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Hamburg: Von Züricher Kripo als "unerwünschter Ausländer" ausgewiesen.

Am 7. November 2000 wurde die Hamburger Filmemacherin Margit Czenki
um 6 Uhr morgens von der Zürcher Kripo als "unerwünschter Ausländer"
festgenommen. Jetzt kehrt die Regisseurin nach Zürich zurück: das
Schauspielhaus
zeigt am 26. November eine Werkschau ihrer Filme in der Schiffbauhalle.

7. November 2000:
Für Vorträge an den Hochschulen für Gestaltung und Kunst in Basel und
Zürich, sollte Margit Czenki am Dienstagabend, 7. 11.2000, auf dem Basler
DB-Areal die von der Shedhalle organisierte Filmreihe "b-site the city" mit
ihrem
Film "Park Fiction" eröffnen. Doch wegen der Verhaftung kam es nicht dazu:
die Regisseurin wurde an die Ausländerpolizei übergeben, Stunden später
einem Bezirksrichter vorgeführt. Weil sich zu diesem Zeitpunkt zahlreiche
Personen aus der Kunstwelt und die Presse besorgt und empört an die
zuständigen
Stellen gewandt hatten, kam die Filmemacherin gegen abend vorläufig frei -
zu
spät um die Filmreihe in Basel zu eröffnen. Inzwischen wieder in Hamburg,
geht für Margit Czenki das Verfahren weiter.

1971:
Margit Czenki wurde 1971 in der BRD verurteilt. Es ging um den Bankraub
einer undogmatischen linken Gruppe in München. Nach ihrer Haftentlassung
wurde sie 1976 bei einem Besuch in Zürich überraschend festgenommen und nach
einwöchiger Haft ohne Kontakt zu einem Anwalt oder Freunden "ausgeschafft"
und
vom Bundesamt für Ausländerfragen in Bern zum "unerwünschten Ausländer"
erklärt. In den Achtzigern und frühen Neunzigern bemühte sich ihr Münchner
Anwalt um Aufhebung der Einreisesperre - vergeblich. Mit
Ausnahmegenehmigungen
arbeitete sie als Regieassistentin mehrere Wochen in der Schweiz, stelllte
auf
Einladung des Schweizer Verleihs Film Coopi ihren ersten Spielfilm
"Komplizinnen" vor. 1996 reiste sie wieder in die Schweiz ein: anlässlich
eines
Kongresses in der Roten Fabrik Zürich sollten alle noch bestehenden
Einreiseverbote gegen KongressteilnehmerInnen aus der ehemaligen Guerilla
augfgehoben
werden. Dies ist im Fall der Filmregisseurin - wie wir heute wissen - nicht
geschehen. Bankraub vergibt die Schweiz nie.

Filmabend:
Inzwischen ist bekannt, dass das Amt für Ausländerfragen die vor 24
Jahren verhängte Einreisesperre immer noch aufrecht erhält. Die Regisseurin
hat
ihren Züricher Anwalt Marcel Bossonet beauftragt, diese Verfügung endlich
aufzuheben zu lassen.

Das Schauspielhaus Zürich, ohnehin mit Margit Czenkis Arbeit vertraut,
mag sich ebenfalls nicht damit abfinden, dass die Filmemacherin von einem
Schweizer Amt immer noch auf ein Ereignis - den vor 30 Jahren verübten
Bankraub
- reduziert wird. In der Schiffbauhalle werden deshalb am 26. November ab
20 Uhr folgende Filme von Margit Czenki gezeigt:

Komplizinnen
Spielfilm von Margit Czenki, 1987, 110 Minuten, 35 mm

"Das ist meine Zeit, die will ich nicht absitzen, die will ich leben" - Zu
sieben Jahren Knast ist Barbara gerade verurteilt, wegen Bankraubs. Zwei
Jahre überlebt sie in strenger Einzelhaft, schlägt eigensinnig um sich, um
nicht in Verboten und Verordnungen unterzugehen. Doch es gibt Pannen im
Getriebe der Bürokratie, Lücken zwischen Gitterstäben und Mauern. Dort lebt
sie,
unbeobachtet, und beginnt, heimliche Kontakte zu knüpfen...

Mit Pola Kinski, Therese Affolter, Marianne Rosenberg u.a.

"...Ich war ganz erfüllt von den "Komplizinnen"; so intensiv hatte ich im
Film den Knast noch nie erlebt, und gleichzeitig hatte ich das Gefühl, ein
Werk gesehen zu haben, das für den deutschen Film wieder hoffen lässt, etwas
exemplarisches, ein Meisterwerk oder so, mindestens. Aber sie Meisterin zu
nennen war mir denn doch zu blöd - an was für Regeln sollte man
"Komplizinnen" denn messen; es ging ja gerade um Regelverstösse, um das
"trotzdem
leben"." Dietrich Kuhlbrodt

Swingpfennig / Deutschmark
ein Roadmovie zu Fuss, von Margit Czenki 1994, 90 Minuten, 16 mm

Eine Gruppe Jugendlicher aus dem Punk-trifft-Hip Hop Umfeld der frühen
90er, schweift durch das Rotlichtviertel St.Pauli und stösst dabei immer
wieder
auf Spuren widerständigen Lebens in der Nazizeit: die Swingjugend -
Jugendliche, die swing hörten - darauf kann man nicht marschieren. dafür
wurden sie
in KZs gesteckt - viele kamen um. Die Malerin, die von den Nazis für
verrückt erklärt und ermordet wurde, weil sie Prostituierte und
nicht-arische
Menschen malte. Die Opiumhöhlen im Chinesenviertel, der berühmte Tätowierer
Christian Wahrlich... Vor dem Hintergrund des wieder erstarkten Nazi-Mobs
seit
der "Wiedervereinigung" gedreht. Mit Ted Gaier und Schorsch Kamerun (Die
Goldenen Zitronen), Francoise Cactus (Stereo Total), Calamity Jane, Daniel
Richter (jetzt als Maler bekannt) u.v.a.

Park Fiction
- die Wünsche werden die Wohnung verlassen und auf die Strasse gehen
Filmcollage von Margit Czenki 1999, 60 Minuten, 16 mm

Über das interventionistische Kunst-Projekt, kollektive Wunschproduktion
und wie eine kleinen Gruppe sehr unterschiedlicher Leute die Stadt Hamburg
austrickst um einen Park statt millionenschwerer Bebauung an St.Pauli's
Elbufer durchzusetzen. In schillernden Bildern auf Super 8 gefilmt, mit
einer
veralteten Trickkamera aufgeblasen.
Mit Schorsch Kamerun,Christoph Schäfer, Andreas Siekmann uva. , plus einer
Reader's Digest Fassung von "Parks & Politik".

"Obwohl "Park Fiction" den Seh- und Hörgewohnheiten zuwider läuft, haftet
ihm aber, und das macht ihn tatsächlich bezaubernd, nichts Angestrengtes und
um Avantgarde-Charakter Bemühtes an...."Park Fiction" ist einer der
seltenen Filme, die denen gehören, die ihn sehen und hören." Oliver Tolmein,
taz


Kontakt:
Park Fiction, Christoph Schäfer,
Tel ++49-(0)40-310 930 /
Fax ++49-(0)40 - 31 51 81
e-mail: m.czenki@gmx.de
Schauspielhaus Zürich, Marlies Lanker, Pressestelle: ++41-1-2655 830
--------------------

Wer den Aufhebungsantrag unterstützen möchte - ohne Öffentlichkeit bewegen
sich Behörden bekanntlich keinen Millimeter - wende sich bitte höflich aber
bestimmt an:

Justiz- und Polizeidepartement
Direktion des Bundesamtes für Ausländerfragen
Quellenweg 15 / Wabern
CH-3003 Bern

...und eine Kopie bitte an Christoph Schäfer / Margit Czenki

 

18.11.2000
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Repression]  Zurück zur Übersicht

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