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Sebnitz: Szenario am 17.02.

Sebnitz-Demo Info
# IV: zur verbotenen antideutschen Demonstration am 17.02.01 in Sebnitz


Sebnitzer Szenario am 17.02.
In Sebnitz wurden für den 17. Februar sämtliche Läden mit Begründungen wie "technische Gründe" geschlossen. Dabei war die Stadt gut durch Polizei abgeriegelt und Linke, die es geschafft hatten, nach Sebnitz zu kommen, hielten sich dort aufgrund des Nazi-Mobs, der pöbelnden Bürger und dem großen Polizeiaufgebot versteckt. Die Bürger hatten tatsächlich jemanden zum Anpöbeln gefunden: die anwesenden Pressevertreter. Wie kann's auch anders sein - die Presse, die war eh Schuld an dem Schlamassel.
Was die Polizei abgezogen hat bewegte sich teilweise auf keiner rechtlichen Grundlage mehr: bei den Kontrollen rund um Sebnitz wurde, teilweise mit der Begründung "Fahndungskontrolle", Durchsuchungen, Beschlagnahmungen, Gewahrsamsnahmen und Platzverbote ohne Begründung durchgeführt. Betroffen davon waren Links-Aussehenden und Nazis. Mal davon abgesehen, dass schon das Verbot der Demo mit haarsträubenden Begründungen versehen war.


MDR Online vom 17.02.2001

Polizei setzt in Sebnitz Demo-Verbot durch

Die Polizei hat in Sebnitz ein Demonstrationsverbot gegen linke Gruppen durchgesetzt. Sie wollten gegen die angebliche Vertreibung der Familie Kantelberg-Abdulla protestieren, die behauptet hatte, ihr Sohn Joseph sei von Neonazis ertränkt worden. Die Linken wollten sich auch gegen einen "kollektiven Freispruch" für Sebnitz wenden.

Bei der großangelegten Polizeiaktion wurden seit dem Morgen hunderte Fahrzeuge an den Zufahrtsstraßen nach Sebnitz kontrolliert. Ein Polizeisprecher sagte, es seien 89 Platzverweise ausgesprochen worden. 14 Jugendliche aus Bautzen, Kamenz und Pirna, die den Anweisungen nicht gefolgt seien, seien für einige Stunden in Polizeigewahrsam genommen worden. Die Kontrollen führten zu erheblichen Verkehrsbehinderungen.

Das Landratsamt Pirna hatte die Demonstration Anfang der Woche unter Verweis auf Sicherheitsgründe untersagt. Das Dresdner Verwaltungsgerichts und das Oberverwaltungsgericht Bautzen bestätigten das Verbot.

Sächsische Zeitung Lokalausgabe Sebnitz 17. Feb. 01

Pfarrer: Die jetzige Situation annehmen
"Wie weiter in Sebnitz" heißt für den katholischen Pfarrer Norbert Mothes: Auch frei zu werden

Unter dem Motto "Wie weiter in Sebnitz?" findet am kommenden Dienstag, 18.30 Uhr in der Stadthalle das zweite Bürgerforum statt. SZ sprach mit Pfarrer Nobert Mothes von der katholischen Kirche in Sebnitz zum Thema.

Das Bürgerforum steht unter dem Thema "Wie weiter in Sebnitz?". Wie kann es Ihrer Meinung nach nur weitergehen? Was ist für Sie wichtig?
Ich denke, es kann nur weiter gehen, indem wir die jetzige Situation annehmen, sie akzeptieren. Zuerst kam der Schock, dann die Verwirrung und Wut. Jetzt müssen wir weiter denken. Betreffs der Familie Kantelberg-Abdulla habe ich auf eine Entschuldigung gehofft. Ob diese nun kommt oder auch nicht, wir müssen das Jetzt anerkennen. Das macht uns in unserem Denken und Fühlen frei, vernünftig darüber umzugehen.

Nachdenken über die Zukunft und reagieren. Was würden sie bei der Aufarbeitung des Geschehenen als wichtig ansehen?
Es müssen Gesprächsformen gefunden werden, damit die Menschen ihre Meinung sagen können und sich gegenseitig auch anhören. Der Sebnitzer hat eine besondere Mentalität. Er wird das Geschehene nicht so einfach wegstecken, sondern er möchte auch darüber sprechen können und dürfen.

Nur über das Erlebte sprechen, würde gleichfalls Stillstand bedeuten. Sie haben deshalb bereits mehrmals öffentlich auch Informationen angemahnt. Diese könnte es dann auf weiteren Foren geben.
Ich denke da an eine Gesprächsreihe, vielleicht aller sechs Wochen. Dort sollten Experten die Fragen aufgreifen und mit darüber sprechen können - ähnlich der Dresdner Gespräche. Ein Thema könnte beispielsweise auch das tatsächliche Gewaltpotenzial in Sebnitz von Links und Rechts sein.

Sie sprachen bereits die Mentalität der Sebnitzer an. Es wird nicht leicht werden, das Geschehene zu akzeptieren, offen damit umzugehen.
Sicher. Aber wir müssen zur Normalität zurückfinden. Und das geht nur, wenn wir die Situation akzeptieren und die Familie Kantelberg-Abdulla so annehmen wie sie ist. Die Sebnitzer sollen jetzt zurückfinden zu einem Lebensgefühl, wie sie es vor dem November letzten Jahres hatten. Die Sebnitzer haben keinen Grund sich verstecken. Sicher werden Narben bleiben, aber es nutzt nichts, ständig darauf herumzukratzen, so das die Narben wieder aufplatzen.

Sie haben von Anfang an für Sebnitz gesprochen, Ihre Meinung recht deutlich kund getan. Haben Sie das bereut?
Nein. Ich habe mich von Anfang positioniert, weil ich die Stadt, die Bevölkerung sehr mag.

Denken Sie, dass in der bisherigen Aufarbeitung etwas fehl gelaufen ist?
Ich achte die politischen Entscheidungen der Stadt, setzte aber auch Fragezeichen. Ich denke, der Oberbürgermeister hat anfangs zu sehr allein reagiert und gehandelt. Er war zu sehr auf den materiellen Schaden fixiert. Jetzt hoffe ich, dass inzwischen erkannt wurde, dass der materielle Schaden nicht so groß ist, wie der immaterielle.
Das Gespräch führte Anja Weber


 

18.02.2001
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Antifaschismus]  Zurück zur Übersicht

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