nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Ankara: Mahnwache angegriffen

54. Tag des Hungerstreiks in der Türkei

Polizeikräfte und ultranationalistische MHP-Anhänger greifen Menschenrechts-Mahnwache im Stadtzentrum von Ankara an

12.12.2000 - 15.30 Uhr

medico international erreichte soeben folgender Anruf der in Ankara ansässigen türkischen Menschenrechtsstiftung THIV:

Heute wurde um 12.30 in der Innenstadt von Ankara eine Mahnwache von ca. 500 Menschen (Angehörige, IHD-Mitglieder, Künstler u.a.) im Zusammenhang mit dem aktuell stattfindenden Hungerstreik in den Gefängnissen von der Polizei mit einem Schlagstockeinsatz äußerst brutal attackiert. Mehrere Menschen, unter ihnen auch einige Journalisten, wurden dabei zum Teil derart verletzt, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Die bedrängten Angehörigen der hungerstreikenden Gefangenen suchten daraufhin ein naheliegendes Gebäude auf, in dessen 4. und 5. Stock sich die Parteiräume der oppositionellen ÖDP-Partei befinden, um sich vor den Angriffen der Polizisten zu schützen.

Starke Polizeikräfte umstellten daraufhin das Gebäude. Ebenfalls sammelten sich Anhänger der ultranationalistischen MHP-Partei, die damit begannen mit Steinen die Scheiben des ÖDP-Büros im 4. und 5. Stock einzuwerfen. Die Polizei hinderte sie daran nicht! Hinzukommende, die sich mit den Angehörigen solidarisieren wollten und versuchten die Lage zu deeskalieren, wurden daraufhin von den Polizisten und den MHP-Anhängern verprügelt.

Bis ca. 15.00 Uhr konnte sich die Angehörigengruppe im Stockwerk der ÖDP-Partei aufhalten. Danach begann die Polizei in die Büros der ÖDP gewaltsam einzudringen und verhaftete alle Anwesenden. Die dort arbeitenden ÖDP-Mitglieder wurden wie die Angehörigengruppe äußerst brutal die Treppen hinuntergeschleift und während ihrer Festnahme getreten, geschlagen und entwürdigend beschimpft. Unter den Festgenommenen befindet sich u.a. auch Ümit Erkol, Vorstandsmitglied der Ärztekammer Ankara und Mitarbeiter der Menschenrechtsstiftung. Die vor der Tür wartenden MHP-Anhänger ihrerseits schlugen hinzukommende Menschen mit Stöcken und warfen Steine. Die Polizeikräfte begannen ihre Waffen zu entsichern und warfen zur Zerstreung der Menschen Tränengasgranaten. Die MHP-Aktivisten entglasten mit Steinwürfen umherstehende Gebäude, ohne das die Polizei sie daran hinderte.

Die IHD-Zentrale im Stadtzentrum von Ankara erreichte zusätzlich in den letzten Tagen eine solche Menge von Drohanrufen, dass der IHD beschloss aus Vorsichtsgründen das Büro zu schliessen.

Soweit die letzten beunruhigenden Informationen aus der Türkei.

Martin Glasenapp
medico international

 

13.12.2000
Medico International   [Aktuelles zum Thema: Int. Solidarität]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht