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Hamburg: Polizei Prozess gegen Senfo TONKAM

Kurzbericht:

Am Begin der Verhandlung hat Senfo eine Erklärung gemacht, in dem er die
politisch repressive Motivationen der Polizei erläutert hat. Daraufhin hat er der Richter aufgefordert, sich nicht zu einem Komplize der polizeiliche Repression zu
machen, im Dienst eine rassistischen Politik.
Die Darstellung der Polizei dagegen war einfach merkwürdig. Es war schnell klar,
dass die Anklage von der Polizei erfunden und konstruiert wurde. Polizeibeamte die gegen Senfo ausgesagt haben, haben sich ständig
widersprochen.
Offentsichlich hatten sie ihre Anklageschrift nicht gelesen, denn sie haben oft
vergessen, was sie vor der Verhandlung erzählen hatten.

Der 2. Runde der öffentliche Gerichtsverhandlung findet statt am:
Freitag, 2.Februar 2001 um 13.00 Uhr, Strafgerichtsgebäude, Sievekingplatz 3,
Erdgeschoss,
Raum 192
U-Bahn Messehallen ; Bus 112: Johannes-Brahms-Platz)

Anbei: Senfos Erklärung auf Deutsch. Wer die Fassung auf Französich
und/oder
English haben will, bitte sich an
Alex (0170-8643556 od. email:  ngoubamdjum@t-online.de)
oder Senfo ( senfotonkam@t-online.de) wenden.
2. Die ERKLÄRUNG

Hamburger Polizei-Prozess gegen die Flüchtlingsbewegung
Strafgericht Hamburg, Verhandlungstag am 24 Janvier 2001 -
Erklärung des Angeklagtens Senfo TONKAM

Herr Vorsitzender Richter, Herr Staatsanwalt, Liebe Freunde aus der Flüchtlings und anti-rassistischen Bewegung.

Es ist das 4. Mal in meinem Leben, dass ich vor einem Gericht mich für
falsche Anschuldigungen rechtfertigen muss, die durch die Polizei gegen mich fabriziert
wurden. Die ersten beiden Male war es in der afrikanischen Provinz, aus der ich
stamme. Seitdem ich 1993 in das Exil gezwungen wurde scheint die Hamburger
Polizei diese Rolle übernommen zu haben und zitiert mich immer wieder vor Gericht.

In Afrika war ich der Führer der StudentInnenbewegung(StudentInnenparlament)
die gegen den Diktator an der Macht in Kamerun und gegen den französischen
Neokolonialismus deren Marionnette dieser Idiot ist gekämpft hatte und weiterhin
kämpft. Meine Kameraden und ich wurden kriminalisiert, verteufelt, verfolgt,
gefoltert, vergewaltigt, massakriert, aus der Universität ausgeschlossenund
schließlich ins Exil gezwungen. Seit 1993 lebe ich als politischer
Flüchtling in Deutschland. Hier führe ich mein Engagement für die Befreiung, die
Demokratisierung und die Einheit Afrikas fort. Gleichzeitig kämpfe ich auch
gegen den Rassismus, von dem ich auf zweierlei Art ein Opfer bin, als Schwarzer
und als Flüchtling. In diesem Rahmen leide ich wie alle anderen Schwarzen und
Flüchtlinge nicht nur unter den Angriffen von Neo-Nazis und anderen Extremisten,
sondern auch und öfters noch der Repression und Verfolgung durch die Bürokratie
und durch die deutsche Polizei in Form von Gewalt, Brutalität, Beleidigungen,
Erniedrigungen, falschen Anschuldigungen und anderen Angriffen aller Art.

Es ist kein Zufall, dass sich die Bedrängungen, Schikanen, Prozesse und andere
Formen bürokratischer und polizeilicher Verfolgungsmaßnahmen gegen
Flüchtlinge in letzter Zeit verstärkt haben. Es ist weil unser Bewusstsein und unsere
Entschlossenheit, für unsere Rechte zu kämpfen angestiegen ist. Der
Flüchtling ist nicht mehr der unglückliche, weiche, nachgiebige und passive Mensch,
den die Polizei und die deutsche Behörde nach belieben misshandeln konnten: wir
organisieren uns immer besser und wir kämpfen mit immer größerer Entschlossenheit und Erfolg für unsere Rechte und unsere Würde. Und natürlich
beunruhigt das die Autoritäten. Ihre Taktik ist daher uns so hart wie
möglich zu unterdrücken, um Angst auszustrahlen und die Flüchtlinge und unsere deutschen FreundInnen zu entmutigen.In diesem Sinne müssen wir, Damen und Herren, Liebe FreundInnen, die
juristischen Maßnahmen verstehen, von denen wir, Flüchtlinge, MigrantInnen und unsere befreundeten anti-rassistischen AktivistInnen das Ziel der Polizei in diesem Land sind.

Die falsche Angelegenheit, die uns hier und heute in diesem Gericht vereinigt,
hat bereits einen Beginn gehabt. Ein deutscher Freund (Ralf) den ich an dieser
Stelle ehren möchte, ist bereits ungerechtfertigter Weise in dieser
Angelegenheit verurteilt worden. Ich bin der zweite von denjenigen, die sich
dorthin müssen. Trotz allem bin ich davon überzeugt, dass dieser Prozess
unsere Unschuld beweist, weil wir nichts von dem getan haben, für das uns die
Polizei fälschlicherweise anklagt.

Was wird mir denn vorgeworfen? Die Polizeibeamten behaupten, dass ich im Rahmen unserer Demonstrationen gegen die Abschiebung von afrikanischen Flüchtlingen im
Mai 2000 auf sie geschlagen hätte, um einen Gefangenen zu befreien.
Zunächst möchte ich energisch gegen das Wort "Gefangener" protestieren, das die>Polizei
benutzt, um über den Kamerad Abdul Gafar T.D. zu sprechen, der von den Beamten
am selben Tag misshandelt wurde. Er ist kein Gefangener, sondern ein Freier
Mensch, ein Freiheitskämpfer, der von der Polizei willkürlich festgehalten werden sollte. Und in meiner Eigenschaft als Leiter der Demonstration war es meine Aufgabe, die Polizei aufzufordern, die Gründe für die Festnahme zu
nennen.
Aber anstatt mit mir zu diskutieren, wurde ich mehrfach auf brutale und
gewaltsame Art und Weise beiseite gestoßen, obwohl die Beamten ganz genau wussten, dass ich der verantwortliche Leiter der Demonstration war.=
Anschließend haben die Polizisten auf uns wie mit Keulen eingeschlagen.
Außerdem hat mich die Polizei angeklagt, Widerstand gegen die Staatsgewalt
geleistet zu haben; ich sage: das ist wahr und es ist auch nicht neu. In Afrika
habe ich Widerstand gegen einen diktatorischen und neokolonialen Staat geleistet
und gegen ihn gekämpft. Hier rebelliere ich gegen einen rassistischen, imperialistischen und neokolonialistischen Staat. Wenn das ein Verbrechen sein soll, dann verurteilen sie mich. Aber sie müssen wissen, dass wir, meine
Kameraden und ich davon nicht abgehalten werden, weiterhin den Widerstand und
Kampf gegen dieses System fortzuführen.

Herr Vorsitzender Richter, Herr Staatsanwalt, Liebe Freunde aus der
Flüchtlings-
und anti-rassistischen Bewegung,

Die Wahrheit ist, dass die Polizei durch diesen Prozess die Legitimierung durch
die Justiz für ihre Kampagne der Repression gegen die Flüchtlingsbewegung und
die anti-rassistische Bewegung erzielen möchte. Und das ist auch nicht verwunderlich, denn was ist die Polizei in diesem Land, wenn sie nicht als
repressives Instrument eines rassistischen Systems eingesetzt wird, in dem alle
Rechte und die Würde von Nicht-EuropäerInnen, und besonders Flüchtlingen
verweigert werden.

Um genau zu verstehen, weshalb wir hier und heute vor dem Gericht sind,müsst
ihr euch an die Auswirkungen, den Erfolg und die Effektivität unserer Demonstrationen vor der Ausländerbehörde im letzten Jahr erinnern, die Innensenator und die Verantwortlichen der Ausländerbehörde in Wut versetzt
hatten. Sie haben zahlreiche Krisensitzungen machen müssen, die Gewerkschaft der
Beamten in der Ausländerbehörde (KOMBA) hat sich ebenfalls beschwert; in
einer merkwürdige anklingenden Presseerklärung wurde der Senator aufgefordert, notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um uns zum Schweigen zu bringen. Von diesem Augenblick an haben sich die Auflagen und Provokationen durch die Polizei
vervielfacht. Es wurde uns beispielsweise auferlegt, die Lautstärke auf
100 Dezibel zu begrenzen. Anschließend mussten wir die Musik und die Nutzung
der Mikrofonanlage alle 30 Minuten ausschalten. Am Ende wurde uns die Nutzung der Anlage komplett untersagt. Trotz aller Beschränkungen, Auflagen, Verbote
und aller anderen Provokationen unter denen wir zu leiden hatten, sind wir ruhig und
diszipliniert geblieben und unsere Demonstrationen sind weiterhin genauso
erfolgreich geblieben.
Wenn ich heute vor diesem Gericht stehe, dann deshalb weil die Hamburger Autoritäten davon ausgehen, dass ich der Grund für den Erfolg dieser Demonstrationen bin. Es ist der Beamte, der die Polizeieinheit leitet (Herr BUTTMANN), der mir dieses persönlich bestätigt hat, in dem er sagte, dass auf oberster Ebene (also im Innenministerium und in der Ausländerbehörde)gedacht wurde, ich bin "nicht in der Lage die Demonstration gut zu leiten" und
man hat ernsthaft überlegt mich "abzusetzen" und damit meine KameradInnen zu zwingen,
eine andere Person zu bestimmen, die Leitung der Demonstration zu
übernehmen. Selbstverständlich muss man eine solche Aussage im umgedrehten Sinne
verstehen, also dass unsere Demonstrationen zu erfolgreich waren und diese
Demonstrationen gestört werden müssten, indem derjenige, der für den Erfolg der
Demonstrationen scheinbar verantwortlich war, eliminiert wird. Im gleichen Sinne hat mich auch
einen anderer Polizeibeamter (Herr RASCHKE) beschuldigt, derjenige zu sein, der
"die Flüchtlinge aufbringt und radikalisiert".

In anderen Worten besteht mein Verbrechen darin, dass ich die Bewusstseinswerdung und die Entschlossenheit der Flüchtlinge, Schwarze und
anti-rassistischen AktivistInnen im Widerstand gegen dieses rassistischeund imperialistische System verkörpere. Aber zu glauben, dass eine
Verurteilung von mir die Flüchtlingsbewegung brechen werde ist nicht nur eine
Fehleinschätzung, sondern einfach lächerlich. Weil es sind nicht Senfo oder Ralf, Alex oder

Abdul
Gafar, Raukiatou, Essim, Mariama, X oder Y, die für sich alleine die

Bewegung
am laufen halten, sondern nur sie gemeinsam mit anderen Flüchtlingen, MigrantInnen und deutschen UnterstützerInnen. Aber wenn der Innensenator,
die Ausländerbehörde und die Polizei sich täuschen wollen, dann ist das deren Problem.


Herr Vorsitzender Richter,

Ich habe am Anfang meiner Erklärung darauf hingewiesen, dass in der
kamerunischen Provinz des großen und schönen Kontinentes, aus dem ich komme, die
Polizei das Instrument eines diktatorischen und neokolonialen Staates imīDienste
von westlichen Interessen ist. Ich habe vergessen zu präzisieren, das dort auch die Justiz demselben kriminellen, blutrünstigen und korrupten Regime
dient.
Daher wurde ich von ihr immer wieder schuldig gesprochen und verurteilt.

Heute bin ich ein Flüchtling in dieser rassistischen Gesellschaft und Staat, deren
Polizei mich anklagt (ich wiederhole: fälschlicherweise). Dabei handelt es
sich um eine Gesellschaft und einen Staat, der Menschen unterdrückt, ausschließt,
entmenschlicht tötet oder in den Selbstmord treibt und in der Tod abschiebt,
wobei deren einziges Verbrechen darin besteht, nicht weiss genug zu sein um
anerkannt zu werden, nicht reich genug zu sein, um sich Rechte und Privilegien kaufen zu können, oder nicht "nützlich" genug zu sein um hier erwünscht zu sein.
Die Frage, die Ihnen daher heute gestellt wird, Herr Vorsitzender Richter,
ist:
Lassen sie es zu, dass die Justiz von ein Polizei im Dienste eines rassistischen Systems instrumentalisiert wird ?

Erstellt in Hamburg, Mittwoch, 24. Januar 2001

Senfo TONKAM
Cameroon Student Parliament in Exile, SOS Struggles Of Students, Black
Students
Organisation-BSO, African Refugees Association -ARA, Kommitee zur
Verteidigung
der Rechte der Flüchtlinge

 

29.01.2001
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