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Spanien: Der Schlauch

Spanien: Der Schlauch

Der Isolationstrakt im Puerto II Knast, in welchem Simon "Jaime"
Quintela und 15 weitere baskische Gefangene die letzten 7 Jahre
verbracht haben, wird "der Schlauch" genannt. Und dies nicht ohne
Grund, denn die Raeumlichkeiten aehneln sehr einem wirklichen Schlauch
und vermitteln dir das gleiche Gefuehl, wie wenn sie dich in einen
Schlauch stecken. Es handelt sich dabei um ein rechteckiges
Untergeschoss mit 40 Metern Laenge und 13 Metern Breite. Ein schmaler,
zwei Meter breiter Gang trennt die 16 Einzelzellen voneinander. Alles
was die hier Inhaftierten durch ihr kleines Fenster sehen koennen ist
eine Wand. Dies hat im Fall von Jaime dazu gefuehrt, dass er einen
Teil seiner Sehfaehigkeit verloren hat und nun auf jedem Auge Dioptrik
8 hat.
Die Zellen sind viereckige Boxen in der Groesse von 3 auf 2 Meter, in
denen sich ein Bett, ein kleines Waschbecken, eine sichtbares WC
(somit keine Privatsphaere), ein kleiner Tisch und ein am Boden
fixierter Stahlstuhl befinden. Der Tisch ist so klein, dass nicht
einmal das Essensplateau draufpasst. Es ist unmoeglich diesen kleinen
Tisch zum Lesen oder Studieren zu benutzen, weil nicht mal ein offenes
Buch oder ein Notizheft Platz hat. Zudem ist der Stuhl zu weit vom
Tisch entfernt und besitzt keine Rueckenlehne, was dazu fuehrt, dass
die Gefangenen rasch an Rueckenschmerzen leiden. Aus diesen Gruenden
wird dieser Tisch nur sehr selten benutzt. Zum Lesen und Studieren
sitzen die Gefangenen auf ihren Betten und plazieren ihre Notizen auf
ihren Knien.
Alle Zellen besitzen aus "Sicherheitsgruenden" eine zweite Tuer. Es
handelt sich dabei um eine Stahltuer mit zwei rechteckigen Oeffnungen.
Eine befindet sich in Brusthoehe, und wird dazu benutzt den
Inhaftierten Dokumente und Papiere durchzuschieben. Die andere
Oeffnung am Fusse der Tuer dient der Nahrungsausgabe. Im Schlauch
werden die Haeftlinge regelrecht wie Tiere im Zoo gefuettert. Die
Forderungen der Gefangenen und ihrer UnterstuetzerInnen ihr Essen in
einer wuerdevollen und menschlichen Art und Weise zu erhalten, wurde
bis dato nicht erfuellt.
Die Zellen sind feucht und kalt. Die Tatsache, dass der Schlauch unter
der Erdoberflaeche liegt fuehrt dazu, dass bei Regen immer wieder
Wasser in die Zellen flutet. Aus diesem Grund sind die Waende staendig
feucht und muffig. Darueber hinaus gibt es keine Heizung in den Zellen
und den Haeftlingen ist es nicht erlaubt einen eigenen Heizkoerper zu
kaufen oder andere Mittel zu benutzen sich zu waermen.
Der Hof fuer den Ausgang der Inhaftierten ist wie eine Box, knapp 12
auf 10 Meter gross. Er befindet sich ebenfalls etwas unter der
Erdoberflaeche, umrandet von all den anderen Gefaengnisgebaeuden. Es
ist sehr schwierig den Himmel von diesem Hof aus zu sehen; mensch muss
vertikal hinaufschauen und dann sieht mensch nur ein kleines Viereck
Himmel. Ueber viele Jahre hinweg sind Jaime und die anderen Gefangenen
eine Stunde am Tag auf diesen Hof hinausgegangen. Nach dem
Inkrafttreten der neuen Knastregeln koennen sie diesen winzigen Hof
nun 4 Stunden pro Tag betreten. Wie grosszuegig die Herrschenden doch
sind! 4 Stunden in dieser Kiste, ohne irgend etwas herum, 7 Menschen
die 12 Schritte rauf und wieder 12 Schritte runter marschieren.
Die Sonne scheint nur eine Stunde am Tag in diesen Hof hinein. Am 5
Uhr Nachmittags ein klein wenig Sonne in einer der Ecken. Wenn sie
Glueck haben duerfen sie genau zu dieser Zeit in den Hof hinaus, dann
werden sie diese Sonnenstrahlen sehen. Wenn nicht... dann eben nichts.
Von der Zelle in den Hof und wieder zurueck in die Zelle. Dieser
routinemaessige Ablauf wird nur dann unterbrochen wenn Besuch kommt,
und wenn sie zweimal die Woche fuer eine Stunde mit weiteren 8
Mitgefangenen zum Sport gehen duerfen. Sie sehen niemensch anderen, da
sie gleich nach dem Mittagessen gehen, eben wenn die anderen
Inhaftierten gerade auf ihren Zellen sind. Die Gefangenen aus dem
Schlauch sind alleine im Sportraum, lediglich in Gesellschaft der
Schliesser. Die 7 bis 8 Gefangenen versuchen ihre Zeit so gut wie
moeglich zu verbrauchen: sie spielen Federball, laufen oder betaetigen
sich an den Gewichten. Sehr oft hat die Person, die den Schluessel zum
Kraftraum hat, "keine Zeit"... Auf diese Weise verstreichen Tage,
Monate, Jahre...
Trotz der Tatsache, dass Jaime am Korsakoff-Syndrom leidet, ist er
waehrend der letzten 8 Jahre kein einziges Mal im Krankenhaus gewesen,
um einen Spezialisten oder eine Spezialistin zu sehen. Die AerztInnen
des Puerto II Knastes verschreiben Jaime lediglich eine zusaetzliche
Vitamin B12 Gabe. Die Gefaengnisleitung behauptet, dass Jaime nicht
aus Sicherheitsgruenden ins Krankenhaus gebracht werden kann.
Im Schlauch werden die Inhaftierten dazu gezwungen von den
KnastaerztInnen in dem schmalen Gang besucht zu werden. Die Gefangenen
in ihren Zellen und die AerztInnen draussen im Flur. Die Untersuchung
findet durch eine Metalltuer mit Gitterstaeben statt. Unter diesen
Umstaenden akzeptieren die Inhaftierten nur in Extremfaellen den
Besuch bei den AerztInnen.

Ich kann die Tuer nicht oeffnen... Gibt es vielleicht ein noch engeres
Grab? Nur am Blinzeln der Schliesser durch das Guckloch realisiere
ich, dass ich am Leben bin.


Uebersetzt von ABC Innsbruck

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23.04.2001
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