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Austria: rassistische Menschenvermessungen

rassistische menschenvermessungen

Sag mir nur wie alt du bist, ich glaub dir doch nicht!!

Viele afrikanische Jugendliche sitzen zur Zeit in Erwachsenenstrafhaft
in Österreichischen Gefaengnissen. Ihre Haftstrafen sind doppelt so
hoch, als wenn sie nach Jugendstrafrecht verurteilt worden waeren.
Warum? Die Justiz glaubt ihnen nicht. Die Asylbehoerden glauben ihnen
nicht. Die Polizei glaubt ihnen nicht. Sofern AsylwerberInnen und
MigrantInnen ihre Angaben nicht mit Dokumenten belegen koennen, wird
ihren Aussagen nicht geglaubt, und auch dann wird die Echtheit der
Dokumente in Frage gestellt. Im Zuge der Operation Spring und
folgender grossangelegter rassistisch motivierter Razzien wurden
zahlreiche AfrikanerInnen verhaftet, die Zahl geht in die Hunderte,
wovon die meisten davon noch immer in Haft sind und viele auch noch
jahrelang bleiben werden muessen. Viele von ihnen waren zum Zeitpunkt
der ihnen vorgeworfenen angeblichen strafbaren Handlungen
minderjaehrig. Bis zum Mai 1999 wurde von den Gerichten zur
Altersbestimmung der Beschuldigten Johann Szilvassy zur Erstellung von
Gutachten zugezogen. Szilvassy war seit Jahren bekannt und kritisiert
als Initiator des "Rassensaals" im Naturhistorischen Museum und als
Autor der rechtsextremen Zeitschrift Aula. Nun fuehrte er an
Afrikanern Vermessungen durch, er vermass neben Wachstumsfugen Scham-
und Achselhaare, Penis- und Hodengroesse, Nasen und Ohren und Zaehne.
Er stellte fest, dass die meisten (oder alle?) Beschuldigten nicht
minderjaehrig waeren. Uns ist im Detail nicht bekannt, an wievielen er
seine rassistischen Praktiken ausuebte, laut einer Aussage Szilvassys
bei einem Prozess im LG1 am 19. September 2000 hat er in den letzten
Jahren ueber 300 Gutachten bei Drogendelikten erstellt. Einige Namen
sind uns bekannt. Nach wachsender Kritik von seiten der
OEffentlichkeit und einiger Anwaelte wurde Szilvassy anfangs gedeckt
von Oberstaatsanwalt Eisenmenger, der selbst Mitglied einer
schlagenden Burschenschaft ist. Im Mai 2000 ging Szilvassy dann in
Pension. Seine Methoden waren fuer die buergerliche OEffentlichkeit zu
offensichtlich rassistisch. Die Verfahren allerdings gegen die
betroffenen Jugendlichen wurden nicht noch einmal aufgerollt. Warum
auch, ihre Verurteilung ist Teil der rassistischen Praxis der
Staatsgewalt gegen Menschen, die ueber keine oesterreichischen Papiere
verfuegen. Migrantinnen und AsylwerberInnen werden kriminalisiert, es
wird ihnen das recht abgesprochen, frei darueber zu entscheiden, wo
und wie sie leben wollen. In den Prozessen gegen die jugendlichen
AfrikanerInnen zeigt sich deutlich die Empoerung von seiten des
Gerichts darueber, dass sich diese Menschen anmassen, nach OEsterreich
in eines der reichsten Laender der Welt zukommen um hier zu leben und
Geld zu verdienen. In den Drogenprozessen selbst wird in zynischer Art
und Weise von Staatsanwaltschaft und Richtern darauf hingewiesen, dass
viele der AfrikanerInnen nur hierher kaemen um sich zu bereichern. Und
das angesichts einer imperialistischen Ausbeutung von Trikontlaendern,
der Beherrschung internationaler Maerkte durch westliches Kapital, des
Exports von Kriegen und Hunger, der Erpressung und Manipulation von
Regierungen von sogenannten Trikont-Laendern. Menschen, die um
politisches Asyl ansuchen, wird ihre Verfolgung nicht geglaubt, sie
werden abgeschoben in Laender, wo ihnen Gefaengnis, Folter und Tod
droht. Nicht selten wird ihnen unterstellt, sie kaemen, um Geld zu
machen, dass sie ihre Namen faelschen, ihre Geburts- und sonstigen
Daten. Die Festung Europa macht ihre Grenzen dicht, niemand hat das
recht, selbst zu entscheiden, wie und wo er oder sie leben moechte.
Einerseits werden "westliche Werte" propagiert als anstrebenswerte -
Menschenrechte, die heilige Demokratie u.s.w., worum es geht, ist der
Schutz der westlichen "Werte" - Reichtum fuer die einen, Hunger und
Krieg fuer die anderen. Und wenn jemand herkommt, um am angeblichen
Reichtum teilzuhaben? Ist das kein legitimer Grund, um dorthin
zugehen, wohin die "Werte" fliessen, um selbst in den Genuss dieser
"Werte" zu kommen? Kapitaltransfer von Sued nach Nord ist o.k.,
Produktion in Niedriglohnlaendern, Ausbeutung von Menschen,
natuerlichen Ressourcen ebenso, aber persoenliche "Bereicherung" in
Schengenland ist kriminell? Wobei diese angebliche Bereicherung, die
den Menschen vorgeworfen wird, wie wir gesehen haben vor Gericht, sich
in Groessenordnungen von ein paar tausend Schilling bewegt. Die
Menschen werden nicht nur wegen angeblicher Drogendeals
kriminalisiert, sondern auch dafuer, dass sie arbeiten, obwohl sie das
als AsylwerberInnen nicht duerfen, dass sie Geld von der
Bundesbetreuung beziehen oder etwa der Caritas - dabei geht es um
Summen bis hoechsten mal 2000,- Schilling - und versuchen, nebenher
noch dazu zu verdienen. Fuer afrikanische AsylwerberInnen ist es
gefaehrlich, mehr als ein paar hundert Schilling in der Tasche zu
haben, alles darueber hinaus wird sofort als Drogengeld eingestuft,
vor Gericht als Indiz fuer Drogenhandel verwendet und letztendlich
einbehalten.
Sollte jemand versuchen, mit einer neuen Identitaet nach Schengenland
zu kommen, so ist das zu sehen als Akt der Notwehr und Reaktion auf
eine exklusive Politik des Ausschlusses der Mehrheit der Menschen von
Ressourcen. Diese Politik hat bis jetzt schon tausende Todesopfer
gefordert, Ertrunkene, Erfrorene, Erstickte, Erschossene. Die, die es
schaffen, nach Schengenland zu kommen, werden illegalisiert,
kriminalisiert. Elend, Haft - Schubhaft - Strafe fuer Anwesenheit,
Hetzte gegen sie sind alltaeglich. Die, die in dieser Situation zu
sogenannten illegalen Mitteln greifen, um UEberleben zu koennen, wie
Schwarzarbeit, wie der Verkauf von kleinsten Mengen von Drogen, dienen
dazu, ihre Kriminalisierung weiterzutreiben und gleichzeitig immer
restriktivere UEberwachungs- und Kontrollmassnahmen und den Ausbau der
staatlichen Repressionsapparate. Der grosse Profit dieser Geschaefte
geht an die gleiche Klasse, die ihre Richter stellt, genauso wie die
"legalen" Profite etwa von Personalleasingfirmen, Pharmaindustrie und
Alkoholsteuer. Hier werden rassistische Konstrukte von organisierter
Kriminalitaet aufgebaut, um abzulenken davon, dass die groesste
organisierte Kriminalitaet die ist, die ganz legal ganze
Bevoelkerungsgruppen, Klassen, Frauen und BewohnerInnen des Trikonts
ausbeutet zum eigenen Gewinn. In diesem Sinne urteilen die Richter
ueber das Alter der Beschuldigten. Der Praesident des Wiener
Jugendgerichts Udo Jesionek berief im Maerz 2000 eine Konferenz von
Fachleuten ein, die zu dem Schluss kam, dass es heute keine
wissenschaftlich anerkannte Moeglichkeit zur Altersfeststellung gibt.
In dem Prozess gegen acht junge Afrikaner, die bei einer Razzia in dem
Gesellenheim Zohmanngasse gefangengenommen wurden, erschienen diese
Experten daher auch nicht vor Gericht.
Also: Alter ist nicht feststellbar, aber die Kompetenz fuer die
Einschaetzung des Alters der Beschuldigten liegt in diesem Falle im
Ermessensbereich der Richter. Das heisst noch einmal ganz deutlich:
wenn der Richter glaubt, die Beschuldigten sind aelter als 19, dann
sind sie nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen. Ihre eigenen
Angaben sind irrelevant. Richter Gerstberger befand im Prozess gegen
die Gefangenen der Zohmanngasse, dass nur zwei der acht angeklagten
jungen Afrikaner nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen sind. Die
Grundlagen fuer diese Alterseinschaetzung sind rassistische Willkuer.
Seit dem Sommer 2000 wird in einigen Faellen als Gutachter der
Innsbrucker Anatom Othmar Gaber als Gutachter beigezogen. Er erstellt
unter anderem Altersbestimmungen von Leichen aus archaeologischen
Ausgrabungen, ausserdem berechnete er das Alter von OEtzi. Bei einigen
Verhandlungen wurden die Gefangenen auf Grund seiner Gutachten ans
Jugendgericht ueberstellt. Laut seiner Expertise war in diesen Faellen
die Moeglichkeit gegeben, dass die Jugendlichen tatsaechlich so alt
waren, wie sie sagten. Viele afrikanische Jugendliche sitzen zur Zeit
noch immer in Erwachsenenstrafhaft in OEsterreichischen Gefaengnissen.
Ihre Haftstrafen sind doppelt so hoch, als wenn sie nach
Jugendstrafrecht verurteilt worden waeren. Warum? Die Justiz glaubt
ihnen nicht. Die Asylbehoerden glauben ihnen nicht. Die Polizei glaubt
ihnen nicht. Sofern AsylwerberInnen und MigrantInnen ihre Angaben
nicht mit Dokumenten belegen koennen, wird ihren Aussagen nicht
geglaubt, und selbst dann wird die Echtheit der Dokumente in Frage
gestellt. Die Folge: jahrelange Strafhaft und dann Abschiebung fuer
Jugendliche.
Wir fordern:
Sofortige Freilassung der Gefangenen der rassistischen Klassenjustiz!
Freiheit fuer alle Gefangenen der Operation Spring und folgender
grossangelegter Razzien
Keine weiteren Hetzrazzien und Massenverhaftungen von AfrikanerInnen,
ueberhaupt nicht und nicht zu Wahlkampfzwecken!
Sofortige Abschaffung von Schubhaft und restriktiven
Zuwanderungsbestimmungen, Einreise-, Niederlassungs- und
Arbeitsfreiheit fuer alle, stoppt Abschiebungen und Illegalisierung.
Oder zumindest einmal:
Sofortige Wiederaufnahme saemtlicher Prozesse gegen jugendliche
AfrikanerInnen, die nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden und
werden, positive Erledigung ihrer Asylantraege
Fragen zum weiter Recherchieren:
Wieviele jugendliche Afrikaner sind tatsaechlich betroffen?
Wie viele wurden allein auf Grund von Szilvassy-Gutachten nach
Erwachsenenstrafrecht verurteilt?
Wie viele rassistische Gutachter und Altnazis sind noch immer an
oesterreichischen Gerichten taetig (siehe Spitzelaffaere)?
Wer und wo sind die Verantwortlichen, gab es irgendwelche Konsequenzen
fuer Zustaendige und Mitwisser an den Gerichten?
Wie schaut es aus mit Entschaedigungen, Schmerzensgeldern,
Ausbildungsmoeglichkeiten fuer die Betroffenen, wer uebernimmt die
Verantwortung fuer die Zerstoerung von Existenzen?
Wir ersuchen Institutionen, JournalistInnen, PolitikerInnen,
engagierte Frauen und Maenner um weiterfuehrende Aktivitaeten
bezueglich der inhaftierten jugendlichen AfrikanerInnen.

GEMMI Gesellschaft fuer Menschenrechte von Marginalisierten und
ImmigrantInnen Stiftgasse 8 a-1070 Wien  gemmi@t0.or.at
Spendenkonto: PSK 77 694 016

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Text verbreitet von Anarchist Black Cross Innsbruck:

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Austria

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Das Anarchist Black Cross (ABC) ist ein internationales Netzwerk von
anarchistischen Gruppen und Individuen, die sich in der praktischen
Solidaritaet mit Gefangenen betaetigen. Wir unterstuetzen:
AnarchistInnen, RevolutionaerInnen und andere, die wegen ihrem
Widerstand gegen die Herrschenden und deren System inhaftiert wurden.
Wir unterstuetzen Personen, die gefangengenommen wurden weil sie
versucht haben zu ueberleben oder Menschen die von der Polizei
festgenommen werden. Wir unterstuetzen und publizieren die
Bestrebungen der Haeftlinge hinter Gittern gegen das System zu
kaempfen. Ausserdem unterstuetzen wir auch Gefangene, die erst
aufgrund ihrer Haft politisiert wurden, also urspruenglich nicht wegen
einer politischen Tat oder Haltung ins Gefaengnis gehen mussten.

Anarchist Black Cross Innsbruck - deutschsprachiger E-Mail-Verteiler mit Infos über Repressionen und politische Gefangene.

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22.02.2001
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