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Bielefeld: 21.12. Prozess wegen des Farbbeutelwurfes auf Fischer

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg
Für gelebten Widerstand gegen jeden Krieg
Info 4: Prozeß wegen des Farbbeutelwurfes auf Fischer

(siehe auch: http://www.gaarden.net/no_nato/spezial.html)

Rückblick: Was passierte am Himmelfahrtparteitagstag der Grünen im Mai
1999

Die Grünen mußten in Bielefeld einen Parteitag abhalten, um den Spagat
zu vollziehen, die Partei sowohl vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren
als auch so viele Menschen wie möglich ins deutsche Kannonenboot zu
holen. Mit den Phrasen von "inneren Zerissenheit" sollte die
Machtbeteiligung an der Regierung abgesichert und die Zustimmung zu den
Tornadobomardierungen für "Humanität und Menschenrechte" abgesichert
werden. Im Klartext: Der grünen Führung ging es um die Absegnung einer
aggressiven, das Völkerrecht brechenden Kriegspolitik.
Für den Antikriegswiderstand galt es jede Kriegspolitik zu sabotieren.
Vor der Halle hauen PolizistInnen grünen Deligierten den Weg durch die
erboste Menge frei. 1000 von Autonomen, PazifistInnen, Feministinnen,
Antifas, wütenden GrünwählerInnen und Menschen aus den bombardierten
Regionen wollten den Parteitag verhindern. Ausgewählte Deligierte werden
bespuckt und geschlagen, Absperrungen werden auseinandergerissen und der
Versuch unternommen, den Parteitag zu stürmen und zu einem
Antikriegskongress umzudrehen. In der Halle Transparente, Buttersäure
und ein Farbbeutel, der zur rechten Zeit das rechte Ohr trifft. Vor den
laufenden Kameras internationaler Fernsehteams wurde Fischer als
mitverantwortlich für Krieg und Vertreibung blutrot markiert, sein Ohr
das erste Opfer an der deutschen Heimatfront.
* Mit der Person Fischer traf es einen opportunistischen und
machthungrigen ehemaligen Linken, der sich bis an die Spitze der
Regierungsverantwortung hochgerobbt hat. Er stand auch für jene, die
sich in ihrem erbärmlichen Marsch durch die Institutionen zu jenen
wurden, die sie einst zu bekämpfen vorgaben. Der Beutel traf die Grünen,
welche jede fortschrittlichere Position zugunsten der Machtbeteiligung
aufgegeben haben. Die Partei versinnbildlicht, daß Widerstand
außerparlamentarisch, radikal ohne Wunsch nach gesellschaftlicher
Anerkennung, Macht- und Teilhabe, weiterentwickelt werden muß.
* Mit Fischer war aber auch ein Amt, das Außenministerium getroffen, das
von Anfang an Wegbereiter einer nationalistischen Kriegspolitik
Jugoslawiens war, z.B. durch die Anerkennungspolitik eines Herrn
Genscher. Es ist das gleiche Amt, das auch unter Fischer die Grenzen
gegen Kriegsflüchtlinge abschotten hilft, Lager mit einrichten lässt,
die Bombardierung EX-Jugoslawiens aktiv gestützt und medial flankiert
hat.
Die Ohrverletzung Fischers war nicht Ziel der Aktion, aber wer will sich
ernsthaft darüber beklagen, dass Fischer eine Woche lang wegen eines
angeblichen Trommelfellanrisses nicht zu den wichtigen
Außenministertreffen fliegen konnte.

Markierungen und was sich alles so dazu verwenden läßt
:Tomaten-Ohrfeigen -Farbbeutel...

* Die Tomaten einer wütenden Frau auf die SDS-Männer 1968, machte die
Kritik an dem Machismo, der Selbstherrlichkeit und Arroganz gegenüber
Frauenforderungen deutlich. Zugleich waren sie ein Zeichen für das
Entstehen einer autonomen Frauenbewegungung.
* Und die Ohrfeige durch eine Jüdin (Beate Klarsfeld, deren Vater im KZ
vergast wurde) gegen NSDAP-Mitglied Kissinger zeigte die strukturelle
und personelle Kontinuität Nachkriegsdeutschlands mit dem Faschismus
auf.
* So markierte der Farbbeutel auf Fischer einen historischen Einschnitt
Deutschlands; den Wiedereintritt in eine aggressive Expansionspolitik.

Juristisches rund um den Wurf

Um die Beschädigung Fischers zu begrenzen und die Aktion schnell in
Vergessenheit geraten zu lassen verbreitet das Außenministerium Fischers
taktische Angebot im "Spiegel". Der Wurf würde juristisch nicht weiter
verfolgt wenn die Werferin die Arztrechnung Fischers begleichen und der
Kosovo-Hilfe spenden würde. Darauf hin erfolgte das Angebot an Fischer,
natürlich die Arztrechnung zu bezahlen, denn schließlich war die
Ohrverletzung nicht beabsichtigt. Nur solle er dann die Angehörigen von
NATO-Bomben Ermordeten und die verletzten und traumatisierten Menschen
finanziell entschädigen. Und weiter; "der Kosovo-Hilfe zu spenden könne
dahingehend mißverstanden werden, dass ich für die Unterbringung von
Flüchtlingen in Lager wäre." Statt dessen würde sich die Werferin bereit
erklären, den Beitrag der Deserteure in diesem Krieg herauszustellen und
je einen Deserteur der Jugoslawischen Armee, der UCK und der
NATO-Truppen aufzunehmen. Gerade wegen letzterem allerdings müsse
Fischer dafür die Patenschaft übernehmen. Bekanntlich war er auf diesem
Ohr taub.
Die Amtsrichterin lies Monate später ein Urteil ergehen, das die Tat mit
7 Monate Knast auf 3 Jahre Bewährung und 1500 DM an Greenpeace
bestrafte.Von dem Urteil wurde in der Presse berichtet und zugleich
suggeriert, dass der Prozess schon stattgefunden habe.

Gegen das Urteil legten die Anwälte Widerspruch ein. Sie beantragten die
Vernehmung Fischers um seine Rolle im Kosovokrieg zum Thema zu machen.
Fischer ließ daraufhin in das Auswärtige Amt laden, woraufhin 100 bis
150 Menschen mit einer Antikriegskundgebung anwesend waren. Der
kommisarische Richter lehnte eine Frage an Fischer zu seiner Beteiligung
die der Durchsetzung des Kosovokrieges ab, woraufhin die Anwälte ihn für
befangen erklärten. Der Richter wurde selbstredend durch Kollegen für
nichtbefangen erklärt.

Zur Justiz und dem aktuellen Prozeß

Der eigene Widerstand gegen den jüngsten und zukünftige Kriege kann von
uns nicht davon abhängig gemacht werden, ob er Völkerrecht gebrochen hat
oder nicht. Ein radikaler Widerstand gegen die gesellschaftlichen
Verhältnisse wird immer wieder bewusste Gegenwehr, Zivilcourage und
Gesetzesbrüche politisch notwendig machen. Der Farbbeutelwurf war
politisch bestimmt, Fischer als mitverantwortlich für den Krieg blutrot
zu markieren Das Gericht wird nicht die Notwendigkeit von Widerstand
anerkennen und ist nicht Adresse unserer Mobilisierung. Sondern nur
Anlaß dafür, eine öffentliche Position gegen den vergangenen und
zukünftige Kriege sichtbar zu machen und in diesem Vorhaben die
Angeklagte politisch und moralisch zu unterstützen. Der Wurf fand im
Kontext einer Antikriegsaktion statt und unsere Anwesenheit wird dem
noch mal Rechnung tragen, auch um die Personifizierung der spektakulären
Aktion zu durchbrechen. Fischer bleibt uns erspart, stattdessen kommt
ein BKA-Personenschützer als Zeuge. Wenn das Gericht die
Prozessbescherung verlegt, werden auch wir die Mobilisierung verlegen.
Das erfahrt Ihr über die Infotelefonnummer: 030/44013019
Es kann auch sein, dass der Prozess mittendrinne unterbrochen wird, d.h.
das der Prozeß innerhalb der nächsten 10 Tage wiederaufgenommen werden
muß.
Unser Schwerpunkt bleibt auf der Prozesseröffnung. Da wir eine
Verurteilung des Beutelwurfs auf Fischer politisch nicht anerkennen
werden, ist die Urteilsverkündung nicht von Bedeutung für uns.
Solidarität allerdings mit dieser und vergleichbaren Aktionen sind
wichtig, damit Urteile keine einschüchternde, demobilisierende Wirkungen
entfalten können. Es bleibt zu wünschen, dass noch viele Farbbeutel,
Törtchen und Sonstiges ihr Ziel treffen.

Er, Sie, Es...

Es sei noch mal daran erinnert das mit den sexistischen Zuschreibungen
und Personifizierung der Werferin (z.B. "Transvestit besudelt
Fischer":BILD) der Anlass der eindeutigen Aktion vernebelt werden
sollte.
Die Werfende bediente keine eindeutige geschlechtliche Zuordnung. In der
Charakterisierung der Werfenden durch die Presse wurde eine eindeutige
Zuordnung gesucht. So erklärt sich der "Mann im Rock", "Der Transvestit"
Gesellschaftlich wird die Zweigeschlechtlichkeit als Herrschaftsmodell
hochgehalten, basieren doch darauf soziale Hierachien als scheinbar
naturgegeben. So transportierte sich in dem Wurf auch einen Widerstand
der sich herrschenden bipolare Fronten von Mann/Frau, Freund/Feind,
Deutsch/AusländerIn, Schwarz/Weiß und letztlich oben und unten, zu
verweigern sucht.

Warum den Prozeß politisch führen?

Die Mobilisierung nach Bielefeld hat die Funktion, noch einmal
Widerstand gegen den Krieg in die Öffentlichkeit zu tragen und offensiv
zu verteidigen und den Prozess um die spektakuläre Aktion dafür zu
nutzen. Es geht darum die gesellschaftliche Entwicklung hin zu weiteren
Kriegen anzugreifen, wollen wir morgen nicht wieder von Ereignissen
überrollt werden. Und im NATO-Protektorat Kosovo sind die
nationalistischen Vertreibungen unter umgekehrten Vorzeichen weiter
gegangen. Daß im Kosovo die D-Mark offiziell als Zahlungsmittel
durchgesetzt wurde, wird schweigend zur Kenntnis genommen. Und von den
"Kollateralschäden", (mind. 500 durch NATO-Bomben ermordeten
ZivilistInnen, Quelle:Human Right Watch) redet kein Mensch mehr. Die
Lügen, Halbwahrheiten und Verdrehungen welche den schmutzigen Krieg als
humanitäre Aktion verkauften sollten sind so gut wie vergessen. Dabei
wird heute schon der Krieg für Morgen vorbereitet. Die Bundeswehr wird
gerade im EU- und NATO-Rahmen zur aggressiven Eingreiftruppe umgebaut.
Frauen werden in der patriarchalen Mördermaschine verstärkt einbezogen.
NGO´s suchen die verstärkte militärische Kooperation mit dem Militär.
Flüchtlingsabwehr bewegt sich heute schon in militärischen Kategorien,
Manöver werden danach ausgerichtet.
Zukünftige Kriege zu verhindern, erfordert die Suche nach einer
Gesellschaftsutopie und lebbaren Widerstandsperspektive. Viele
unserer(?) alten Orientierungen und Ideen müssen neu gedacht werden.
Dabei müssen wir uns(?) bewußt sein, das Herrschaft durch uns durch
geht. Unsere Art Konflikte miteinander zu lösen und andere
Lebensentwürfe zu leben, ist durchdrungen von einer Herrschaft, deren
fester Bestandteil Militärstrukturen und in Folge Kriege sind.
Zukünftige Kriege zu verhindern heißt nicht nur herrschende Projekte
anzugreifen, sondern selber eine andere Lebensperspektive versuchen zu
leben und sich der Durchdringung unseren Lebens durch Herrschaft bewußt
zu sein...

21.12.-Prozeßtag in Bielefeld

Am 21.12 um 11.00 Uhr beginnt am Platz des Widerstandes (ehem.
Bahnhofsvorplatz) in Bielefeld eine Kundgebung und Demonstration.
Anschließend Enthüllung eines satirischen Kriegerdenkmals mit
Zapfenstreich um 13.00 Uhr am Amtsgericht Bielefeld.
Es gibt verschiedene kurze politische Beiträge von u.a. einem
Fahnenflüchtigen, dem ehem. Kreisgeschäftsführer der Grünen etc. Gloria
Viagra wird mit den "Hauptstädter Fischerchörchen" und den Bremer
"Piratinnen" einige Showeinlagen bieten. Danach wird der Gerichtssaal
geentert.

Berliner BeutelButterBusfahrt zum "Krippenspiel mit Beutelluder"

Von Berlin fährt ein Bus (41Plätze, nur 34,99- jetzt zugreifen) unter
der Schirmherrin Gloria Viagra hin und zurück, Karten gibt es beim Prinz
Eisenherz Buchladen (Bleibtreustr.52), Schwarze Risse(Gneisenaustr.2a)
und im SO 36(Oranienstr.) an der Gardrobe. Tragen Sie Ihren Fummel auf.
Im Bus wird Frau Viagra Tunten, Transen, GenderterroristInnen und allen
Anderen einen Schminkkurs anbieten. Abfahrt am 21.12.00 um 6.30 Uhr am
Oranienplatz in Kreuzberg. Bitte Personalausweis und gute Laune Musik
mitnehmen.

Infotelefon nutzen: z.B. ob der Prozess verschoben wurde:
030/44013019 oder http://www.gaarden.net/no_nato/
Unter
www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/farbbeutelprozess.html
findet sich ein kurzes Interview zur Mobilisierung

Unterstützen? Supergerne...:

* Zum Beispiel Plakate aus dem EX, Schwarze Risse(Gneisenaustr 2a) oder
"Büro für Antimilitaristische Maßnahmen" (Görlitzerstr.63) u. "Kampagne
gegen Wehrpficht" (Kopenhagener Str.71) holen, verkleben, bundesweit
bestellbar (nur Versandkosten) unter: 030-4401300
* Oder entsprechende Flugblätter rumbringen
* Oder in Eurer Stadt den Anlaß nutzen den Krieg zum Thema zu machen
* Oder Info´s in Eure Zeitungen zu bringen...
* Oder Farbbeutel abfüllen und in die Zukunft investieren... Ohren und
Uniformen gibt´ s genug...

Wer Geld spenden will: Prozeßkonto des Berliner Ermittlungsausschusses,
EA, Kontonr.:20610-106, Postbank Berlin, Bankleitzahl 10010010.
Stichwort (wichtig) "Aufprall": Geld das übrig ist bekommt der EA.

Postkontakt: Fischerchöre, c/o Buchladen Schwarze Risse, Gneisenausstr.
2a, 10961 Berlin
E-Mail: mailto:ari@ipn.de mit Betreff: [Antikrieg]


Veranstaltungen:

Diskussionsveranstaltung Nr. 2 zum Farbbeutel Prozess
Wo geht's nach Jugoslawien?
- Überlegungen zu nationalistischem Krieg, Kapitalismus und Widerstand
in Jugoslawien und Deutschland -

Zu Beginn der Veranstaltung gibt es Infos zum am 21.12. anstehenden
Prozess wegen des Farbbeutelwurfes auf Außenminister Josef Fischers Ohr
beim Bielefelder Kriegsparteitag der Grünen vor einem Jahr.(und Video)
Anschließend wollen wir die aktuelle Situation in Jugoslawien, die
Diskurse zur Legitimierung der Nato-Bombardements sowie den Widerstand
gegen den Krieg hier und in Jugoslawien diskutieren.
Infoladen Bandito Rosso,Lottumstr. 10 A, (Nähe U-Bahn Rosa Luxemburg
Platz), Montag 11.12.00, 20 Uhr


Diskussionsveranstaltung Nr. 3 zum Farbbeutel Prozess
Frauen und Bundeswehr
Geschlechterpolitischer Fortschritt beim Militär oder entscheidender
Schlag der Militarisierungswelle?

Emanzipation unter Waffen oder Reservearmee fürs Patriarchat?
Postmodernes Verwirrspiel der Geschlechterrollen oder Modernisierung von
Herrschaft?
und Mobilisierung und Stand des Verfahrens zum Fischerbeutelprozeß und
Video zum Parteitag und Krieg
im Buchladen B-Books, Lübbenerstr 14, Dienstag 13.12.00; 20.00Uhr

 

06.12.2000
Archivgruppe Kiel   [Aktuelles zum Thema: Repression]  Zurück zur Übersicht

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