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Aachen: Freisprueche im CDU-Prozess

Alle Angeklagten freigesprochen

Im Prozess wegen der Besetzung der Aachener CDU-Fraktionsbueros im Januar
1999 aus Protest gegen die rassistische Unterschriftensammlung gegen die
Teileinfuehrung der Doppelten StaatsbuergerInnenschaft sind am Mittwoch alle
drei Angeklagten freigesprochen worden. Es war nicht nachzuweisen, ob sie
sich tatsaechlich an der Besetzung beteiligt haben.


Lustige Beweisaufnahme

Mit andauerndem Gelaechter quittierten die ca. 30 UnterstuetzerInnen der
Angeklagten die Aussagen von vier CDU-MitarbeiterInnen (inkl. oertlicher
Prominenz) und drei Bullen. Im wesentlichen ging es um das Outfit der
Beteiligten und die Frage, wer wann wo einen Hund dabei gehabt haette. Alle
CDU-ZeugInnen waehnten sich zwar in der Lage, sowohl die BesetzerInnen als
auch die spaeter von den Bullen eingekesselten Menschen als ein- und
dieselbe Personengruppe zu identifizieren - mit einzelnen Personen fiel
ihnen das aber umso schwerer, da ?die Linken ja alle irgendwie aehnlich
aussehen". Fuer die Bullen war klar, dass die ?Gruppe aus dem linken
Spektrum, also die Autonomen" die TaeterInnen sein mussten, weil ?das war so
als Gruppe ganz deutlich zu erkennen, dass die nichts Gutes im Schilde
fuehrten". Einer der Bullen wusste noch zu ergaenzen, dass ihm nicht so
genau aufgefallen sei, wie viele der Verdaechtigen mit einem Hund unterwegs
gewesen seien - aber es sei ?in diesen Kreisehalt ueblich, Hunde mit sich zu
fuehren". Usw...


Fehler im Vernehmungsprotokoll oder Staatsschutzkonstrukt?

Obwohl die ZeugInnen von der CDU sich an sehr verschiedene Personen aus der
BesetzerInnengruppe erinnern konnten (je nach Haustier, Haarlaenge und
Haltung), die als groesstes, gemeinsames Vielfaches eindeutig auf zwei
Maenner und eine Frau hinausliefen, machte der verantwortliche Bulle daraus
im Vernehmungsprotokoll zwei Frauen und einen Mann - die spaeteren
Angeklagten. Mit diesem Widerspruch konfrontiert, berief der Bulle sich auf
seine schlechte Erinnerung wegen der langen Zeit, die verstrichen sei (von
der Besetzung bis zur Vernehmung waren das genau 20 Stunden...) - und
darauf, dass ja der Staatsschutz die eigentlichen Ermittlungen uebernommen
habe. Der hatte zwar keinen Zeugen aufgeboten, aber unsere Einschaetzung,
dass es primaer darum ging, bestimmte Personen in ihrem politischen
Engagement einzuschuechtern, sehen wir erstaunlich offen bestaetigt.


Der Staatsanwalt

Am Ende sah sogar der Staatsanwalt keine andere Moeglichkeit, als Freispruch
mangels Beweisen zu fordern. Sichtlich getroffen von zahlreichen Vorwuerfen
der VerteidigerInnen betonte er allerdings, es habe sich dennoch um eine
Straftat mit erheblicher krimineller Energieleistung gehandelt - um
politische Motive gehe es hierbei nicht - und ausserdem saehe die Gegenseite
alles wohl anders, wenn es sich z.B. um eine Besetzung irgendwelcher
SPD-Bueros durch Rechte gehandelt haette...


Die Verteidigung

Waehrend die Angeklagten es vorzogen, den Prozess schweigend zu geniessen - und nebenher eben auszusehen, wie Linke nun mal aussehen - verzichtete auch die Verteidigung auf die wohl noetige Aufklaerung des - sehr jungen - Staatsanwalts ueber Totalitarismustheorien. Stattdessen fragte sie sich, wie es wohl ueberhaupt zu diesem Verfahren gekommen sei.


Scharfe Kritik am politischen Verfolgungswillen der Ermittlungsbehoerden

?Wie will ausgerechnet die CDU glaubhafte Sorge um Recht und Ordnung
zeigen?" ?Waehrend die Justiz klagt, dass sie ueberlastet sei, ermittelt die
Staatsanwaltschaft trotz stuemperhafter Anfaengerfehler der Polizei."
?interessanter Anschauungsunterricht, wie der Staat bei politischem
Engagement verfaehrt" ?Es hat blosser politischer Verfolgungswille
geherrscht. Devise: Wer die falsche Kleidung hat, ist dran." Mit diesen
Statements fasste die Verteidigung den Eindruck zusammen, den dieser
dreistuendige Prozess bei allen ZuschauerInnen hinterliess (selbst der
Richter grinste die meiste Zeit vor sich hin...) - vor allem die Motive
hinter den offensichtlich von den Bullen gefaelschten ZeugInnenaussagen
blieben ungeklaert.


Fazit

1. Waere es anders gelaufen, waeren nicht zum ersten mal Menschen nur
aufgrund eines Verdachts, einer politischen Verfolgungsabsicht oder ihres
aeusseren Erscheinungsbildes - aber ohne Beweise - verurteilt worden. Es hat
sich aber auch gezeigt, dass entschlossenes und offensives Auftreten gegen
die Staatsschutzangriffe durchaus erfolgreich sein kann. 2. Die Staatskasse
verbucht nach Presseberichten ein fettes Minus von 5000 DM. 3. Die
Presseresonanz fiel trotz bescheidener Arbeit im Vorfeld sehr gut aus.

RASSISMUS BEKAEMPFEN!!!
STAATSSCHUTZANGRIFFE ZURUECKSCHLAGEN!!!
DIE LETZTE SCHLACHT GEWINNEN WIR!!!


Aachen, im März 2000


(weitere Infos und Erfahrungsaustausch mit anderen Staedten: mail an
 fsphil@gmx.de)


 

06.03.2000
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