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Halle: 27.05. Antifa Benefiz Konzert

Open your eyes - time to wake up. Das Antifa-Benefiz und die Hintergründe.

Die derzeitige Situation

Die Selbstverteidigung und der Widerstand gegen Nazis ist Grundbestandteil
linker Politik. In den 80er Jahren und noch Anfang der 90er ist es in vielen
Orten gelungen, mit entschlossener Gegenwehr, ein öffentliches Auftreten von
Faschisten unmöglich zu machen. Bündnisdemonstrationen, militante Angriffe,
Aufklärungsarbeit und nicht zuletzt die kontinuierliche Präsenz
antifaschistischer Positionen in der politischen Öffentlichkeit haben dazu
beigetragen, die Nazis in die Defensive zu drängen. Faschisten hatten
keinerlei Platz im öffentlichen Raum. Galt dieses Klima bis Mitte der 90er
noch für viele Regionen in der BRD als normal, stehen wir inzwischen vor
einer veränderten Situation. Der Organisierungsgrad und die Aktivitäten
faschistischer Organisationen und Gruppen haben ein, nicht für möglich
gehaltenes Ausmaß erreicht. Nazis in Parlamenten, Aufmärsche und
Versammlungen an jedem Wochenende, Kleinstädte, Stadtteile, Gemeinden,
Straßenzüge und Jugendklubs - die durch Nazis beherrscht werden sowie als
Organisationsräume und Rekrutierungsfeld für diese dienen, Nazi-Fanzines,
Nazi-Plattenläden, Nazi-Bands und Kinder, die bereits mit rechten
Konstrukten und Symbolen heranwachsen, sind mittlerweile Normalität. Nicht
zu vergessen, die alltäglichen faschistischen und rassistischen Übergriffe,
die in den zehn Jahren nach der so genannten Wende über 200 Todesopfer und
tausende, teilweise schwer Verletzte forderten. Diese Entwicklung war und
ist in den letzten Jahren auch in Halle offensichtlich, zumindest für jene,
die dieses sehen wollen. Auch hier hält die oben beschriebene Normalität
Einzug: Offen auftretende Neonazis und deren Propaganda bestimmen immer mehr
das Straßenbild. Faschistische und rassistische Pöbeleien und Übergriffe,
deren Aufzählung diesen Rahmen sprengen würde, sind an der Tagesordnung. Der
"Freiheitliche VolksBlock" (FVB) führt mit Konrad Roock (Vorsitzender des
Landesverbandes Sachsen-Anhalt, Mitglied im Bundesvorstand) an der Spitze
Schulungen mit etwa 13 bis 16 Jährigen durch. Die nach dem Vorbild der
"freien Kameradschaften" organisierte "Weisse Offensive Halle/Saale" um Raik
Trummer ist regelmäßig bei den größeren Naziaufmärschen in der gesamten BRD
zu finden. Sven Liebich (Mitglied der "Blood & Honour"-Bewegung, ehemaliger
Inhaber des Nazimusikversandes "Ultima-TonträgerVersand" in Halle, Inhaber
des Naziladens "Midgard" in Leipzig), ist innerhalb des "Blood &
Honour"-Netzwerkes einer der größten Händler für Nazimusik. Der
DVU-Kreisverband Halle/Saalkreis führt monatlich so genannte Stammtische
durch. Weiterhin die Neugründung eines NPD-Kreisverbandes Halle mit Denny
Huschenbett (Mitglied der "Weissen Offensive Halle/Saale") an der Spitze und
außerdem der offene Schulterschluß der "Halle-Leobener Burschenschaft
Germania" (Wilhelm-Külz-Str.6) mit organisierten Stiefel- und
Krawattennazis.

Die gesellschaftliche Rolle der Nazis

Die oben genannten, bei weitem nicht vollzählig aufgeführten, faschistischen
Gruppierungen repräsentieren relevante Teile der regionalen Naziszene und
deren brutale Schlägergruppen, die teilweise in das bundesdeutsche
Nazinetzwerk eingebunden sind. Ihren Aufschwung verdanken die Nazis einer
gesellschaftlichen Entwicklung, die seit dem Zusammenbruch der DDR massiv
vorangeschritten ist. Reaktionäre Positionen, die zuvor noch
Außenseiterstatus hatten, wurden von etablierten Parteien aufgegriffen und
in die politische Praxis umgesetzt.

Eine der derzeitigen gesellschaftlichen Funktionen der Nazis besteht darin,
daß sie bewußt für die Einschränkungen von Grundrechten instrumentalisiert
werden. Das wissen wir spätestens seit den Anschlägen und Pogromen der Nazis
und dem Jubel ihrer Sympathisantinnen und Sympathisanten in der Bevölkerung.
Damals, Anfang der 90er, ließ man die Nazis und ihren Anhang bewußt
gewähren, um sich demokratisch ummantelt dem angeblichen "Druck der Straße"
beugen zu müssen - das Grundrecht auf Asyl wurde faktisch ausgehöhlt und
damit zur menschenverachtenden Farce. Diese Politik hat das Erstarken von
Faschisten unterstützt und immer neue Angriffe auf Obdachlose, Flüchtlinge,
Linke und andere gesellschaftliche Minderheiten nach sich gezogen. Als die
Faschisten ihren Dienst als Wegbereiter zur Akzeptanz rechter Inhalte in der
Gesellschaft getan hatten, setzten staatliche Maßnahmen wie Verbote gegen
faschistische Parteien und Organisationen ein, die vorrangig das Ziel
hatten, die erstarkte Nazibewegung wieder in kontrollierbare Bahnen zu
lenken. In diesem Zusammenhang ist auch die derzeitige Debatte um die
Verschärfung des Versammlungsrechtes und damit verbunden die Einschränkung
der Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung zu
sehen.

Eine andere Rolle, die die Nazis im verstärkten Maße seit den 70ern spielten
und spielen, besteht in ihrer Funktion als Stichwortgeber. Insbesondere bei
der so genannten Vergangenheitsbewältigung gelingt es ihnen, die Stichworte
für deutsche Diskurse der Gegenwart abzuliefern, zum Beispiel bei der
Debatte um die Ausstellung zu den Verbrechen der Wehrmacht, die in den
vergangenen Jahren häufig politisches Angriffsziel faschistischer Aufmärsche
war. Ist ihnen das geglückt, werden sie allerdings gesellschaftlich
geschnitten, woraus sich folgende "beispielhafte" Situation ergibt: Eines
der Aushängeschilder deutscher Schriftstellerei, Martin Walser, redet
gleichlautend der Nazipropaganda, die durch den offen ausgebrochenen
deutschen Nationalismus endgültig salonfähig geworden ist. Walser meinte
Ende 1998 in einer Rede in Frankfurt/Main vor den politischen und geistigen
Repräsentanten Deutschlands dasselbe wie die Nazis: er sagte, er könne von
Auschwitz nichts mehr hören. Dafür heimste er stehende Ovationen ein. Hätte
ein bekannter Nazi dasselbe gesagt
- - alle hätten ihn verteufelt und sich von ihm abgegrenzt.

Weiterhin suchen sich Nazis ihr Betätigungsfeld dort, wo andere
gesellschaftliche Kräfte bereits Vorarbeit geleistet haben. Vertreten
etablierte Parteien rassistische Inhalte, wie die CDU mit ihrer Kampagne
gegen die "Doppelte Staatsbürgerschaft", verhilft ihnen das nicht nur zu
größerer Popularität bei rassistischen Teilen der Bevölkerung, sondern führt
gleichzeitig dazu, daß die Grenzen zu faschistischen Inhalten immer mehr
verwischen.

Die unmögliche Doppelrolle einer "Mitte der Gesellschaft"

Durch die Normalisierung rechter Inhalte wird der Boden für eine anwachsende
faschistische Mobilisierung bereitet, gleichzeitig werden die Faschisten mit
ihren Themen zunehmend politikfähig. Faschisten und etablierte Parteien
treiben so den rechten Vormarsch wechselseitig voran. Wovon linksradikale
Antifaschistinnen und Antifaschisten seit Jahren reden, hat sich
mittlerweile in gesellschaftlich breiten Kreisen durchgesetzt: Die Nazis -
im allgemeinen nachkriegsdeutschen Sprachgebrauch als "Rechtsextremisten"
bezeichnet - kommen aus "der Mitte der Gesellschaft". Was das jedoch
bedeutet und praktisch nach sich zieht, heißt in aller Regel nicht mehr als
ein Plädoyer für "gelebte Demokratie", die sich in Zivilcourage -
insbesondere "gegen Gewalt" - ausdrücken soll. Die Schizophrenie dabei:
dieselben Kreise, die als Mitte der Gesellschaft als Verantwortliche für die
Existenz einer Nazi-Bewegung ausgemacht werden, sollen auch die sein, die
gegen die Nazis vorgehen. Unfreiwillig wird an Hand dieses Widerspruches die
deutsche Realität sichtbar: aktiver Antifaschismus - der Kampf gegen Nazis -
ist gestern wie heute eine Randerscheinung!

Kriminalisierung von AntifaschistInnen - Solidarität mit diesen

Aufgrund oben dargestellter Zusammenhänge verwundert es somit auch nicht,
daß aktive Antifaschistinnen und Antifaschisten kriminalisiert werden. So
auch in Halle. Am Abend des 27.April 1998 fand in Halle eine Spontandemo
gegen den Wahlerfolg der rechten DVU bei den Landtagswahlen (12,9%) statt.
Im Verlauf dieser Demonstration wurden 3 Personen willkürlich festgenommen.
Ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Zwei
Antifaschisten erhielten Anklageschriften wegen schweren Landfriedensbruch,
gefährlicher Körperverletzung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr
und Sachbeschädigung und erwarten nun ihren Prozeß. Am Samstag, dem 14.März
1998 fand in Saalfeld eine antifaschistische Demonstration unter dem Motto:
"Antifaschismus läßt sich nicht verbieten! Gegen jeden rechten Konsens!
Stoppt faschistische und rassistische Übergriffe!" statt. Auf dem Weg zu
dieser Demonstration wurde ein Buskonvoi, der zu dieser Demonstration nach
Saalfeld fahren wollte, von der Polizei gestoppt, die Demonstrantinnen und
Demonstranten durch die Polizei mit Reizgas und Gummiknüppeln angegriffen
und etwa 120 Antifaschistinnen und Antifaschisten eingekesselt und in so
genannten Unterbindungsgewahrsam genommen. Auch in diesem Falle erhielten
mittlerweile Antifaschisten aus Halle Anklageschriften wegen schweren
Landfriedensbruch und "warten" nun auf ihren Prozeß. Hierbei ist
bemerkenswert, daß ein Antifaschist aus Erfurt mit der Begründung verurteilt
wurde, daß das Verfahren nicht wegen Geringfügigkeit eingestellt werden
könne, da noch 120 andere Verfahren anhängig sind und die Kosten dafür
keinesfalls die Staatskasse trage. Für diese Prozesse werden mehrere tausend
Mark an Anwalts- und Prozeßkosten benötigt. Auch wenn hier nur einige
angeklagt sind, stehen diese doch exemplarisch für die Kriminalisierung
aller aktiven Antifaschistinnen und Antifaschisten. Nur gemeinsam ist es
möglich, dem Staat entgegenzutreten. Solidarität soll kein leeres Wort
bleiben, sondern dann in die Tat umgesetzt werden, wenn sie wirklich
benötigt wird. Das ist genau jetzt der Fall. Aus diesem Grund gehen alle
Gewinne des Benefiz-Konzertes zugunsten der angeklagten AntifaschistInnen.

Gegen jeden rechten Konsens!
Antifaschismus ist notwendig, nicht kriminell!
Solidarität hilft siegen!


massive aktion
autonome antifa halle
antifaschistisches schulnetz halle

programm:

concert:
full speed ahead (hardcore)
liebejung (rock-pop)
blank ton forschung (hip-hop)
chemieverseucht (punkrock)

chill la beat + sunprojekt - 2 dancefloors

15°°spray-contest vorm tscherny haus

18°°vortrag über die geschichte der revolutionären
zellen (RZ)

info-stände von:
infoladen halle
café-stand chiapas
mumia abu-jamal (gruppe aus merseburg)

chronik der rassistischen überfälle

verschiedene filme (u.a. reclaim the streets, ak
kraak...usw.)

vegetarische und vegane
kost vom quinoa

cocktail-bars


 

23.05.2000
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Antifaschismus]  Zurück zur Übersicht

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