nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Massive Drohungen gegen Abdullah Öcalan

Entsprechend seiner Gepflogenheit, in Gesprächen mit seinen Anwälten politische Entwicklungen mit möglichen Wirkungen auf den von ihm eingeleiteten und seit Jahren betriebenen Friedensprozess in der Türkei und im Mittleren Osten zu analysieren und zu bewerten, hat sich der seit zwei Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali isolierte Vorsitzende der PKK,. Abdullah Öcalan, auch in der vergangenen Woche geäußert. In seiner neuesten Friedenserklärung warnte Herr Öcalan vor gefährlichen Entwicklungen, die durch Angriffe der südkurdischen Parteien PUK und KDP mit Unterstützung türkischen Militärs auf die in den südkurdischen Bergen eine Lösung des Konflikts abwartenden PKK-Volksverteidiungskräfte in Gang gesetzt werden könnten. Er betonte in seiner Erklärung, dass die Aufgabe Talabanis (PUK) und Barzanis (KDP) nicht darin bestehe, einen Krieg zu provozieren, sondern zwischen der PKK und der Türkei auf der Grundlage einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage zu vermitteln.

Unmittelbar nach Veröffentlichung dieser Bewertung und ungeachtet des Ernstes und der ehrlichen Besorgnis, die aus seinen Formulierungen deutlich zu erkennen waren, provozierten europäische Zeitungen, indem sie kurze Meldungen über die Äußerungen des Kurdenführers mit Titeln wie zum Beispiel "Öcalan droht der Türkei" überschrieben. Die umgehende Erklärung seiner Anwälte, Herr Öcalan habe nicht drohen, sondern lediglich vor einer Gefahr warnen wollen, wurden kaum wahrgenommen.

Wie auf ein Signal begann nunmehr eine massive Hetzkampagne in der Türkei. Unter Berufung auf "Kreise der Justiz " schrieb »Hürriyet«, wenn Öcalan weiterhin "Drohungen gegen die Türkei" verbreite, würden seine Haftbedingungen verschärft, und er werde aus seiner "hellen und vergleichsweise komfortablen" in eine "dunkle und unbequeme" Zelle verlegt. Diese sei wirklich "äußerst unangenehm". Noch massivere Drohungen veröffentlichte die Istanbuler Zeitung »Aksam«. Sie zitierte eine Äußerung des türkischen Justizministers Hikmet Sami Türk, Öcalan gefährde mit seiner "provozierenden Haltung" die Aussetzung der gegen ihn ausgesprochenen Todesstrafe.

Auch Abdullah Öcalans Anwälte wurden bedroht, sie würden wegen "Unterstützung einer Terrororganisation" belangt werden. Inzwischen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Diyarbakir in diesem Zusammenhang von der Anwaltskammer gefordert habe, eine Strafe gegen Rechtsanwalt Mahmut Sakar zu verhängen.

Zu den schweren Drohungen gegen seinen Mandanten, die gleichzeitig Provokationen gegenüber allen Kurden sind, äußerte Irfan Dundar, einer der Anwälte des PKK-Vorsitzenden, in der in Europa erscheinenden prokurdischen Zeitung »Özgür Politika«: Die Angriffe gegen den PKK-Vorsitzenden in europäischen und türkischen Medien offenbarten verdeckte Motive und das Ziel, einen neuen Krieg zwischen der PKK und der Türkei vorzubereiten. Die Medien verzerrten bewusst die Äußerungen von Herrn Öcalan in einem Stil, der geeignet erscheine, ihm dunkle Absichten zu unterstellen.

Man versuche auf diese Weise ferner, seinen Einfluss auf seine Partei und das kurdische Volk zu zerstören um den Friedensprozess zu sabotieren. Gleichzeitig sei diese Art von Annäherung dazu geeignt, den Prozess der EU-Mitgliedschaft der Türkei zu verzögern und in Schwierigkeiten zu bringen.

Auf jeden Fall habe Herr Öcalan in keiner Weise gedroht, sondern lediglich Entwicklungen bewertet. Das sei bis jetzt fortlaufend geschehen, und diese Aussagen seien ein bestimmender Faktor im Ausgleich des Konflikts gewesen. Auch seine neueste Bewertung habe sich in diese Folge eingereiht. "Unser Klient wird seit zwei Jahren unter Haftbedingungen gehalten, die nationalem und internationalem Recht zuwiderlaufen. Nichts kann schlimmer sein!"

Es erscheint äußerst bedenklich, dass die bis hierher dargestellten Entwicklungen der vergangenen Woche bereits zuvor durch fühlbare Verschärfung der Haftbedingungen von Abdullah Öcalan eingeleitet wurden. So wurden ihm Zeitungen und Bücher nicht mehr ausgehändigt, und das ihm zur Verfügung gestellte Radio wurde eingezogen. Die wöchentlichen Besuche seiner Anwälte werden immer wieder unter Vorgabe von verschiedenen Gründen verhindert; auch in der laufenden Woche konnte kein Besuch stattfinden. Das Staatsmassaker an den hungerstreikenden Gefangenen im Dezember 2000 und - trotz gegenteiliger Versprechen wenige Tage zuvor - die Verbringung Tausender Häftlinge in Isolationszellen weist ebenso auf die gefährliche Verschärfung der Lage in der Türkei hin wie die ständigen Angriffe auf oppositionelle Politiker, z.B. der HADEP.

Insbesondere erregt Entsetzen, dass zwei HADEP-Politiker, die vor einer Woche zur Polizeistation in Silopi bestellt worden waren und dort auch von Zeugen gesehen wurden, danach "verschwunden" waren. Allen Nachforschungen wurde entgegengesetzt, man kenne sie nicht, sie seien nie auf der Gendameriestation erschienen. Am gestrigen Tag ist der Eine von ihnen, Serdar Tanis, HADEP-Ortsvorsitzender von Silopi, tot aufgefunden worden. Die Kurdinnen und Kurden in Deutschland sind über die Verschärfung der Situation des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan, ebenso wie über die weiteren schrecklichen Ereignisse und die verstärkt hereinbrechenden Gefahren für den Friedensprozess auf das Tiefste beunruhigt. In ihrem Namen appellieren wir an Politikerinnen und Politiker, VertreterInnen von Menschenrechtsorgansationen und an die Medien in Europa, Verantwortung zu zeigen, auf die neuen Gefahren hinzuweisen und nach besten Möglichkeiten zu Lösungswegen beizutragen.

YEK-KOM
Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.

 

02.02.2001
YEK-KOM, Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V. [homepage]   [Email] [Aktuelles zum Thema: Türkei/Kurdistan]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht