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Austria: Blaue Saubermänner?

Damit ob der "Spitzelaffäre" niemand die "Spendenaffäre" vergißt hier die
Aussendung der Antifaschistischen Linke, AL, zu den zwielichtigen Geschäften
der F-Partei:


Liebe Freundin, lieber Freund, liebe Genossin, lieber Genosse!

Derzeit bringt der Online-Standard eine hochinteressante Zusammenstellung
der Finanziers der FPÖ. Anlass ist die jüngste Parteispendenaffäre, in
die Justizminister Böhmdorfer verwickelt sein duerfte. Der vor einiger Zeit
verstorbene österreichische Grossindustrielle hat dabei mutmasslich mehrere
Millionen Schilling an die FPÖ gespendet.

Im folgenden dokumentieren wir zwei Artikel aus dem Standard.

Jörg Haider weinte. Er, der seit Jahren in der Politik den starken Mann
gibt, zeigte menschliche Regung und Schwäche. Seine Tränen galten Herbert
Turnauer, der an diesem Wintertag Anfang des Jahres zu Grabe getragen wurde.
Unter den ausgewählten Trauergästen: Haider und Gattin Claudia.

Turnauer war eine der großen österreichischen Unternehmerpersönlichkeitenund
Haider stets sehr zugetan. Er machte daraus auch kein Hehl. So erinnert sich
ein Ohrenzeuge, wie Turnauer in kleiner Runde einmal sagte, dass er aus
wirtschaftspolitischer Sicht Haider für fähiger halte als die gesamte ÖVP.
Und Turnauer ließ sich seine Sympathie etwas kosten.

Millionen im Kuvert

Knausrig war er nicht, über Jahre soll er brav seinen Tribut geleistet
haben. Es war ein offenes Geheimnis, aber eines, das sich nicht belegen
ließ. Jetzt beschwört ein ehemaliger Konzipient der Kanzlei Böhmdorfer, dass
er Zeuge gewesen sei, als im November 1996 fünf Millionen Schilling auf
seinem Schreibtisch gelandet sind. Dieter Böhmdorfer, heute Justizminister,
bestreitet wie alle übrigen angeblich Beteiligten, dass es jemals eine
solche spektakuläre Geldübergabe gegeben habe. Was auch ein Insider
bestätigt: Turnauer habe nämlich stets mit Verrechnungsschecks gezahlt. Doch
der Zeuge beharrt darauf, dass FPÖ-Klubdirektor Josef Moser die fünf
Millionen persönlich überbracht habe - zehn Bündel bankfrische Fünftausender
-Scheine im braunen, unverschlossenen Kuvert. Die Kandidatur der damaligen
FPÖ-Generalsekretärin Heide Schmidt im Präsidentschaftswahlkampf 1992 soll
Turnauer mit sieben Millionen Schilling unterstützt haben. "Er hat mir
einmal angekündigt, dass er spenden würde", bestätigt Schmidt dem STANDARD:
"Und ich weiß, dass er es auch getan hat."

Das Problem der FPÖ ist jetzt allerdings, dass sich Turnauers Großzügigkeit
in den gesetzlich vorgeschriebenen Rechenschaftsberichten nicht
niedergeschlagen hat. Haider sucht die Nähe zu den Reichen und Superreichen
im Lande, und nicht wenige von denen fühlen sich zu ihm hingezogen. Gaston
Glock, der es mit Pistolen zu ansehnlichem Reichtum gebracht hat, wird in
Kärnten ebenfalls zum engeren Freundeskreis des nunmehr einfachen
Parteimitglieds gezählt, lässt das freilich bestreiten. Und klagt, wenn von
Parteispenden gesprochen wird.

Umso bemerkenswerter ist die Vermutung, die Haider dieser Tage geäußert hat:
Glock werde eben wegen seiner Nähe zu den Freiheitlichen vom Fiskus
verfolgt. Das Unternehmen soll, so der Verdacht der Finanz, in den
vergangenen Jahren im großen Stil Steuern hinterzogen haben. Von bis zu 500
Millionen Schilling ist die Rede.

Imposante Liste

Turnauer und Glock reihen sich ein in eine imposante Liste mit Namen, die
Jörg Haider und der FPÖ freundschaftlich zugetan waren und sind. Franz
Joseph Hartlauer etwa, der verstorbene "Fotolöwe", verschwieg sich
diesbezüglich nie. Von Ernst Hofmann aus Kammern in der Obersteiermark, der
mit Fleisch, Hi-Tech-Produkten, Kunststoffverpackung, Marinadenerzeugung und
im Transportwesen ein Vermögen machte und sich einen eigenen Fußballklub
hält, wird in der Partei ehrfürchtig die "blaue Eminenz" genannt. Auf den
Bauunternehmer Robert Rogner wird ebenso verwiesen wie auf Hans Tilly,
Holzindustrieller aus Friesach, oder Herbert Koch, Chef des Möbelhauses
Kika. Die Liste prominenter und potenter Sympathisanten ist lang, wenn auch
wenig bekannt. Bis zur Regierungsbeteiligung der FPÖ galt es nämlich nicht
als schick, die Blauen zu unterstützen, mitunter sogar als Hindernis im
wirtschaftlichen Fortkommen. Die Spenden an eine Partei sind oft nicht als
solche zu erkennen. Sie bestehen in Druckkostenbeiträgen, in der Übernahme
von Personalkosten, in "Betriebsaufwendungen" - durch das Bereitstellen von
Fahrzeugen, auch Flugzeugen, durch günstige Gegenverrechnungen. Auch
Sachspenden reihen sich hier ein, das Ausrichten von Festen und
Veranstaltungen aller Art.


Es war im Frühsommer 1998, als der niederösterreichische FPÖ-Abgeordnete
Peter Rosenstingl verschwand, und mit ihm viele Millionen. Die geschockte
Parteiführung tat, was sie in heiklen Situationen stets tut: Erst wurde
bestritten und vernebelt. Sodann totale Transparenz geschworen. "Gläserne
Kassen" wurden angekündigt, auf dass fortan kein Schatten auf die Partei der
Anständigkeit falle. Das freiheitliche Reinheitsgebot von 1998 verordnete
den Funktionären eine Einkommensobergrenze von 60.000 Schilling netto. Brav
traten sie auf einem außerordentlichen Parteitag zur Entblößung an, allen
voran Jörg Haider. Ein Hauch von Buße lag in der Luft. Zweieinhalb Jahre
sind seither vergangen, die FPÖ hat die Causa Rosenstingl weitgehend
unbeschadet hinter sich gebracht, und von den Gelöbnissen ist nicht viel
geblieben. Von "gläsernen Kassen" kann keine Rede sein, ganz im Gegenteil.
So undurchsichtig wie heute waren die blauen Finanzen niemals zuvor. Sie
erscheinen vordergründig als ein Wirrwarr von Geldflüssen und Kassen, Fonds
und Firmen, kleinen Spendern und großen Gönnern. Doch was ein System ohne
Plan zu sein schein, erweist sich bei näherer Betrachtung als fein
gesponnenes Netzwerk. Dessen einziger Zweck ist die Finanzierung des
"Projekts Haider", dessen oberstes Prinzip die Heimlichkeit. (DER STANDARD,
Print-Ausgabe, 11./12. 11. 2000)


FREUNDE & FÖRDERER

A

Ammering, Ernst, Ried im Innkreis. Der Buchbinder hat es geschafft, vom
Steger-Fan zum Haider-Vertrauten zu wechseln. Beim Obmann von
Oberösterreichs freiheitlicher Unternehmerschaft nächtigt Haider, wenn er im
Innviertel weilt, etwa wenn er aschermittwochs in der Rieder "Jahnturnhalle"
seine mittlerweile legendäre Brandrede hält.
Arnsteiner, Toni, Mittersill. Der wortgewaltige Skifabrikant in Ruhe
(Blizzard) gilt als in der Wolle tiefschwarz eingefärbt, hat aber nie ein
Hehl daraus gemacht, seinen Freund Haider auch schon finanziell unterstützt
zu haben.
Augustin, Karl, Salzburg. Hat es vom kleinen Speditionslehrling zum
Großfrächter gebracht, der heute Herr über eine aus mehr als 500 Fahrzeugen
bestehenden Lkw-Flotte und an die 650 Mitarbeiter ist. Sein Führungsstil,
heißt es, sei autoritär.

B

Böhm, Werner, Wien. Soll zahlreiche führende Freiheitliche indirekt reich
gemacht haben, indem sie sich an dem von ihm gegründeten
E-Commerce-Softwarehaus Y-Line beteiligten. Dieses brachte der frühere
IBM-Mitarbeiter Böhm nach nur 18 Monaten an die Börse, wobei er als
Hauptaktionär 300 Millionen Schilling abcashte.

C

Canori, Mario, Klagenfurt. FPÖ-Kommunalpolitiker und, wie Karl Grasser,
Vater des derzeitigen Finanzministers, Gesellschafter der "RS
PrivatradiogesmbH".

E

Egger, Fritz, sehr vermögender Selfmademan aus Niederösterreich,
Spanplattenerzeuger und Bierbrauer mit rund 3300 Mitarbeitern. Freunde
vermuten, dass der bullige und leutselige Unternehmer der FPÖ gegenüber sehr
großzügig sei und dass sein Wort innerparteilich durchaus Gewicht habe.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12. 11. 2000)

 

14.11.2000
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