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Marburg: "Burschentag" am 7.04

Vom 6.-8. April lädt die "Deutsche Burschenschaft" (DB) Delegationen ihrer
Mitgliedsburschenschaften aus der BRD und Österreich zu einem
"außerordentlichen Burschentag" nach Marburg ein. Aus diesem Anlass wird es am Samstag, den
07. April eine breite Demo des "Marburger Bündnisses gegen Rechts" mit einem
Antifa-Block geben. Beginn ist um 9:00 Uhr an der Stadthalle in der
Biegenstraße (10 Min. zu Fuß vom Bahnhof). Im Folgenden noch ein paar Informationen zu
dem Burschentag und der Deutschen Burschenschaft (DB).

Worum geht es beim außerordentlichen Burschentag in Marburg?

Die Mitgliedschaften der DB werden in Marburg eine Vereinssitzung abhalten,
bei der die desolate Finanzlage rund um das "Burschenschaftsdenkmal" und das
angegliederte "Berghotel" in Eisenach Hauptthema sein wird.
Das Denkmal steht auf einem Hügel in Eisenach, der "Göpelskuppe". Der Berg
befindet sich über diverse juristische Eigentumskonstruktionen in der Hand der
DB. Dort befindet sich jedoch nicht nur das vor 100 Jahren erbaute ca. 30m
hohe "Burschenschaftsdenkmal", sondern auch der "Langemark-Gedenkstein".
Einmal pro Jahr stehen anlässlich des Burschentages auf der "Göpelskuppe"
uniformierte Korporierte: Im Fackelschein und unter Absingen aller drei Strophen des
"Deutschlandliedes" sowie zur Musik des Liedes "Ich hatte einen Kameraden"
gedenken die Burschenschafter am "Langemark-Gedenkstein" ihrer "gefallenen
Kameraden" in faschistischer Tradition.
Sollte es auf Dauer der DB nicht gelingen, die "Göpelskuppe" samt ihrer
Bauwerke zu finazieren, würde ihr nicht nur ein elementarer Repräsentationsort
fehlen, sondern auch ein Ort revisionistischer und militaristischer
Traditionspflege.

Was ist die "Deutsche Burschenschaft" (DB)?

Die DB ist nicht irgendein studentischer Traditionsverein, sondern der
rechteste Rand der völkisch-reaktionären und männerbündischen Korporationen.
Wesentliche Grundpfeiler burschenschaftlichen Denkens waren vor rund 200 Jahren,
wie auch heute noch, ein Nationalismus, der auf völkischem Gedankengut
basiert, sowie ein stark ausgeprägter Antisemitismus. Mit verschiedenen
geschichtsrevisionistischen Darstellungen versuchen studentische Korporationen immer
wieder ihren Anteil an gesellschaftlich relevanten Geschehnissen aus der
Vergangenheit in einem angenehmen Licht erscheinen zu lassen. Da wäre z.B. die Mär
der "fortschrittlichen Kraft" zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die
Burschenschaften wandten sich gegen Kleinstaaterei und setzten sich für die "Einheit
Deutschlands" ein.
Die Korporationen und besonders die Burschenschaftler waren maßgeblich am
anwachsenden antisemitischen Denken im 19. Jahrhundert beteiligt, was sich
bereits beim "Wartburgfest" in Eisenach im Jahre 1817 anhand von
Bücherverbrennungen zeigte. Außerdem spielten die Burschenschaften, wie andere Korporationen
auch, auf ideologischer Ebene eine wesentliche Rolle als Wegbereiter des
deutschen Faschismus. Deutlich sichtbar wurde dies an der umfassenden
Beteiligung der Korporationen am Kapp-Putsch, sowie bei den Morden von Mechterstädt
1920 durch das Studentenkorps Marburg. Die Korporationen waren mitverantwortlich
für den Aufbau nationalsozialistischer Strukturen an den Universitäten. Im
Wege der "Gleichschaltung" gesellschaftlicher Gruppierungen außerhalb der
NSDAP kam es auch zur "Auflösung" der Korporationen. Danach bestanden diese
zumeist als "Kameradschaften" fort. Die "Auflösung" geschah jedoch nicht, wie
beständig in revisionistischer Absicht von den Korporationen dargestellt wird,
aus inhaltlichen Erwägungen. Weite Teile der korporierten Studentenschaft waren
an der Gründung des "Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes"
(NSDStB) und an der "Arisierung" der Hochschulen beteiligt.
Diesem Umstand trugen die Alliierten durch das Verbot aller Korporationen
1947 Rechnung, wobei sie die Verbindungen als "nationalistische, reaktionäre
oder paramilitärische" Organisationen charakterisierten.
Eine kritische Auseinandersetzung der Korporationen mit ihrer eigenen
Geschichte hat bis heute nicht stattgefunden. Im Gegenteil: In beständiger Folge
tauchen bei Sitzungen der DB anlässlich der "Burschentage" in Eisenach
Forderungen des rechten Flügels auf, die die Streichung der Naziverbotsgesetze
verlangen. So setzten sich z.B. beim Burschentag 1999 mehrere Korporationen für die
Straffreiheit der Auschwitzleugnung ein. Auf der anderen Seite führt die
deutsche Burschenschaft das angebliche "Verbrechen der Vertreibung" durch die
"Benes-Dekrete" an, wenn von "Verbrechen im 20. Jahrhundert die Rede ist. Die
treibenden Kräfte innerhalb des radikal-völkischen Flügels der DB gruppieren
sich um die 1961 gegründete "Burschenschaftliche Gemeinschaft" (BG), deren
anliegen es war, den österreichischen Burschenschaften die Mitgliedschaft in der
DB zu ermöglichen. Die österreichische Burschenschaften, die seit Mitte der
70er Jahre Mitglied in der DB werden können, bestimmen den rechten Flügel
innerhalb der DB maßgeblich mit.
Mitte der 90er Jahre traten Teile des rechtskonservativen Flügels im Rahmen
einer zunehmenden Machtverschiebung zu Gunsten des radikal-völkischen Flügels
aus der DB aus. Dieses Spektrum organisiert sich seither in der "Neuen
Deutschen Burschenschaft" (NDB).

Die NPD und deren Hochschulorganisation in der "Deutschen Burschenschaft"

So war es z.B. vor Jahren noch problematisch, NPD-Mitglied zu sein und
zugleich ein burschenschaftliches Amt zu bekleiden, so stellt diese
Parteimitgliedschaft bei vereins-internen Wahlen mittlerweile kein Hindernis mehr dar.
Korporierte sind sowohl in neofaschistischen als auch in
bürgerlich-konservativen Einrichtungen, Vereinigungen und Arbeitszusammenhängen federführend. Die
Zusammenarbeit in der DB hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen
Rechtskonservatismus und dem Rechtsextremismus verschwimmen. Die NPD mit ihrer
studentischen Organisation dem "Nationaldemokratischen Hochschulbund" (NHB) versucht
zunehmend, Einfluss auf die Politik der DB auszuüben.
Die burschenschaftliche Szene um den NHB stellt den ideologischen Background
neofaschistischer Gruppierungen dar. Unter lokalen Gesichtspunkten wäre z.B.
der Giessener Bursche Jürgen Gansel (NPD) zu nennen, der im Bundesvorstand
des NHB sitzt und dessen Geschäftsführer ist. Unter ideologischen
Gesichtspunkten wäre als Beispiel das vom NHB ausgearbeitete und seit dem
Antifa-Sommer-Hype hinreichend bekannte Konzept der "National befreiten Zonen" anzuführen.
Innerhalb der aufgesplitterten rechten Gruppierungen nimmt das
burschenschaftliche Spektrum aber auch eine Scharnierfunktion ein. Die Burschenschaften
verstehen sich als "überparteilich", was soviel bedeutet, dass unter dem Dach
der DB nach rechts viel Platz ist. Folglich ist es kein Zufall, dass in
rechten Publikationen wie der "Jungen Freiheit", "Nation und Europa", sowie in der
NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" regelmäßig Zimmerangebote verschiedener
Burschenschaften zu finden sind.

Welche Rolle spielt die Marburger Burschenschaft Rheinfranken im
Korporationsspektrum?

Die Rheinfranken haben derzeit den jährlich wechselnden Vorsitz der DB
inne. Im burschenschaftlichen Spektrum sind die Rheinfranken eher dem rechten
Flügel mit radikal-völkischen Ansichten zuzuordnen. Die Rheinfranken sind jedoch
nicht Mitglied in der "Burschenschaftlichen Gemeinschaft", die den rechteren
Flügel weitestgehend dominiert.
Die politische Brandbreite bei den Rheinfranken reicht über den rechten
Flügel der "CDU", über die "Republikaner", den mittlerweile aufgelösten "Bund
freier Bürger", die "NPD" bis hinein in das neofaschistische und neonazistische
Spektrum der "freien Kameradschaften", wie z.B. der "Kameradschaft Northeim",
bzw. der schon mehrfach in Marburg in Erscheinung getretenen "Sauerländer
Aktionsfront" (SAF). Aus diesen verschiedenen rechten Spektren speist sich
auch, der Großteil der Referenten, die regelmäßig bei den Rheinfranken zu Gast
sind.
Zur Verdeutlichung ein kleine Auswahl:
- Claus Jäger ("Das Deutschlandforum und die Deutschlandpolitik")
- Herbert Hupka ("Ostdeutschland jenseits von Oder und Neiße -
Vergangenheit und Zukunft")
- Alfred Mechtersheimer ("Partei oder Bewegung - was kann Deutschland
retten?")
- Horst Mahler ("die Bewegung der 68er und deren nationale Gesinnung")
- Rigolf Henning ("Freiheitskampf in Südtirol")
Anhand der Referenten lässt sich erkennen, dass die Rheinfranken im
Einklang mit anderen Korporationen die Täterrolle Deutschlands im 20. Jahrhundert in
eine Opferrolle umdeuten wollen. Dementsprechend engagierten sich die
Rheinfranken zusammen mit anderen Burschenschaften gegen die Ausstellung über die
"Verbrechen der Wehrmacht von 1941 - 1944".
Neben diesen geschichtsrevisionistischen Zügen, fallen die Rheinfranken
immer wieder durch rassistische und antisemitische Vorfälle auf. Um diese
Vorwürfe verschleiern zu können, luden die Rheinfranken den mittlerweile
verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis, zu einem Vortrag,
dessen Anwesenheit die Rheinfranken wie eine Unbedenklichkeitsplakette der
Demokratie zu jeder passenden Gelegenheit vorbringen.
1994 referierte bei den Rheinfranken der Marburger Lehramtspensionär
Dietrich Gerwin, wobei dieser offen gegen die "Verschwörung des Weltjudentums"
hetzte. In die gleiche Richtung zielte auch 1999 der oben erwähnte Vortrag des
ehemaligen FDP-Mitgliedes Horst Mahler, der mittlerweile seine politische Heimat
bei der NPD gefunden hat.
Neben dieser rassistischen, antisemitischen und völkischen Ideologie beruht
burschenschaftliches Denken und Handeln maßgeblich auf männerbündische
Strukturen. Bei Burschenschaften sind Frauen aus dem politischen Bereich
ausgeschlossen und nur zu "gesellschaftlichen" Ereignissen zugelassen. Ein
biologistisches Geschlechterbild lässt sich nicht nur bei den Burschenschaften, sondern
bei allen studentischen Verbindungen finden.
Obwohl die "Rheinfranken" neben der "Germania" und der "Normannia-Leipzig"
den rechtesten Rand innerhalb des Marburger Korporationsspektrums darstellen,
darf nicht vergessen werden, dass die Erscheinungsformen von Rassismus,
Sexismus, Antisemitismus und des völkischen Nationalismus in der bundesdeutschen
Gesellschaft weit verbreitet und teilweise mehrheitsfähig sind. Eine sinnvolle
Bekämpfung des rechten Randes der Gesellschaft muss daher immer die
staatlichen und gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnisse mit berücksichtigen.

Demonstration gegen den Burschentag in Marburg

am Samstag, den 07.04.2001 / 9.00 Uhr

an der Stadthalle (Biegenstr.) / Marburg

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05.04.2001
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