ISI Marketing versucht ArbeiterInnen das Maul zu
verbieten

ISI Marketing (Wasserstrasse 219, 44799 Bochum) ist
ein Telefon-Marketing Unternehmen mit Call Centern
u.a. in Bochum, Essen, Düsseldorf. Die
Unternehmensleitung versucht zu verhindern, dass ein
Flugblatt über die miesen Arbeitsbedingungen bei ISI
im Internet verfügbar ist. Sie hat dem Provider
www.free.de, auf dessen Server sich auch das Flugblatt
befindet, über das Landgericht Bochum eine
"einstweilige Verfügung" reingedrückt, in der ihm
untersagt wird (Zitat) "das Unternehmen als 'miese
Bude' " und "die Arbeitsstellen als 'Scheissjobs' zu
bezeichnen". Angedrohte Ordnungsgelder von 500.000 DM
und mögliche Prozesskosten haben erzwungen, dass
Flugblatt und Kommentare zu ISI erst mal von der
Website genommen bzw. bestimmte Begriffe “geschwärzt”
wurden.

Das Flugblatt beruht auf Erfahrungen von
ISI-ArbeiterInnen. Es ist auf einer Internetseite
(www.free.de/prol-position) veröffentlicht worden, die
als Instrument zur Selbstorganisierung von
ArbeiterInnen in Call Centern und anderswo dient. Die
Berichte über Bedingungen in verschiedenen Betrieben,
Streikberichte aus anderen Teilen der Welt und
Flugblätter sollen die Diskussion zwischen
Ausgebeuteten unterstützen. Genau dagegen wendet sich
der Zensurversuch von ISI.

Die Bedingungen bei ISI - unbezahltes Training,
niedriger Grundlohn und unsichere Prämien, Streichung
der Prämien im Krankheitsfall (siehe Flugblatt unten)
- sind dabei keine Ausnahme. Ob wir in Call Centern
malochen, hinter der Theke oder am Fließband, wir sind
mit ähnlichen Problemen konfrontiert.

Es geht nicht darum, die Arbeitsbedingungen nur etwas
aufzubessern. Vielmehr stellt sich die Frage, wie wir
eine neue Macht entwickeln können, die verhindert,
dass die Unternehmer solche Bedingungen gegen uns
durchsetzen können. Sie haben die Arbeitslosigkeit auf
ihrer Seite. Sie können auf eine Regierung zählen, die
in verschärftem Maße versucht, uns in miese Jobs
reinzudrücken (z.B. über die geplante Zusammenlegung
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die
“Faulenzer”-Kampagne...). Und sie können sich darauf
verlassen, dass die Apparate der Gewerkschaften bei
einer konfliktfreien Verschlechterung der Bedingungen
helfen (z.B. durch Tarifvertragsabschlüsse mit
Zeitarbeitsfirmen, flexiblere Arbeitszeitabkommen...).

Also wer wird etwas ändern, wenn nicht wir
ArbeiterInnen selbst?! Keine Gewerkschaft und keine
Partei wird das für uns tun. Wir müssen eine Macht
entwickeln, um den Verschärfungen etwas
entgegenzusetzen und die herrschenden Zustände
grundlegend zu ändern. Und dafür müssen wir auch
durchsetzen, dass Informationen über unterschiedliche
Ausbeutungsbedingungen und die Kämpfe dagegen frei
zirkulieren können.

Schickt diese Mail weiter und setzt Links auf

http:/www.free.de/prol-position!

Schreibt und verbreitet Berichte über Aktionen gegen
die Ausbeutung!

Dies ist kein Einzelfall, wie die momentanen
Auseinandersetzungen um www.linkeseite.de zeigen.
Verhindert die Zensur!


Hier das Flugblatt zur Situation bei ISI Marketing:
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hotlines, Flugblatt fuer eine bessere Zeit, Nummer zu
ISI Marketing, April 2001


Kostenfreies Arbeiten bei ISI Marketing

Meine Geschichte ist nicht zum Heulen, sie ist
alltaeglich. Millionen teilen in dieser oder jener
Form mein Schicksal, aber ich lese weder in der
„Amica“ noch in der WAZ darueber. Ich habe ein Kind
und jede Menge offene Rechnungen, der
Mutterschaftsurlaub ist zu Ende, ich heisse nicht
Barbara Becker: ich brauche nen Job. Arbeitssuche ist
unbezahlte Arbeit: Hektik zwischen SIS-Computern vom
Arbeitsamt und Vorstellungsgespraechen. Scheissjobs
und Absagen. Eine weitere Stellenanzeige: TelefonistIn
gesucht, ca. 22 DM brutto, Kinderbetreuung.

Vorstellungsgespraech bei ISI Marketing. Viele Frauen
arbeiten hier. Die von der Personalabteilung
verspricht schoene Dinge: wenn du am Telefon mehr
vertickst als deine KollegInnen, dann winken dir
Wochenenden im BMW, Reisen nach Aegypten etc. Immerhin
versuchen sie, dir den Scheissjob etwas zu versuessen.
Der sieht so aus:
* Von wegen 22 DM brutto: Festlohn sind 12 DM brutto,
Rest sind ungarantierte Praemien.
* Die erste Woche ist „kostenfreies Arbeiten“
angesagt: sprich 12 Std. Training und 28 Std. Arbeit
(Verkauf am Telefon) werden nicht bezahlt.
* Die erste Zeit arbeitest du ohne Vertrag: den gibt
es erst, wenn du genug Kohle fuer’s Unternehmen
reintelefoniert hast. Schafft mensch in den 28 Stunden
nicht zwei Drittel des Verkaufsdurchschnitts, dann
gibt es keinen Vertrag: Umsonst geschuftet!
* Nacharbeiten der Krankheitstage oder Lohnkuerzung:
wenn du trotz Krankheit zur Arbeit kommst, gibt es die
sogenannte Schnupfenpraemie· Kannst du dich nicht zur
Arbeit schleppen, wird dir zur schnelleren Genesung
angeboten, deine Krankheitstage nachzuarbeiten oder
dir werden Praemien gestrichen.
* Arbeiten vor Arbeitsbeginn: Vorbereitungen fuer
deine Arbeit musst du vor dem offziellen Arbeitsbeginn
erledigen, wenn du „in die Pause“ reintelefonieren
musst, wird das von der Pausenzeit abgezogen.

Nach 25 Stunden „kostenfreier“ Arbeit am Telefon,
keinen Vertrag in der Tasche, aber die
Stein-bachschen-Psychos (Chef von ISI) im Kopf, hat es
mir gereicht. Ich weiss, dass einem hier nix geschenkt
wird und dass Arbeit adelt, aber irgendwo sind
Grenzen. Alle, die sich zusammen mit mir beworben
hatten, sind abgesprungen.

Vielleicht haetten wir uns zusammen gegen diese
Scheisse wehren und die Bezahlung der 40 Stunden, mehr
Kohle statt unsichere Praemien und Vertraege fuer alle
durchsetzen koennen. Aber wir haben es nicht versucht.
Wir kannten uns nur kurz, hatten kaum Moeglichkeit mit
den bereits angestellten ArbeiterInnen zu reden,
hatten Schiss. Jetzt geht die Jobsuche fuer alle
alleine weiter. Wenn wir Glueck haben, finden wir was
Besseres. Wahrscheinlich ist das aber nicht...

Es geht mir gar nicht um „Rache“. ISI macht auch nur
das, was alle Unternehmen tun: sie nutzen unsere
Situation, um die Arbeitsbedingungen weiter zu
verschlechtern. Sie gehen davon aus, dass wir
„Schwachen“ auf dem Arbeitsmarkt (aeltere Frauen,
Muetter, „Ungelernte“, „AuslaenderInnen“) nichts
anderes finden, und lassen uns fuer weniger Geld mehr
arbeiten. Sie senken den garantierten Lohn und
ueberlassen uns mit den Praemien das Risiko, ob sich
ihre Produkte verkaufen lassen oder nicht. Sie
verlaengern die unbezahlte Arbeitszeit durch
Schulungen, „Probearbeiten“, usw.. Sie gehen auch
davon aus, dass wir uns nicht dagegen auflehnen
werden, mit Rechnungen, Jugend-, Arbeits- oder
Auslaenderamt im Nacken.

Ich weiss, dass es vielen geht wie mir. Ich weiss,
dass viele sich selbst die Schuld geben, wenn sie
keinen oder nur miese Jobs finden. Auch wenn ich nicht
mehr bei ISI arbeite: ich habe die Geschichte
aufgeschrieben, weil ich keine Lust mehr habe, alles
schweigend hinzunehmen. Irgendwann haut das
vereinzelte „Sich-Durchschlagen“, die Hoffnung auf
einen besseren Job nicht mehr hin. Die „guten“ Jobs
sind eine Illusion: was bei ISI laeuft, laeuft auch
woanders.

Die Situation bei ISI betrifft nicht nur die, die dort
arbeiten. Wenn Unternehmer miesere Bedingungen in
einem Bereich durchsetzen koennen, dann setzen sie
damit auch alle anderen ArbeiterInnen unter Druck. Von
daher muessen wir gemeinsam nach Wegen suchen, wie wir
uns wehren koennen.

In unserer Situation als „BewerberInnen“ bei ISI
haette uns geholfen, wenn die „Festangestellten“
direkt auf uns zugegangen waeren und uns von
vornherein gesagt haetten, wie der Laden laeuft.
Vielleicht haette sich so schneller ein Vertrauen
aufbauen koennen, um was gegen die Erpressung „Vertrag
bei Abo-Schnitt“ zu machen. Ausserdem ist uns bei der
Arbeit aufgefallen, dass es kaum Austausch zwischen
den ArbeiterInnen der verschiedenen ISI- Standorte
(Essen, Bochum, Krefeld, Duesseldorf etc.) gibt, was
die Chefs dazu benutzen, um uns gegeneinander
auszuspielen. Daher verteilen wir dieses Flugblatt in
Essen, Bochum und Duesseldorf.
Es gibt Moeglichkeiten, sich zu wehren: wenn sie uns
fuer Schulungszeiten, Pausen usw. keinen Lohn geben,
werden alle gemeinsam krank. Und wenn sie uns mit
Lohnkuerzungen drohen, koennen wir durch langsames
“Nach-Vorschrift-Arbeiten” oder Streik klarmachen, wer
eigentlich die Kohle reintelefoniert.

Wenn sie uns mies bezahlen, zahlen wir es ihnen
zurueck!

[Vorstellung von hotlines]
Wir arbeiten in Call Centern und anderswo und machen
eine Flugblattreihe. Damit wollen wir die Diskussion
unter ArbeiterInnen unterstuetzen und voranbringen. Es
geht darum, gemeinsam gegen Arbeitshetze und
Arbeitszwang vorzugehen. Das koennen wir nur, wenn wir
uns selber organisieren und mit anderen ArbeiterInnen
Mittel und Wege finden, auf Massnahmen der
Geschaeftsleitungen zu reagieren und eigene Interessen
durchzusetzen. Unsere Staerke liegt darin, dass wir
uns mit anderen ArbeiterInnen schnell und direkt
absprechen koennen und z.B. Ueberstunden verweigern,
Arbeitsanweisungen ignorieren oder den Anruf-Akkord
runtersetzen. Ohne dass die Chefs darauf vorbereitet
sind und ohne Vermittlung und Kontrolle durch
Betriebsrat und Gewerkschaften. Wenn wir diese Staerke
entwickeln und einsetzen, kann das ein Schritt sein,
die Lohnsklaverei insgesamt zu ueberwinden.
Alle hotlines-Flugblaetter werden auf dieser Website
zusammen mit weiteren Infos und Beitraegen
dokumentiert:
 http://www.free.de/prol-position

 

15.05.2001
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Soziale Kämpfe]  Zurück zur Übersicht

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