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Mannheim: Videoüberwachung

Videoüberwachung - was geht mich das an?

Am 13./ 14. Februar 2001 tagt in Mannheim die Innenministerkonferenz der
CDU-regierten Länder. Hauptthema soll die Ausweitung der polizeilichen
Videoüberwachung des öffentlichen Raums sein. Mannheim ist seit
Dezember 2000 Modellstadt für polizeiliche Kameraüberwachung. Am Paradeplatz
und am Marktplatz befinden sich bereits Überwachungskameras, mit deren Hilfe
die Polizei Passantinnen und Passanten weitestgehend
unbemerkt beobachten kann. Die Bilder werden "vorläufig" digital
gespeichert. In einer Emnid-Umfrage vom März 2000 sprechen sich 48% der Bevölkerung der BRD für - und 48% gegen die polizeiliche
Videoüberwachung öffentlicher Plätze aus.

Glauben Sie wirklich, daß Videoüberwachung Kriminalität zurückdrängt?


Erfahrungen aus London oder Leipzig zeigen, dass Kameraüberwachung
bestenfalls dazu geeignet ist, einen Teil der Straßenkriminalität in nicht
überwachte Bereiche zu verdrängen, sie aber nicht verhindert. Insgesamt
geht die Kriminalität dadurch aber nicht zurück, da ihre gesellschaftlichen
Ursachen nicht angegangen werden. Selbst in überwachten Bereichen kann
Kriminalität nicht verhindert werden. Banküberfälle werden schließlich auch
weiterhin verübt - obwohl mittlerweile alle Banken kameraüberwacht sind.
Ohnehin sinkt die Kriminalitätsrate schon seit vielen Jahren, auch wenn
Medien und Politik scheinbar versuchen, einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken.

Glauben Sie wirklich, dass Sie von Kameraüberwachung nicht betroffen sein
werden?

Haben Sie noch nie öffentlich in der Nase gebohrt oder Zärtlichkeiten
ausgetauscht? Sind Sie noch nie trotz Krankmeldung unterwegs gewesen? Haben Sie
noch nie geschützte Rasenflächen betreten? Sind Sie noch nie
im Halteverbot gestanden? Sind Sie tatsächlich so langweilig? Ist es Ihnen
egal, wenn anonyme Beobachter Ihr Freizeit- und Konsumverhalten unter die Lupe
nehmen, Ihre Persönlichkeit studieren und sich womöglich über
Ihr Äußeres amüsieren? Sind vielleicht alle 48% der Bevölkerung, die gegen
die Kameraüberwachung sind, kriminell?

Glauben Sie wirklich, dass es bei ein paar Kameras bleiben wird?

Schon heute gibt es bereits unzählige andere Kameras: in Straßenbahnen, an
Haltestellen, Bahnhöfen, in Geschäften, Kaufhäusern, an
Verkehrsknotenpunkten, Arbeitsplätzen, Vorgärten.... Die technischen
Möglichkeiten der Auswertung der Aufnahmen werden immer besser. Schon
heute ist es möglich, mit computergestützten Kameraüberwachungssystemen
einzelne Personen anhand ihrer Gesichtszüge oder ihrer Iris einwandfrei zu
identifizieren, sie zu verfolgen und präventiv Bewegungsprofile zu
erstellen. Folgt auf die Überquerung einer roten Fußgängerampel oder beim Parken im
Halteverbot vielleicht schon bald das Ordnungsgeld frei Haus?
Es ist zu erwarten, dass private und staatliche Überwachungssysteme
zunehmend vernetzt werden. In Zeiten, in denen der Staat der Bevölkerung außer
"Innerer Sicherheit", Sauberkeit, Recht und Ordnung scheinbar nichts
mehr zu bieten hat, ist der Ausbau einer autoritären Kontrollgesellschaft
vorprogrammiert. Wer wann mit wem wo was gemacht hat wird dokumentiert und
ausgewertet werden. Das Bundesverfassungsgericht stellte dazu fest: "Die
Befürchtung einer Überwachung mit der Gefahr einer Aufzeichnung, späteren
Auswertung, etwaigen Übermittlung und weiteren Verwendung durch andere Behörden kann
schon im Vorfeld zu einer Befangenheit in der Kommunikation, zu
Kommunikationsstörungen und zu Verhaltensanpassungen...führen."Aber nicht nur der Staat -
auch die Wirtschaft hat ihre eigenen Interessen an dieser Entwicklung. So
werten u.a. Kaufhäuser die Videoaufnahmen ihrer Überwachungskameras aus, um das
Kaufverhalten ihrer Kunden zu ermitteln und
Konsumprofile zu erstellen - Tendenz steigend.


Geht es eigentlich nur um Videoüberwachung?

Die zunehmende Etablierung und Akzeptanz von Kameraüberwachung ist in einem
breiteren Kontext zu betrachten. Wir befinden uns in einem rasanten Prozeß
der Aushöhlung fundamentaler Grund- und Menschenrechte. Um einige Beispiele zu
nennen: In Deutschland gibt es zwar formal die Möglichkeit politisches Asyl
zu erhalten - praktisch ist dies jedoch seit 1993 fast unmöglich. Das Brief-,
Post- und Fernmeldegeheimnis und die Unverletzlichkeit der
Wohnung sind zur Farce geworden: Seit 1995 sind Telekommunikationsanbieter
verpflichtet, Polizei, Justiz und Geheimdiensten das Abhören aller Telefonate,
Faxe und E-Mails, zu ermöglichen und zu speichern, wer mit wem wann wie
lange kommuniziert hat. In der BRD waren 1998 1,5
Millionen Menschen von Telefonüberwachungsmaßnahmen betroffen, was weltweit
beispiellos ist. 1998 wurde der "Große Lauschangriff" eingeführt und somit
das Abhören von Wohnungen legalisiert.
Das Muster ist immer das gleiche: Extremfälle müssen herhalten, um den
Grundrechtsabbau zu rechtfertigen. Ist das neue Verfahren erst etabliert, wird es
ausgeweitet. Um ein Beispiel zu nennen: Als 1998 über Monate
exzessiv über Sexualverbrechen v.a. an Kindern berichtet wurde - obgleich
diese nicht öfters vorkamen als sonst- wurde die in der Bevölkerung erzeugte
Stimmung genutzt, um eine polizeiliche Gendatei zu etablieren,
angeblich nur, um solche besonders schrecklichen Verbrechen besser
aufklären zu können. Heute werden in Bayern, schon Ladendiebe zur Abgabe ihres
Erbguts vorgeladen oder es wird in Heidelberg politisch
mißliebigen Personen mit Gewalt ihre Erbinformation entnommen, weil sie
sich an einer friedlich verlaufenen
Hausbesetzung beteiligten.

Zeigen wir den Verantwortlichen, dass wir nicht
alles mit uns machen lassen! Kommt alle zur
Demonstration am 13.2.01 um 17.30 Uhr zum
Marktplatz unter dem Motto: Kameras weg! Für
eine überwachungsfreie Gesellschaft!!


AKTIONSBÜNDNIS GEGEN [VIDEO] ÜBERWACHUNGSGESELLSCHAFT


 

06.02.2001
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