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Jena:: Prozeß gegen Menschenrechtsaktivist geplatzt

Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
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Pressemitteilung 13.10.2000
Prozeß gegen Menschenrechtsaktivist geplatzt
"Residenzpflicht" auf der Anklagebank

Das Verfahren gegen Cornelius Yufanyi vor dem Amtsgericht Worbis muß
ganz neu aufgerollt werden. Ihm wird vorgeworfen, mehrfach gegen die
sog. Residenzpflicht verstoßen zu haben: ein Paragraf im
Asylverfahrensgesetz, der asylsuchenden Flüchtlingen jegliche
Bewegungsfreiheit nimmt und deshalb von dem Angeklagten in seiner
Eingangserklärung als diskriminierend und rassistisch bezeichnet wurde.

Nach etwa zweistündiger Verhandlung am gestrigen Donnerstag brach die
Richterin den Prozeß ab, weil erkennbar wurde, daß der einzige Zeuge der
Anklage auf keinerlei eigene Erkenntnisse zurückgreifen konnte. Zudem
hatten die verteidigenden Rechtsanwälte zum Ausdruck gebracht, daß sie
den skandalösen Charakter dieses Verfahrens und die zugrundeliegenden
gesetzlichen Bestimmungen ausführlich in weiteren Beweisanträgen
thematisieren werden.

Etwa 80 Menschen versammelten sich am 12.10. vor dem Gebäude des
Amtsgerichtes zu einer Protestkundgebung gegen die sog. Residenzpflicht
und zur Unterstützung des Angeklagten. Sie wurden mit einem
übertriebenen Sicherheitsaufwand konfrontiert: martialisch ausgerüstete
Polizeieinheiten im Hinterhof, Leibesvisitationen aller Prozeßbesucher
und Zivilpolizisten in der kompletten ersten Reihe im Prozeßsaal. Schon
im Vorfeld sollte scheinbar der Eindruck entstehen, daß hier etwas
besonders Gefährliches verhandelt wird, UnterstützerInnen sollten
abgeschreckt werden.

Doch im Verfahren selbst stand vor allem die Residenzpflicht selbst auf
der Anklagebank. Etwa 40 UnterstützerInnen konnten im Prozeßsaal Platz
finden, sie ließen sich trotz dauernder Ermahnungen seitens der
Richterin nicht von Beifallsäußerungen für den Angeklagten und seine
Verteidiger abhalten.

Ein Rechtsanwalt von Herrn Yufanyi hatte zunächst eine Überprüfung des
die Residenzpflicht begründenden Gesetzes durch das
Bundesverfassungsgericht verlangt. Die Aufenthaltsbeschränkung für
Asylbewerber widerspreche eindeutig dem Grundgesetz in mehrfacher
Hinsicht und sei insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen
Situation ständiger rassistischer Übergriffe nicht aufrechtzuerhalten.
Die Richterin lehnte den Antrag zwar ab, doch auch in der Folge gab es
im Gerichtsaal nur ein Thema: die diskriminierenden Auswirkungen der
Residenzpflicht und die schikanösee Umsetzung durch die
Ausländerbehörde. Ein Vertreter der für Herrn Yufanyi zuständigen
Ausländerbehörde war als Zeuge der Anklage geladen. Doch er hatte die
Information, daß Herr Yufanyi ohne entsprechende Reiseerlaubnis zu einem
Flüchtlingskongress nach Jena gefahren sei, lediglich einem
Zeitungsartikel entnommen und war während der Befragung durch die
Verteidigung vor allem mit der Willkürlichkeit seiner Erlaubnisvergabe
konfrontiert. Zudem kam ans Licht, daß unter seiner Verantwortung
angebliche "Erkenntnisse" mit rassistisch geprägten Unterstellungen
bezüglich Herrn Yufanyi an andere Behörden weitergeleitet wurden. Dies
hatte selbst die Datenschutzbeauftragte des landes Thüringen als
rechtswidrig gerügt.

Unmittelbar nach der Verhandlung wurden vor dem Amtsgericht eine weitere
Kundgebung abgehalten und weitere Proteste gegen die Fortsetzung des
skandalösen Prozesses angekündigt. Abschließend wurde eine kleine
Demonstration durch Worbis durchgeführt.

Mit freundlichen Grüßen
i.A. Hagen Kopp

Weitere Informationen können Sie erfragen bei:
Cornelius Yufanyi, Mitglied der afrikanischen Menschenrechtsgruppe The
Voice und Koordinator der Kampagne für die Freilassung der politischen
Gefangenen in Kamerun Tel.: 0170/8788124
Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräf, Tel.: 030/25293337
Hagen Kopp (Initiative "kein mensch ist illegal") Tel.: 0172/6688454

 

13.10.2000
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