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Amsterdam/Philippsburg: Polizei beschlagnahmt Küche

Am 16.Oktober 2000 hat die Polizei in Baden-Württemberg zwei mobile
Küchen mit kompletter Ausrüstung und zwei Bussen beschlagnahmt, die eine
von Rampenplan aus Sittard (Niederlande), die andere von Maulwurf aus
Freiburg. Damit sollte verhindert werden, dass die Küchen für das
Anti-Atom-Camp in der Nähe von Phillipsburg kochen.

Wir möchten diese Nachricht möglichst breit verteilen, weil das Vorgehen
von Polizei und Justiz Konsequenzen für alle Menschen und Gruppen haben
kann, die Protest bzw. Widerstand in ähnlicher Form organisieren wollen.
Hier soll ein Präzedenzfall geschaffen werden, um Polizei und Justiz ein
Vorgehen gegen alle Aktionsformen zu ermöglichen, die eine
funktionierende Infrastruktur benötigen.

Was ist passiert?

Das Aktionscamp in Oberhausen, ca. 7 Km von Phillipsburg entfernt, ist
durch eine Notverordnung, ausgestellt vom Landratsamt Karlsruhe,
verboten worden, direkt nachdem es aufgestellt worden ist. Während des
Abbaus fängt ein Polizist an, eine regelrechte Geschichte zu erzählen,
wie wichtig doch die mobilen Küchen für diese Art von Aktionen sind:
"...da, wo Rampenplan Essen austeilt, halten die Demonstranten viel
länger durch..." Die Organisatoren des Camps finden es besser, den
Landkreis zu verlassen, und dann weiter zu sehen. Nachdem das Camp
abgebaut und alle schon ein paar Kilometer weit weg sind, taucht die
Polizei wieder auf, und nimmt alles in Beschlag. Drei Tage später, am
19. Oktober, beschlagnahmt die Polizei die komplette Büro-Ausstattung
von "X-tausend mal quer". Es geht darum, die Infrastruktur der
Demonstranten aufzubrechen. Es sieht so aus, dass Polizei und Justiz die
früheren Aktionen in Gorleben und Ahaus genau studiert und nun ihre
Lektion gelernt haben.

Die Gründe für die Beschlagnahme werden gefunden im § 33 des
Polizeigesetzes. Die Polizei kann Sachen in Beschlag nehmen bei einer zu
erwartenden möglichen Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Die Aufrufe von ?X-tausend mal quer", mit direkten Aktionen und zivilem
Ungehorsam gegen Atommülltransporte zu protestieren, werden zur
Begründung herangezogen. Ob eine mögliche Unterstützung dieser Art von
Protest durch das Aufbauen eines Camps und das Kochen für dessen
Teilnehmer auch unter diesen Paragraphen fällt, weiß die Polizei selber
auch nicht zu sagen: "Wir begeben uns auf Glatteis. Viel wichtiger aber
ist, dass eure Infrastruktur jetzt nicht mehr funktioniert. Danach sehen
wir weiter."

Der Richter bestätigt die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme, und zwar für
einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten. Der juristische Weg ist der
einzige, der noch übrig bleibt.

Es geht uns jetzt nicht darum, zu jammern. Natürlich ist es wichtig,
Rampenplan und Maulwurf solidarisch zu unterstützen. Viel wichtiger aber
ist, zu überlegen und konstruktiv zu diskutieren, wie wir mit solchen
Situationen umgehen bzw. sie vermeiden können. Wir geben im Folgenden
ein paar Vorschläge wieder, die aus dem Umfeld von Rampenplan formuliert
worden sind.

Wenn wir vorher über die Möglichkeit des Eintreffens von solchen
Situationen sprechen, kann das eigene Handeln dann, wenn sie denn
eintreffen, vielleicht schneller und effektiver sein.

Eine Möglichkeit ist, mit Verträgen oder offiziellen Erklärungen zu
arbeiten, in denen sich z.B. von Gewalt distanziert wird. Das kann eine
Möglichkeit sein, sich vor dem Vorwurf der "Mittäterschaft" zu schützen;
die Rechtsprechung wird das zeigen.

Der Nachteil von solchen Erklärungen ist, dass mit Distanzierungen dem
Staat zugearbeitet wird, dessen Absicht es ist, den Widerstand zu
spalten in einen sogenannten gewaltbereiten und gewaltlosen Widerstand.
Darüber hinaus wird es dem Staat überlassen, wie denn Gewalt definiert
wird.

Es ist natürlich immer möglich, dass Polizei und Justiz "Testballons"
steigen lassen, um Gesetze in den jeweiligen Situationen freier
interpretieren zu können, so wie es jetzt auch in Phillipsburg passiert
ist.

Anstatt große Camps aufzubauen mit einer zentralen Küche kann es
vielleicht besser sein, mehrere kleine Camps durchzuführen und in
Netzwerken zu kooperieren. Vielleicht ist das besser, als dass in einem
Mal direkt alles abgeräumt werden kann. Kleinere Camps haben auch den
Vorteil, dass es für die Polizei schwieriger wird, alles im Auge zu
behalten. Auf der anderen Seite kann ein kleineres Camp natürlich auch
einfacher von der Polizei abgeräumt werden; es ist schwieriger, einen
"uneinnehmbaren" Block zu bilden.

Mit kleineren Kochgruppen zu arbeiten, kann auch bedeuten, dass mehr
Material und mehr Menschen nötig sind, die sich darum kümmern. Aber
Dezentralität sollte eigentlich unsere Stärke sein.

Eine andere Strategie kann sein, dass die Sachen von z.B. einer Küche
bei mehreren Menschen verteilt werden; es geht hier um Menschen als
Rechtspersonen. Diese Rechtspersonen verleihen dann das Material für
z.B. eine Küche. Im Fall einer Beschlagnahme kann das bedeuten, dass die
beschlagnahmten Gegenstände früher wieder zurückzubekommen wären. Das
bedeutet allerdings eine bürokratische Organisation, mit der sich
auseinander zusetzen wäre.

Das können mögliche Ansatzpunkte einer Diskussion sein.

Es wäre gut, wenn diese Informationen weiterverbreitet werden würden.
Wer mehr Informationen möchte (Zeitungsartikel, Augenzeugenberichte,
Eidesstattliche Erklärungen oder die Begründung des Landratsamtes
Karlsruhe), kann sich melden bei:
 fnb.adam@gmx.net (Food not bombs Amsterdam).
Weitere Informationen und Diskussionsbeiträge auch bei:
 ramp@antenna.nl (Kollektiv Rampenplan, Sittard).

Food not Bombs Amsterdam

P.S. Am 10.11. hat die Polizei die beschlagnahmten Küchen ausgehändigt,
mit der Drohung, "sie das nächste Mal nicht mehr wieder herzugeben." Das
ändert nichts an der Notwendigkeit der Diskussion.

 

11.11.2000
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