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Erfurt: Keine Beugehaft !

KEINE BEUGEHAFT!


- Aufruf zur Solidarität -
Am 7. Mai sind vor das Erfurter Amtsgericht drei Student(inn)en des
Fachbereiches Sozialwesen an der Fachhochschule Erfurt geladen. Sie sollen
dort als Zeug(inn)en wegen Sachbeschädigung und versuchter Brandstiftung gehört
werden.
Bereits im März waren sie zur Staatsanwaltschaft Erfurt geladen worden, wo
zwei von den jetzt wieder Vorgeladenen jede Aussage verweigerten. Am 23.
März
waren 5 Student(inn)en vorgeladen, von denen drei die Aussage
verweigerten.
Gegen alle drei wurden Bußgelder in Höhe von 300,-DM verhängt. Wenn die
Vorgeladenen auch vor Gericht die Aussage verweigern, drohen ihnen maximal
sechs
Monate Beugehaft, auch wenn die Verhängung der vollen Strafe
unwahrscheinlich
ist.

Die Vorgeschichte:
Im Dezember 1999 warf eine Gruppe - die sich selbst autonome
DekorateurInnen
nannte - mehrere Farbbeutel auf das Erfurter Innenministerium. Mit dieser
Aktion richtete sich die Gruppe gegen die Verhaftung dreier Menschen aus
Berlin
und Frankfurt, denen Mitgliedschaft bei den Revolutionären Zellen
vorgeworfen wurde. In diesem Zusammenhang wurde das linke Kultur- und
Politikzentrum
Mehringhof in Berlin durchsucht und erheblicher Sachschaden angerichtet.
Gefunden wurde nichts.

Im Januar 2000 meldeten die Medien einen Brandanschlag auf das Erfurter
Innenministerium, zu dem sich bis heute niemand bekannt hat. Bis auf einen
Brandfleck auf dem Boden vor dem Eingang entstand kein Sachschaden.
Außerdem
behandelt das Verfahren Sprühereien und Plakate in Erfurts Innenstadt.

Zunächst wurde ein Verfahren nach Paragraph 129 (Bildung einer kriminellen
Vereinigung) eingeleitet. Dieses Verfahren wurde später umgewandelt, weil
der
Generalbundesanwalt ablehnte es zu übernehmen: Es läge kein Verdacht auf
eine
kriminelle Vereinigung vor.

Der einzige Zusammenhang zwischen den "autonomen DekorateurInnen" und den
vorgeladenen Student(inn)en ist die linke Zeitschrift "Spunk" aus Erfurt.
Diese
wird anonym hergestellt und hat ein Postfach beim Fachschaftsrat
Sozialwesen
der Fachhochschule Erfurt. Der Fachschaftsrat Sozialwesen gibt diese
Zeitung
aber nicht heraus, er stellt nur diese Postadresse zur Verfügung. Die
Gruppe
"autonome DekorateurInnen" ließ der Zeitung ein BekennerInnenschreiben zu
ihrer Farbbeutelaktion zukommen, welches diese im Januar 2000 abdruckte.
Alle 3
Student(inn)en waren oder sind im Fachschaftsrat Sozialwesen an der FH
Erfurt tätig.

Unsere Einschätzung der Situation:

Der Paragraph 129, sowie seine Verschärfung § 129a (Bildung einer
terroristischen Vereinigung), ist in der deutschen Rechtssprechung
einmalig. Durch ihn
ist die Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt, da kein konkreter
Einzeltatnachweis nötig ist. Mit diesen Paragraphen haben die Behörden
weitreichende
Möglichkeiten Grundrechte einzuschränken und zu ermitteln: vereinfachte
Hausdurchsuchungen, Observationen, Abhören und Postkontrolle. DieVerurteilungsquote
liegt bei unter 5%. In der Vergangenheit dienten die §§ 129/129a immer
wieder dazu linke Strukturen zu durchleuchten und zu kriminalisieren.
Gegen die
Antifaschistische Aktion Passau lief etwa jahrelang ein solches Verfahren,
bis
festgestellt wurde, dass sich die Gruppe im legalen Rahmen bewege und das
Verfahren eingestellt wurde.

Auch wenn es kein § 129 Verfahren mehr gibt, bleibt die Intention für uns
die selbe. Der gewählte Ermittlungsweg, also über die Fachschaft
Sozialwesen an
die PostfachhalterInnen, über die PostfachhalterInnen an die Zeitung, über
die Zeitung an die Gruppe, unterstreicht dieses. Vor einer Aufklärung des
Falles, steht die weitreichende Durchleuchtung linker Strukturen und
Zusammenhänge in Erfurt. Diese Durchleuchtung kann wieder als Ansatz zur
Kriminalisierung
der linken Szene in Erfurt dienen.

Unsere Forderungen:

Keine weiteren Zwangsmittel gegen die vorgeladen Zeug(inn)en. Vor allem:
Keine Beugehaft. Menschen in das Gefängnis zu sperren, weil sie nicht
bereit
sind zu reden, weil sie nicht bereit sind über ihre MitstudentInnnen und
linke
Strukturen zu reden, lehnen wir ab. Die Vorgeladen sollen aus ihren
sozialen
> Strukturen gerissen und in eine Zelle gesperrt werden, nur weil sie
schweigen.
Das darf nicht passieren.

Wir rufen Euch/Sie dazu auf gegen die Beugehaftdrohung und -umsetzung beim
zuständigen Gericht und Staatsanwalt zu protestieren (Fax Nummern &
Vorschlag
für ein Protestfax siehe unten). Des weiteren rufen wir Euch/Sie dazu auf
am
7. Mai ab 9.00 Uhr mit uns gemeinsam vor dem Erfurt Amtsgericht (Am
Johannestor 23, EF) gegen Beugehaft zu demonstrieren und den Vorgeladenen
unsere
Solidarität zum Ausdruck zu bringen.

Thüringer Antirepressionsgruppe (27. April 2001)

Wir sind zu erreichen:
Per Email:  targ00@gmx.net
Per Telefon (im Infoladen Sabotnik): 0361-2118712
Freitag 27.April: 14-16 Uhr
Montag 30.April: 11-13 Uhr
Dienstag 1.Mai: 16-19 Uhr
Mittwoch 2.Mai: 11-13 Uhr
Donnerstag 3.Mai 16-19 Uhr

Fax-Nummer: Amtsgericht Erfurt 0361-3776000
Fax-Nummer: Staatsanwaltschaft Erfurt 0361-3776400

Vorschlag für ein Protestfax:

Am 23. März wurden 5 Zeug/inn/en von der Erfurter Staatsanwaltschaft
verhört. Anlass war ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter
Brandstiftung sowie
Sachbeschädigung. Drei der Zeug/inn/en verweigerten jede Aussage. 2 von
ihnen
haben am 7. Mai Vorladungen zum Amtsgericht Erfurt bekommen. Zu der bisher
verhangenen Ordnungsstrafe von 300 DM kann nun noch Beugehaft verhangen
werden.
Es liegt in Ihrer Verantwortung, daß das nicht passiert.

Menschen, nur weil sie nicht wider andere Personen aussagen, ins Gefängnis
zu sperren, ist falsch. Wir fordern von Ihnen, vom Zwangsmittel der
Beugehaft
Abstand zu nehmen.

In diesem Fall wurde zunächst nach Paragraph 129 ermittelt. Erst als der
Generalbundesanwalt ablehnte, das Verfahren zu übernehmen wurde es
umgewandelt.
Die Paragraphen 129 und 129a sind einmalig in der deutschen Rechtsordnung,
da
die Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt wird, da ein Einzeltatnachweis
nicht erfolgen muss.

Die Ermittlungen nach jenen Paragraphen erlauben es zusätzlich noch,
Grundrechte massiv einzuschränken, ohne dass die Betroffenen überhaupt
darüber
informiert werden. Die Tatsachen, dass es lediglich in 5 % der Fällen zu
einem
Urteilsspruch kommt und der Paragraph vor allem gegen linke Gruppen
angewandt
wird, zeigen dass es vor allem darum geht, Informationen über politische
Opposition zu sammeln. Die Aussage in diesem Zusammenhang zu verweigern,
heißt sich
gegen die Kriminalisierung linker Politik und die Einschränkung von
Grundrechten zu stellen.
Es liegt in Ihrem Ermessensspielraum, ob Beugehaft angewendet wird. Wir
fordern Sie auf das nicht zu tun.

 

03.05.2001
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