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Prag: Chronologie des EA Prag

Prag am 27.9.2000

09:00 Festnahme bei der Blockade des Hilton-Hotels. Die Polizei geht außer-
ordentlich brutal vor.

10.00 460 Festnahmen im Laufe der Nacht. Massive Deportationen, besonders
nach Deutschland. Den Festgenommen wurden Rechtsanwälte und Anrufe verweigert.
Zwei IMC-Reporter ebenfalls deportiert. Einem von Ihnen wurde von den Bullen $
2.500 IMC-Gelder gestohlen.

10:10 Die Polizei fordert die Schließung des Convergence Center (Gegen-
kongress) binnen zwei Stunden. Angeblich will sie dort Leute beim Bauen von
Mollis gesehen haben. Der Koordinator des Convergence Centers wird verhaftet.

10:30 Abschiebung von DemonstrantInnen über die tschechische Grenze im klaren
Bruch geltender tschechischer Gesetze, wonach zuvor eine Anhörung stattfinden
muss.

12:15 DemonstrantInnen planen vom Namisti Miru Platz zu den Gefägnissen
zuziehen. Den Gefangenen wird immer noch das Telefonieren verweigert.

12:41 Die Polizei hat Namisti Miru abgesperrt. Berichte besagen, dass das
Convergence Center komplett geräumt wurde.

12:41 Die Jugoslavska Strasse, auf der sich das Büro der Peoples Global Action
befindet (PGA), ist von der Polizei gesperrt worden. Dort befinden sich 100
Polizisten und Polizeiwannen fahren dorthin.

13:14 Die Polizei erlaubt den Abzug der DemonstrantInnen vom Namisti Miru.
Beim Verlassen des Platzes werden sie von starken Polizeikordons mit chemischen
Waffen auf beiden Seiten eingekreist. Der Presse wird weiterhin der Zugang
verboten.

13:39 Bericht aus dem Knast über ein reingeschmuggeltes Handy. Die Gefangenen
sind nach Geschlechtern getrennt. Während die männlichen Gefangenen nicht
geschlagen wurden, soll die Gruppe der Frauen von der Polizei geschlagen und
sexuell belästigt worden sein.

13:47 Die Polizei teilt mit, dass das Convergence Center bis 00.00
vollständig geräumt sein muss. Die Fristverlängerung kam nur aufgrund von
massiver Presseanwesenheit zustande. Angeblich sei die Polizei im Auftrag des
Vermieters da. Der wußte allerdings auf Rückfrage von gar nichts. Tut aber
nichts zur Sache. Die Polizei versucht offensichtlich alle Versammlungsräume
der IWF-GegnerInnen zu schließen.

14:01 500 Leute ziehen nordwestlich von Namisti Miru durch sie Stadt,
eingekesselt von der Polizei. Ziel des Marsches ist die Erkundung der Lage der
Gefangenen. Es wird über eine Auflösung unter der Bedingung verhandelt, dass
man vier Beobachter in den Knast schicken kann und dass keine Personalien
festgestellt werden.


14:19 DemonstrantInnen die mit Bussen deportiert wurden, berichten das sie von
den Bullen in den Bussen verprügelt wurden.

14:21 Der Marsch zum Knast, der aus rund 1000 DemonstrantInnen bestehen soll,
wird weiterhin von der Polizei eingekesselt. Niemand darf den Wanderkessel ohne
Personalienfeststellung verlassen. Es wird diskutiert, wie weiter vorgegangen
werden soll.


14:47 IMC zufolge sind 7 Festgenommene aus dem Knast freigelassen worden. Sie
berichten, dass sie geschlagen wurden und über 20 Stunden lang gefesselt waren.

15:01 Einem IMC-Bericht zufolge werden am Namisti Miru Platz Sanitäter von der
Polizei belästigt und aus der Gegend vertrieben und/oder festgenommen.

16:25 Einem Bericht zu Folge wurde President Havel in der Nähe der
Metrostation Muzeum von DemonstrantInnen überrascht (er hatte zuvor in
Begleitung größerer Mengen Bodyguards den entglasten McDonalds begutachtet)

17:23 Berichte bestätigen sich, wonach eine Gruppe von 25 inhaftierten Frauen
von der Polizei geschlagen und sexuell belästigt wurde. Amnesty International,
NOW und Frauenrechtsorganisationen wurden informiert und sollen Druck auf
die tschechische Regierung ausüben.

18:05 IMC erhält einen Bericht, wonach das Treffen des IWF am morgigen
Donnerstag abgesagt wurde. Der Bericht wurde bestätigt. Offizielle Begründung,
das Treffen solle früh enden und man sei heute sowie mit der Tagesordnung fertig
geworden.

19:10 Das ZDF Heute-Journal berichtet, der IWF sei vorzeitig beendet worden,
"vermutlich wegen der anhaltenden Proteste". Auch andere Sender und
Nachrichtenagenturen berichten, trotz Dementi der Kongressleitung, dass die
IWF-Tagung aus Furcht vor weiteren Protesten nicht fortgesetzt wird.

19:20 Die offiziellen Feierlichkeiten, die für heute abend auf der Karlsbrücke
geplant waren, sind laut IMC abgesagt worden.

19:33 Es sammeln sich Leute in der Altstadt. Einige hundert Polizisten sind
ebenfalls in der Gegend.

20:01 400 Demonstratinnen besetzten die Karlsbrücke auf der die abgesagten
offiziellen Feierlichkeiten stattfinden sollten. Die Polizei beginnt die Brücke
von beiden Seiten einzuschließen. DemonstrantInnen aus der Altstadt machen sich
auf den Weg zur Brücke.

20:31 Es bestätigen sich die Berichte über extreme Brutalitäten der Polizei
innerhalb der Gefängnisse. Den ganzen Tag über wurden wahllos Leute, die wie
DemonstrantInnen "aussahen" belästigt und festgenommen. Das Innenministerium hat
alle Kontakte zu den legalen Beobachtern der OPH abgebrochen.

20:40 Mehr und mehr Leute versammeln sich in der Altstadt zu einer großen
Siegesfeier.

Das war das erste Mal, doch es wird nicht das letzte Mal sein...

Soliaktionen u.a. in Trick Candles, Los Angeles, Portland, Duluth, Hartford,
Tuckson, Washington, Genf, Stavanger, Berkely, Uppsala, Korneva de Llobregat,
Boise (Idaho, USA), Montreal, Madrid, NSW (Australien), Dijon, Kalkutta, San
Francisco, Gainsville, Providence, Buffalo, Hadlyer, Malmö, Chicago

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Pressemitteilung des Ermittlungsausschusses zum Polizeiverhalten im Zusammen-
hang mit den Protesten gegen IWF und Weltbank in Prag vom 24. ? 28.September
2000

28.09.00 - Prag

Folterungen in tschechischen Gefaengnissen gegenueber auslaendischen
DemonstrantInnen ? Deutsche Botschaft unternimmt nichts

In den Stunden und Tagen nach den Protesten zur Eroeffnung des Weltbank und
IWF-Treffens in Prag am 26. September ermittelten wir zahlreiche Misshandlungen
und Folterungen von festgenommenen Demonstrantinnen im tschechischen Polizei-
gewahrsam.

Folgende drastische Faelle sollten Sie dringend zur Veroeffentlichung bringen:

- eine Frau befindet sich derweil im Krankenhaus mit gebrochenem Bein und
Schulterblatt - Die Polizei gibt an, sie sei aus dem Fenster der Polizeiwache
gefallen.

- Eine norwegische Frau befindet sich in einer Zelle des Gefaengnisses Olsanska
mit angebrochenem Bein ? ihr wird aerztliche Hilfe verweigert.

- Ein deutscher Mann befindet sich in einer Zelle mit gebrochenem Arm ? ihm wird
ebenfalls aerztliche Hilfe verweigert.

- Einem deutschen Mann wurden durch absichtliches Zuschlagen einer Tuer vier
Finger der dazwischen eingeklemmten Hand gebrochen.

- 30 Personen verschiedener Nationalitaeten wurden gezwungen innerhalb des
Gefaengnisses Olsanska unter freiem Himmel zu schlafen. Sie wurden mit CS-Gas
innerhalb des Gefaengnisses attackiert und ausserdem geschlagen.

- 7 Personen wurden mit festgebunden Haenden ueber dem Kopf gezwungen 20 Stunden
lang zu stehen.

- Die Koepfe einiger Frauen wurden auf Tische geschlagen.

- Mehrere Personen verschiedener Nationalitaten wurden durch zwei Reihen
Polizisten getrieben, die mit Knueppeln bewaffnet auf die Gefangenen ein-
schlugen.

Hier sind nur die drastischsten Faelle exemplarisch aufgezaehlt. Wir erhalten
unzaehlige weitere Meldungen ueber Schlaege und Tritte gegenueber gefangenen
DemonstrantInnen und die MELDUNGEN REISSEN NICHT AB.
Zudem wird jedem Gefangenen der ihm zustehende Telefonanruf verweigert. Die
Wenigsten erhalten Essen oder etwas zu Trinken.

Besondere Polizeibrutalitaet gegenueber Auslaendern

Mit besonderer Brutalitaet gehen die tschechischen Polizeibehoerden gegen
auslaendische Inhaftierte vor. So wurde die oben genannten Misshandlungen
ausnahmslos gegenueber Auslaendern veruebt. Den inhaftierten Tschechen
gegenueber verhalten sich die Behoerden zwar nicht fair aber auch nicht derart
brutal. Zwei Tschechen wurden misshandelt, weil sie fuer Auslaender gehalten
wurde.

Skandaloeses und menschenverachtendes Verhalten der Deutschen Botschaft
Mit voelliger Ignoranz reagierte die deutsche Botschaft in Prag auf die von uns
geschilderten Faelle von Polizeibrutalitaet gegenueber deutschen Inhaftierten.
Ohne Beweise wolle sie nichts unternehmen, teilte uns der Konsul von Prag in
einem Telefonat vom 27.09.00 mit. Zudem geht aus einem Fax der Botschaft als
Antwort auf eine Anfrage des Mitgliedes des deutschen Bundestages Carsten
Huebner zur Situation in Prag hervor, dass die Botschaft aufgrund der vielen
Erfahrungen mit den Verhaltensweisen der tschechischen Polizei nicht von den
oben genannten Misshandlungen und Folterungen ausgeht. Sie wird dementsprechend
zu diesem Zeitpunkt nichts fuer die Sicherheit der inhaftierten Deutschen
unternehmen oder angemessen reagieren, um zur Aufklaerung der vorgetragenen
Faelle beizutragen. Dieses Verhalten ist unverantwortlich! Andere auslaendische
Vertretungen reagieren in diesem Zusammenhang im Uebrigen wesentlich besorgter
und dementsprechend kooperativer.

Zur Stunde befinden sich noch unzaehlige AuslaenderInnen und TschechInnen in den
Gefaengnissen der Tschechischen Republik. Darunter sind viele Deutsche. Ueber
genaue Zahlen koennen wir Sie zur Zeit nicht informieren, da den Inhaftierten
wie oben erwaehnt die ihnen zustehenden Telefonate verweigert werden.
Aber insgesamt wurden mehr als 800 Personen im Zusammenhang mit den Protesten
inhaftiert. Davon sind weit mehr als die Haelfte noch in Haft und befinden sich
in groesster Gefahr!!!

Ermittlungsausschuss Prag am 28.09.00 ? 19.30 Uhr

 

29.09.2000
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