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BRD: Das Handy als elektronische Fußfessel?

*Mit dem Handy orten erlaubt

KARLSRUHE ap Bei der polizeilichen Überwachung eines Handyanschlusses dürfen auch die Positionsmeldungen des Geräts erfasst werden. In
einem gestern vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss wurde klargestellt, dass der Betreiber auch dann über den Standort des
Überwachten informieren muss, wenn dieser nicht telefoniert hat. Ein Betreiber hatte sich
gegen eine vom Generalbundesanwalt beantragte Überwachung eines Anschlusses zur Wehr
gesetzt. Er war der Auffassung, nach der Strafprozessordnung dürften außer
Gesprächen keine sonstigen Daten erfasst werden. Der Richter hielt dem entgegen, dass der Gesetzgeber die Vorschrift bewusst für neue Techniken der Nachrichtenübertragung offen gehalten habe. (AZ: 2 BGs 42/2001)


*Mobile Überwachung
Das Handy als elektronische Fußfessel
Beschluss des Bundesgerichtshofs: Auch wer nicht telefoniert, kann kontroliert werden
Jost Müller-Neuhof in Tsp v. 9.3.01


"Hallo - wo bist du gerade?" Die Antwort auf die beliebteste
Einstiegsfrage bei Handy-Telefonaten interessiert nicht nur
Gesprächspartner. Auch Staatsanwälte möchten und dürfen das in
bestimmten Fällen wissen. Künftig dürfen sie es sogar wissen,
ohne dass überhaupt ein Wort gefallen ist. Handy anschalten, und
das Zielobjekt ist grob gepeilt. So hat es der Ermittlungsrichter am
Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag entschieden. Der
Beschluss kann jeden der rund 50 Millionen Mobiltelefonierer in
Deutschland treffen. 1999 wurden nach Angaben der
Bundesregierung immerhin 6443 Anschlüsse abgehört. Ordnet ein
Richter an, "die Telekommunikation" zu überwachen, heißt es bei
Mobilverbindungen ab jetzt: Es unterliegt der Kontrolle nicht nur
was jemand sagt, sondern auch wohin er geht. Mit dem Handy
sind wir ständig empfangsbereit - und ständig auf Sendung.
Technisch stellt dies die Ermittler vor keine Hürden. Um die
Verbindung herstellen und korrekt abrechnen zu können, sind die
Netzbetreiber über die Standorte ihrer Kundschaft laufend
informiert. Vorausgesetzt natürlich, das Gerät ist auf Stand-by.
Jeder D-1-Nutzer beispielsweise telefoniert T-Mobil zufolge aus
einer von 15 000 so genannten Funkzellen. Je nach Dichte der
Antennen haben die Zellen einen Radius zwischen 500 Metern und
fünf Kilometern. Wer in Ballungsräumen unterwegs ist und in einem
gut bestückten Netz telefoniert, lässt sich also besonders exakt
orten. Im jetzt entschiedenen Fall ermittelte der
Generalbundesanwalt wegen eines Spionageverdachts. Vom
Netzbetreiber verlangte er die Herausgabe der Positions-Daten des
Beschuldigten. Die Betreiber sind grundsätzlich verpflichtet, den
Behörden in Sachen Abhören auf eigene Kosten zu helfen. Dieser
jedoch wehrte sich. Der konkrete Standort eines Teilnehmers
gehöre nicht zu seiner "Telekommunikation". Früher stand an
dieser Stelle der Strafprozessordnung noch das Wort
"Fernmeldeverkehr". Man hat es ersetzt, damit die Strafverfolger im
großen Rauschen der modernen Medien handlungsfähig bleiben.
Der BGH-Ermittlungsrichter geht mit der Zeit. Neue Medien
eröffnen ihm auch neue Quellen für Untersuchungen. Dabei beruft
er sich auf die "Telekommunikations-Datenschutzverordnung".
Strafverfolger sollen danach Zugriff auf alle Daten haben, die nötig
sind, um den Mobilfunkkunden mit einem anderen Teilnehmer zu
verbinden. Weil die Telekommunikation im dazugehörenden Gesetz
mit elektronisch vermittelten "Nachrichten jeder Art" umschrieben
würde, fielen eben auch "technisch bedingte Positionsmeldungen"
darunter. Es ist nicht auszuschließen, dass das
Bundesverfassungsgericht, sofern es hier angerufen wird, zu einer
anderen Erkenntnis gelangt. Handy-Telefonierer müssen jedoch
nicht unbedingt darauf warten. Es war noch nie so einfach, seine
Grundrechte zu wahren: einfach ausschalten.

 

12.03.2001
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