nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Wehrmachtsausstellung in Braunschweig - Noch ist Adolf Hitler Ehrenbuerger

Noch ist Adolf Hitler Ehrenbürger
Braunschweiger Rechtskonservative und Neofaschisten planen
Protest gegen Wehrmachtsausstellung

Braunschweig: die Stadt, die Adolf Hitler zum Reichsbürger
machte und noch immer als Ehrenbürger führt. Auch hier hat man
sich nun durchgerungen, die Ausstellung »Vernichtungskrieg.
Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« zu zeigen. Vom 10.
November bis zum 23. Dezember 1999 soll sie in den nicht
gerade repräsentativen Räumen einer Berufsschule zu sehen
sein. Da kritisiert selbst ein Kommentator in der ansonsten
eher konservativen »Braunschweiger Zeitung«: »wenn sich
Verwaltung und politische Gremien für die Ausstellung
entschieden haben, dann sollten beide auch die Courage haben,
sie an angemessenem Ort zu zeigen und nicht in einer Schule am
Stadtrand verstecken«.

Pikanterweise ist ausgerechnet diese Schule eine Hochburg von
zahlreichen Nazi-Skinheads aus dem Umfeld der NPD/JN und der
Kameradschaft »Elmfront«, wie selbst die Schulleitung
einräumt.

Daß die Wehrmachtsausstellung nicht im ehrwürdigen Rathaus
gezeigt wird, erklärt Kulturdezernent Hans-Peter Conrady mit
»Sicherheitsbedenken« und »Raummangel«. Dem Dezernenten andere
Motive zu unterstellen, dürfte nicht abwegig sein. Er machte
1996 bundesweit negative Schlagzeilen, als er im Städtischen
Museum eine Ausstellung mit Bildern des NS-Künstlers Paul
Hähndel zeigte, in der unkommentiert neben Ölgemälden in
Landserromantik auch Hitler-Porträts hingen.

Die Entscheidung des Rats der Stadt Braunschweig, die
Wehrmachtsausstellung in die Stadt zu holen, löste heiße
Debatten aus. Neben den üblichen Hetzbriefen in der
Regionalpresse fühlten sich auch Politiker berufen, die »Ehre
der deutschen Wehrmacht« zu verteidigen. Im Rat der Stadt
sprach sich vor allem Milo von Bismarck (CDU) mit dem Hinweis
auf den gegenwärtigen Einsatz deutscher Soldaten im Kosovo
gegen die Ausstellung aus: »Wir wissen nicht, wie es dort für
sie ausgeht, und es ist nicht gut, wenn die Mütter der
Soldaten derzeit mit solchen Fragen konfrontiert werden«.
Während deutsche Soldaten wieder auf dem Balkan marschieren,
soll ihnen an der »Heimatfront« nicht in den Rücken gefallen
werden.

Milo von Bismarck ist überhaupt sehr um die »Ehre« der
deutschen Soldaten besorgt. Er pflegt enge Kontakte zur in
Braunschweig ansässigen rechtskonservativen SPD-Abspaltung
Ludwig-Frank-Stiftung (LFS), die nach Ansicht der
Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (PDS) Verbindungen bis
hinein ins neofaschistische Spektrum unterhält. In der
LFS-Zeitschrift Europa-Brücke wurde bereits im letzten Jahr
zur Verteidigung der Wehrmacht aufgerufen: »Der deutsche
Soldat hat für seine Heimat tapfer und anständig gekämpft«,
wird der amerikanische Oberbefehlshaber im II. Weltkrieg,
General Eisenhower, zitiert. Die Ausstellung sei eine
»Schandschau«, die »noch immer von extrem linken
Organisationen« ausgestellt werde, und eine »Hetzkampagne
gegen die gesamte Kriegsgeneration«. Deswegen verurteile die
LFS die »verlogene Hetze der Anti-Wehrmachtsausstellung der
Reemtsma-Heer-Bande«.

Selbstverständlich wittert auch die NPD wie schon in anderen
Städten die Chance, in der trüben brauen Brühe zu fischen.

Es kann also davon ausgegangen werden, daß auch Braunschweig
nicht von Aufmärschen rechtskonservativer bis
neofaschistischer Gruppierungen verschont bleibt. Etwas Gutes
haben die Auseinandersetzungen um die Wehrmachtsausstellung in
Braunschweig aber immerhin bewirkt: Die Ehrenbürgerwürde für
Adolf Hitler soll aus Anlaß der Eröffnung formal
zurückgenommen werden.

David Janzen, Braunschweig


 http://www.jungewelt.de/1999/10-08/013.shtml

 

08.10.1999
Jungewelt   [Aktuelles zum Thema: Int. Solidarität]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht