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Heidelberg: AZ-Demo am 26.05.2001


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Am 26. Mai 2001 findet in Heidelberg eine Demonstration für den Aufbau und
Erhalt selbstverwalteter Zentren in Baden-Württemberg statt.
Treffpunkt ist um 13.00h am Bauhaus
Im Anschluss an die Demonstration ist noch VoKü und PaRTY

Das Autonome Zentrum Heidelberg (AZ) war über nahezu acht Jahre hinweg ein
selbstverwalteter, nicht-kommerzieller und unabhängiger Treffpunkt für eine
Vielzahl kulturell arbeitender und politisch aktiver Gruppen und
Einzelpersonen. Seit dem ersten (inoffiziellen) AZ-Fest am 17.02.1991 in den Räumen der
ehemaligen Weber-Druckerei in der Alten Bergheimer Str. 7a begannen viele
Menschen, mit freiwilligem und unentgeltlichem Engagement ihre Vorstellungen von
einer freien, solidarischen Gesellschaft umzusetzen.
Das AZ gehörte mit durchschnittlich mehr als 25 Events im Monat zu den
aktivsten und mit niedrigen Eintritts- und Getränkepreisen auch zu den billigsten
Veranstaltungsorten im gesamten Rhein-Neckar-Raum.
An diesem freien Treffpunkt für linke Projekte entwickelten sich unzählige
politische, kulturelle und handwerkliche Gruppen/Initiativen, die mindestens
ein Element miteinander verband: die kollektive Aufrechterhaltung und
Verteidigung selbstbestimmten, eigenverantworteten Arbeitens, Organisierens und
Feierns. Zu diesen Gruppen und Einrichtungen zählten antifaschistische und
antirassistische Zusammenschlüsse, die FrauenLesbenEtage „Mafalda“, der
Infoladen „Moskito“, das Café „Tabula Rasa“, die
SchwulLesBische „UnheilBar“, Gustavs Fahrradwerkstatt und ein
Fotolabor ebenso wie regelmäßig stattfindende Discos, Konzerte, Workshops und
Theateraufführungen.
Das AZ leistete als etabliertes, stark frequentiertes Kommunikationszentrum
aktiven Widerstand gegen großstädtische Ausgrenzungsmethoden,
Privatisierungsmodelle und Sicherheitswahn, indem es einen Ort darstellte, an dem
flächendeckende Raumverbote für marginalisierte Gruppen durchbrochen wurden. Mit seiner
vorteilhaften Lage in nächster Nähe zur Heidelberger Hauptstraße war es
deshalb immer all jenen ein Dorn im Auge, die an der rigorosen Verdrängung der
verschiedenen „Submilieus“ aus dem Innenstadtbereich interessiert
sind, um den ungestörten und gesicherten Konsum zu gewährleisten und das Bild
der „sauberen“, romantischen TouristInnenstadt
aufrechtzuerhalten. Deshalb versuchte die Stadt Heidelberg immer wieder, das Autonome Zentrum
zu kündigen, sah sich aber – unter anderem auf Grund der bundesweiten
AZ-Demos in den Jahren 1996 und 1997 – gezwungen, den Vertrag mehrfach zu
verlängern.
Am 01.02.1999 demonstrierte die Stadtverwaltung jedoch ihre Macht, indem sie
vor den Augen der protestierenden AZ-SympathisantInnen mit dem Abriss des
Gebäudes begann. Damit endete der achtjährige erfolgreiche Betrieb des
selbstverwalteten Zentrums ersatzlos, obwohl Oberbürgermeisterin Beate Weber dem AZ
mehrfach gleichwertige Räume versprochen hatte.

Der Kampf für ein neues AZ geht weiter!
Doch die Hoffnung der Stadt Heidelberg, mit der Zerstörung des Zentrums
würde sich auch das „Problem AZ“ lösen, hat sich nicht erfüllt.
Stattdessen geht der Kampf für ein neues Gebäude mit zahlreichen Aktionen weiter,
zu denen neben den bundesweiten Demos in den beiden vergangenen Jahren auch
die „Test-Your-AZ“-Besetzungsparties gehören sowie die Besetzung
des früheren Rangierbahnhofs im Februar 2000.
Versuche von Seiten des AZ, Verhandlungen mit der Stadtverwaltung zu führen,
werden regelmäßig abgeblockt; inzwischen behauptet die OB sogar, das AZ sei
freiwillig aus laufenden Verhandlungen ausgestiegen. Entgegen den Angaben der
Stadt, es seien keine geeigneten Räumlichkeiten vorhanden, gibt es durchaus
Gebäude, die für ein neues AZ in Frage kommen.
Zu diesen gehört auch die ehemalige Gaststätte „Hildes
Hellebäch‘l“, die sich im Besitz der Stadt befindet und am 22.11.2000 auf Grund
von Pachtschulden zwangsgeräumt wurde. Das Autonome Zentrum hat mehrfach
Interesse an dem Gebäude gezeigt, und der frühere AZ-Trägerverein hat sich bei
der öffentlichen Ausschreibung beworben, ohne allerdings bisher eine Antwort zu
erhalten.
Zusätzlich fanden in den letzten Monaten in und an der ehemaligen Gaststätte
mehrere öffentlichkeitswirksame Aktionen statt, die jeweils von einem
enormen Bullenaufgebot begleitet waren. So wurde am Abend vor der Zwangsräumung der
bisherigen Pächterin eine AZ-Soliparty in den dortigen Räumen veranstaltet,
die am Morgen in ein Besetzungsfrühstück überging. Am 09.12.2000
organisierten AZ-SympathisantInnen in dem jetzt leerstehenden Gebäude eine spontane
Volxküche, aus der sich wegen des regen Zulaufs bald eine Test-Your-AZ-Party
entwickelte. Angesichts verstärkter öffentlicher Repressionsdrohungen für den Fall
eines erneuten Besetzungsversuchs verlagerte die nächste Aktion am
13.01.2001 ihren Schwerpunkt: das „Test Your Playground“ stellte das
angrenzende Freizeitgelände in den Mittelpunkt, und mit der anschließenden
Spontandemo wurde die Forderung nach einem neuen AZ in die Innenstadt getragen.
Trotzdem versucht die Stadt Heidelberg weiterhin, das Problem auszusitzen,
indem sie die Forderung, das frühere Versprechen für ein gleichwertiges
Ersatzgebäude endlich einzulösen, ignoriert und die AZ-SympathisantInnen zunehmend
Repressionen unterwirft.

Bedrohung selbstverwalteter Zentren in Baden-Württemberg
Doch auch in anderen Städten Baden-Württembergs zeichnen sich derartige
Tendenzen ab: so ähneln sich die städtischen Maßnahmen gegen selbstverwaltete
Zentren nicht nur, sondern werden teilweise sogar durch behördliche Absprachen
auf den gleichen Stand gebracht. Hintergrund dieses Vorgehens ist der Versuch,
Innenstädte oder Städte überhaupt in größerem Rahmen kapitalistischen
Vermarktungsstrategien unterzuordnen und sie auf diesem Wege in
„Sicherheitszonen“ zu verwandeln. Selbstverwaltete Zentren stören diese Zonen, weil
sie in den meisten Fällen Ausdruck kollektiven Widerstandes gegen dahin
gehende Umstrukturierungsmaßnahmen sind, und werden von den jeweiligen
Stadtverwaltungen zunehmend unter Druck gesetzt, in ihrer Existenz bedroht oder
zerstört. Der Aufbau neuer Zentren wird durch eine Vielzahl von Strategien erschwert
oder verhindert, die vom Versuch einer Kontrolle durch städtische
Institutionen bis hin zu brachialen Repressionen gegenüber den engagierten Initiativen
reichen und von Verleumdungskampagnen in den Lokalzeitungen begleitet werden.

Zur Situation selbstverwalteter Zentren in Baden-Württemberg:

Das Mannheimer Jugendzentrum in Selbstverwaltung „Friedrich
Dürr“ (JuZ)
Das seit nahezu 30 Jahren existierende JuZ Mannheim wurde zwar nicht
zerstört, aber aus seiner optimalen innerstädtischen Lage in die Peripherie
gedrängt. Zudem haben drastische, v.a. von der CDU durchgeboxte Kürzungen der
städtische Zuschüsse mittlerweile dazu geführt, dass der JuZ-Betrieb nur noch unter
schlechten Bedingungen aufrecht erhalten werden kann. Allem Anschein nach
versucht die Stadt Mannheim, den ohnehin fast ausgetrockneten Geldhahn vollends
zuzudrehen, was das Aus bedeuten würde.

Die „Ex-Steffi“ in Karlsruhe
Die „Ex-Steffi“ ist ein unabhängiges Wohn- und Kulturprojekt, in
dem permanent 20-25 Leute leben. Das jetzige Haus in der Schwarzwaldstraße
(bis 1997 in der Stephanienstraße) gehört zum Gelände Hauptbahnhof Süd, das
als „Filetstückchen“ der Stadt etabliert werden soll. Einen ersten
Vorgeschmack auf die kommende Umstrukturierung stellte der brachiale
Polizeieinsatz am 16.12.2000 dar, bei dem direkt an die „Ex-Steffi“
angrenzende Räume unbewohnbar gemacht wurden. Dieser seit Kurzem leerstehende
Gebäudeteil war zuvor mehrfach der „Ex-Steffi“ als Erweiterung in
Aussicht gestellt worden. Ihre Zerstörungsaktion rechtfertigte die Stadt mit dem
Verdacht, die Räume seien besetzt worden, um Wohnraum für kürzlich geräumte
HeidelbergerInnen zu schaffen – absurd angesichts der Tatsache, dass
das AZ nie bewohnt wurde.

Der „Kulturtreff in Selbstverwaltung“ (KTS) in Freiburg
Seit Ende 1998 befindet sich die KTS Freiburg in einem noch teilgenutzten
Betriebswerk der Deutschen Bahn – unter anderem Ergebnis mehrerer
Besetzungsaktionen. Der KTS bietet Vernetzung und die nötige Infrastruktur für
politische Gruppen sowie die Möglichkeit, sich kulturell oder sozial zu betätigen.


Das Autonome Zentrum „Schlauch“ in Pforzheim
Genau wie das AZ Heidelberg wurde das bedeutend ältere Schlauch –
ersatzlos – dem Erdboden gleichgemacht, obwohl mit zahlreichen
öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Demos für den Fortbestand gekämpft worden war. Zwar
„durften“ Schlauch-AktivistInnen dann noch mögliche Ersatzräume
mit der Stadt besichtigen, doch schließlich lehnte der Gemeinderat das
potenzielle Gebäude doch ab.

Das „Bedingt Autonome Zentrum“ in Stuttgart
Stuttgart hat wieder ein Autonomes Zentrum, allerdings nur
„bedingt“, weil es vom Verein „Zentralkultur“ gemietet werden musste.
Dementsprechend zählt es nicht zu den größten Zentren, bietet aber
verschiedenen Gruppen Räume. Allerdings gibt es auch hier zunehmend Stress mit
AnwohnerInnen, insbesondere mit der direkt über dem BAZ wohnenden Vermieterin.


Gegen die Politik der „sauberen Innenstädte“ und den Ausbau des
Polizeistaats!
Die Politik der Stadtverwaltungen gegenüber den Zentren ist keineswegs ein
isoliertes Phänomen, sondern muss im Kontext des Konstrukts der „Inneren
Sicherheit“ betrachtet werden, das z.B. mit „Gegen Schmutz und
Schmierereien“-Kampagnen auf baden-württembergischer Kommunalebene
vorangetrieben wird. Damit soll ein sauberes, konsumorientiertes Stadtbild
aufrecht erhalten werden, das frei von störenden Einflüssen durch nicht-verwertbare
Bevölkerungsgruppen ist, zu denen beispielsweise MigrantInnen, Obdachlose,
Junkies, SprayerInnnen und Punks gezählt werden.
Dieses Konzept der „sauberen Innenstädte“, aus denen linke
Treffpunkte oder Menschen, die nicht über die entsprechende Kaufkraft verfügen
oder als Stadtbild beschmutzende „Schandflecke“ marginalisiert
werden, vertrieben werden, wird durch elektronisch gestützte Ausgrenzungstaktiken
ergänzt. Mannheim stellt bereits seit geraumer Zeit eine Modellstadt in
Sachen (Video-)Überwachung dar, ein Beispiel, dem auch andere Städte in
Baden-Württemberg folgen sollen. Die Überwachung öffentlicher Räume, die keineswegs
einen Rückgang der Kriminalität, sondern höchstens eine Verlagerung mit sich
bringt, wird hauptsächlich zur Verfolgung von Bagatelldelikten und zur
Erstellung von Bewegungsprofilen unliebsamer Personen benutzt.
Gerechtfertigt wird dieses Vorgehen durch Extrembeispiele wie sexualisierte
Gewalt gegen Kinder und konstruierte Bilder der „organisierten
Kriminalität“, die von PolitikerInnen, Presse und Polizei herangezogen werden,
um die im kapitalistischen Akkumulationsregime bereits vorhandenen
Bedrohungsszenarien in der Bevölkerung dramatisierend zu ergänzen. Über gemeinsame
Abwehrmaßnahmen gegen „die Anderen“ soll staatliche Überwachung als
Teil einer integrierenden „corporate identity“-Strategie eine
Symbiose mit dem Denunziationswillen des Großteils der deutschen Bevölkerung
eingehen.
Diejenigen, die der massive Ausbau des autoritären Polizeistaates
erwartungsgemäß als Erste trifft, sind selbstverständlich nicht die an umfassender
Sicherheit interessierten BürgerInnen, sondern die oben genannten
AußenseiterInnen, zu denen vor allem die ökonomisch unerwünschten Flüchtlinge gehören, die
Opfer der staatlichen Instrumente rigoroser Vertreibung, sozialen Ausschlusses
und wohlstandschauvinistisch codierter Ausgrenzung werden.

Für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg!
Für den Aufbau und Erhalt selbstverwalteter Zentren in Baden-Württemberg!
Gegen die Politik der „Inneren Sicherheit“ und den Ausbau des
Polizeistaats!


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 http://www.autonomes-zentrum.org

 

12.05.2001
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