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Wien: ANKLOPFEN NACH ART DER WEGA

ANKLOPFEN NACH ART DER WEGA ...
Am 23.02.2001 um. 5.00 drangen ca. 300 PolizistInnen gewaltsam ins Ernst
Kirchweger Haus ein. Grösstenteils vermummte WEGA-BeamtInnen sowie vermummte
Zivil-PolizistInnen und Kripo waren beteiligt. Anhand ihrer "szenemäßigen"
Kleidung wurden die vermummten Zivil-PolizistInnen als die von der Polizei
in die Demo eingeschleusten Provokateure, der gestrigen Anti-Opernballdemo,
erkannt. Die Polizei war offensichtlich für einen Terroreinsatz ausgerüstet.
Die BeamtInnen erschienen mit Stahlhelmen, Schildern, schweren Waffen,
Schutzwesten und Terrorausrüstung.
Die Polizei drang zunächst ins Beisl ein, indem noch einige GästInnen
verweilten. Die Menschen wurden mit Schildern zu Boden gedrängt und zum Teil
schwer misshandelt. Die Personalien wurden aufgenommen. Dann drangen die
PolizistInnen in den eigentlichen Wohnbereich ein. Der Lärm des brutalen
Einsatzes liess die BewohnerInnen eher auf einen Angriff von FaschistInnen
schliessen.
Die PolizistInnen der Sicherheitswache brachen die meisten Türen im Gebäude
auf. Einige BewohnerInnen wurden nackt aus ihren Zimmern geholt und mit
Schusswaffen bedroht. Fünf Polizisten in Zivil führten schließlich eine
Hausdurchsuchung durch. Ein grosser Teil der BeamtInnen wurde um 6.00 Uhr
wieder abgezogen, während einige offensichtlich auf eigene Faust durch die
Zimmer tobten. Der Einsatzleiter der WEGA war nicht ansprechbar. Ein
Hausdurchsuchungsbefehl konnte uns ebenfalls nicht vorgelegt werden. Erst um
7.00 Uhr bekamen wir ein formloses Papier zu sehen.
Die PolizistInnen zerstörten einen Computerbildschirm in einem privaten
Zimmer die meisten Türen im Wohnbereich und einiges an Mobiliar wurden
zerstört. Beschlagnahmt wurden einige Steine, eine Schleuder, orange
Abtönfarbe und Metall aus der Werkstatt, dass dort zum Boxenbauen für die
hauseigene Soundanlage gelagert ist. Gesucht wurde nach Gegenständen, die
bei der Demo verwendet worden seien. Wie die Polizei selbst unmittelbar nach
der Durchsuchung feststellte wurde nichts gefunden. Schnabel bezeichnete
mittlerweile die Aktion als übertrieben und meinte, er hätte falsche
Informationen erhalten.
Während des gesamten Einsatzes mussten die BewohnerInnen die ständigen
Beleidigungen und Drohungen der WEGA-PolizistInnen ertragen. Einige Aussagen
blieben im Gedächtnis:
"Heute gibt es keine Menschenrechte"
"Wenn der Gouverneur aus kärnten kommt, schaut es hier anders aus"
"Nach so einer Demo müssen wir ein Zeichen setzen"
(das übliche geschwätz von "linken ratten", "ausräuchern", "anzünden" und
ähnliche verbale kraftakte waren über drei stunden dauerzustand)
Leitende Beamte bedrohten in ihren Aussagen auch das gesamte Projekt EKH:
"Das ist sowieso ein Fall für die Baupolizei, das ist ein Scheisshaus und
wird sowieso geräumt."
Auf der Anti-Opernballdemo am 22. Februar 2001 wurden 42 Personen verhaftet.
Eine Person ist noch immer in Haft.
Wir fordern euch auf, sofort gegen die Einsätze der Polizei zu protestieren.
Wir lassen uns nicht einschüchtern.
einige vom ekHaus
( ekh@angelfire.com)


Das lánd denen die es bearbeiten
Die Produktionsmittel denen die sie benützen
Die Häuser denen die sie bewohnen


Nach der Opernballdemonstration vom 22.2.2001 der darauffolgenden
Hausdurchsuchung im Ernst Kirchweger Haus - EKH und der medialen Hetze
müssen wir wieder einmal einige Tatsachen klarstellen: Das EKH definiert
sich als Freiraum für kulturelle, politische und künsterlische Aktivitäten.
1990 wurde es von AktivistInnen der wiener HausbesetzerInnenszene und dem
linken türkischen Verein ATIGF besetzt.

Als internationalistisches, antifaschistisches, selbstverwaltetes Zentrum
erhielt es den Namen Ernst Kirchwegers, der in den 60er Jahren auf einer
antifaschistischen Demonstration ums Leben gebracht wurde. Innerhalb des
gesamten Hauses etablierten sich eigenständige Strukturen und Aktivitäten.
Die Flüchtlings- und MigrantInnenhilfsorganisation "Flughafensozialdienst
erhielt Räumlichkeiten für Not- und Übergangsquartiere. Ein Infoladen
(Cafeteria mit politischem Buch und Zeitungsangebot) eine öffentliche
Bibliothek und ein Archiv, ein Proberaum, ein Tonstudio und eine Werkstatt
entstanden. Der "Dachverband der jugoslawischen Vereine" und die Redaktion
der Zeitschrift TATblatt zogen ein. KINOKI zeigt Filme und Dokumentationen,
dass "Volxtheater Favoriten" produziert hier seine Opern. Konzerte,
Diskussionen und Solidaritätsveranstaltungen finden statt.

Im Haus leben Menschen aus aller Welt. Niemand der im Haus tätigen Menschen
arbeitet für seinen/ihren persönlichen Profit, sondern arbeitet unentgeltich
im Sinne des Gesamtprojekts. Subentionen und öffentliche Gelder bekommen wir
nicht und wollen wir auch nicht bekommen.

Durch unsere Arbeit unser Zusammenleben und politisches Engagement wollen
wir eine Alterntive nach aussen tragen, die die Trennung von Wohnen, Leben
und Arbeit überwindet. Begleitet wurde unsere Arbeit in all den Jahren durch
Überwachung und Bespitzelung und Hunderschaften von PolizistInnen die ab und
zu das Haus überfielen.
Das Haus versteht sich also als Ort der Diskussion, der Information und des
Widerstandes gegen die herrschenden menschenverachtenden Lebensbedingungen
hier und anderswo.

Soweit zu den Fakten, nun zu den Vorurteilen
Sind wir gewaltbereit weil wir uns mit Gewalttätigkeiten dieser Welt
auseinandersetzen, mit Polizeigewalt, FaschistInnen, Sexisten, Unterdrückung
und Ungerechtigkeit?

Sind wir ChaotInnen weil wir viele Arten zu leben akzeptieren, weil wir
versuchen uns all den grossen und kleinen gesellschaftlichen Zwängen zu
widersetzen oder weil wir nicht nur in Zeiten wie diesen zivilen Ungehorsam
einfordern?

Sind wir SozialschmarotzerInnen weil wir während wir uns genauso mühsam
durchs Leben schlagen wie die meisten Menschen gegen Arbeitszwang und
Leistungsdruck auftreten?

Und wenn linksradikal bedeutet, bestehende Verhältnisse an den Wurzeln zu
bekämpfen, dann sind wir auch das.


Offener Brief an Herrn Schnabl
Inhaber des goldenen Schlüssels zum EKH


Nach der Hausdurchsuchungim Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) vom 23.2.2001 rühmt
sich die Polizei die "Bastion der Autonomen", ein sog. "Chaotenzentrum
gestürmt zu haben. "Wilde Waffen" wurden beschlagnahmt.
Die Suche nach den berühmten "ausgehobenen Waffenlager der Anarchisten" war
laut späteren Angaben der Polizei ein sog. "voller Erfolg". Pflastersteine
von diversen politischen Agitationsreisen durch die halbe Welt und den
verschiedenen Ausbildungscamps in Lybien, Jordanien, Kuba, Sibirien und
Anares wurden vermessen und mit einer grösse von 10*10 cm befunden. Diese
Waffen wurden beschlagnahmt. Weitere wurden als Kerzen enttarnt und durften
bleiben. Weiters befanden sich im Waffenlager 5 Liter hochexplosive orange
Abtönfarbe. Zusätzlich sollen wir eine spezielle Wurftechnik entwickelt
haben. Es handelt sich dabei um das "Präzesionsschleuderkrähenweitwerfen",
dass bereits in den Medien präsentiert wurde. Wir konnten die Sportart
bisher leider nicht als olympische Disziplin einreichen, da die Richtlinien
noch nicht ausgearbeitet wurden. Tatsächlich haben wir keine Ahnung wie das
funktionieren soll.

Schluss mit lustig - die Lage ist ernst genug!
Im Zuge der Anti-Opernballdemo kam es zu schweren Angriffen seitens der
Polizei auf DemonstrantInnen. Nach Polizeiangaben vom 26.2.2001 wird gegen
90 Personen ermittelt. Eine Person befindet sich noch immer in U-Haft. Die
sog. "Strassenschlachten" waren Hetzjagden der Polizei auf DemonstrantInnen.
Dabei wurden 42 Personen verhaftet. Mittlerweile ist gesichert, dass viele
Personen bei ihrer Verhaftung und im Gefängnis geschlagen und misshandelt
wurden. Viele dieser Verhafteten waren Minderjährige, so sieht also die
Jugendarbeit der Stadt Wien aus.

Am frühen Morgen wurden dann linke Strukturen mit brachial Methoden
angegriffen und von Polizei und Medien kriminalisiert. Türen wurden
aufgebrochen, Menschen mit gezogenen Waffen aus den Betten gezerrt, in
Handschellen auf den Boden geworfen. Das ist der Versuch kritische Stimmen,
die herrschende Verhältnisse in Frage stellen mundtot zu machen. Nicht nur
in Wahlkampfzeiten muss sich eine rechts/rechtsextreme Regierung einer
breiten Basis sicher sein. In Österreich ist das harte Durchgreifen der
starken Hand eine lang bewährte Methode. Vordergründig mag es um die
Aushebung der halluzinierten Waffenlager gehen, aber angegriffen werden
bewusst linke Strukturen. Die Vorgehensweise kann nur dazu dienen, politisch
aktive Menschen einzuschüchtern und ein Exempel zu statuieren. Ein Autonomes
Zentrum wie das EKH ist nun mal ein leichter Angriffspunkt für staatliche
Willkürakte. Wir fragen uns aber auch, wer davon profitieren will. Nützen
wird es immer jenen die an der Macht sind, denn jede Regierung braucht
Menschen, aber kein Mensch braucht Regierungen. Für uns ist klar, dass diese
Tat auch jeder anderen Regierung zuzutrauen ist.
Widerstand beginnt, wo die vom repressiven Staat festgelegten Grenzen, die
definieren in welchem Rahmen demonstriert werden darf, überschritten werden.
Die Opposition muss hinter die Grenzen zurück geprügelt werden. Die
Ausschreitungen der Polizei am 22. und 23. Februar 2001 passen in das Bild
einer Regierung mit FPÖ-Beteiligung, die rassistische Übergriffe politisch
vorbereitet und durchführt, eine frauenverachtende Politik forciert und
Geschichtsrevisionismus betreibt. Eine solche Politik muss Protest in den
verschiedensten Varianten hervorrufen. Der legal mögliche Protest ist soweit
in staatliche und gesellschaftliche Strukturen eingebettet, dass er
unmöglich eine radikale Veränderung der Gesellschaft bewirken kann. Die
unterschiedlichen Formen des Protests gegen die herrschenden,
menschenverachtenden Lebensbedingungen sollten jedoch ein gemeinsames Ziel
haben: Die uneingeschränkte Möglichkeit aller sich frei zu bewegen und zu
leben in einer Gesellschaft die ohne Gewaltmonopol auskommt.

Für uns ist es unmöglich, die Proteste in Wien abgelöst von den weltweiten
Protesten gegen neoliberale Interessen zu sehen. Noch immer ist es so, dass
das reiche Europa von der seit Jahrhunderten bestehenden Ausbeutung eines
grossen Teils der Welt profitiert. Neoliberalismus wie ihn die
FPÖVP-Regierung verfolgt, verschärft die Unterschiede im weltweiten
kapitalistischen Gewaltgefüge.

Die Streichunegn der Subventionen für politische und kulturelle Projekte
haben letztlich den gleichen Zweck wie die Stürmung eines autonomen
Zentrums. Subventionen bekommen wir nicht und wollen wir auch nicht. Wir
wollen selbstbestimmen wie und wo wir leben und wie wir unsere Forderungen
formulieren und umsetzen. Es ist auch ein Versuch, trotz aller
Selbstkritiken, eine Gesellschaft ohne Kapitalismus zu denken und zu leben
lernen.

Wir lassen uns nicht einschüchtern - wir lassen uns nicht bremsen
Solidarität mit allen politischen Gefangenen - Für die sofortige Einstellung
aller Verfahren gegen die Anti-OpernballdemonstrantInnen

 

19.03.2001
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