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Eisenach: Gedankenaustausch von rechts

Pressemitteilung des AK AntiFa/AntiRa:

28. September 1999


Gedankenaustausch von rechts in Eisenach

In der Zeit vom 1. bis zum 3. Oktober 1999 tagt die "Junge Landsmannschaft
Ostpreußen" (JLO) in der Stadt Eisenach. Drei Tage lang wird sie
revanchistisches Gedankengut in der Jugendherberge der Wartburgstadt
pflegen können. (Ca. 30 Personen werden hier übernachten, die Tagung
findet im Hotel "Sophienaue" direkt nebenan statt.)

Schon im vergangenen Jahr führte die JLO ein "Deutschlandpolitisches
Seminar" im Hotel "Sophienaue" durch. Damals referierte unter anderem
Generalmajor a.D. Gerd Schultze -Rhonhof. Ihm wird vorgeworfen,
rechtsextremen Gedankengut nachzuhängen.

Das es die JLO auch diese Jahr wieder nach Eisenach zieht sei Ergebnis
fehlender politischer Distanzierung der Stadt gegenüber jeglicher
rechtskonservativer bis neofaschistischer Gruppierung, so ein Vertreter
des Arbeitskreis Antifaschismus/Antirassismus - Für internationale
Solidarität. Wie das Beispiel der "Deutschen Burschenschaft" und deren
jährlicher "Burschentag" zeigt, scheut die Stadt sich vor einer
antifaschistischen Positionierung.


Zur Hintergrundinformation:

Pressemitteilung des Arbeitskreis AntiFa/AntiRa vom 29.09.1998


Rechter Tourismus in Eisenach

Eisenach: Nach den rechtsextrem unterwanderten Deutschen Burschenschaften
(DB) nun die "Junge Landsmannschaft Ostpreussen" (JLO)

Vom 2. bis 4. Oktober 1998 findet in Eisenach das "Deutschlandpolitische
Seminar" der "Jungen Landsmannschaft Ostpreussen" (JLO) statt. Als
Referent ist u.a. Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof geladen.


Wer ist die JLO?

Die Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) bildet einen
Schulungszusammenhang für die Herausbildung einer jüngeren
Nachfolgegeneration in der Landsmannschaft Ostpreußen (LO). Offen
revanchistisch bündelt sie junge Kräfte aus Burschenschaften und der
"Neuen Rechten". (...)
Die Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) hat in der Mai-Ausgabe (1998)
ihrer unregelmäßig erscheinenden Mitgliederzeitung "Fritz" die Debatte um
eine Öffnung der Organisation an die "Basisgruppen" weitergegeben: Nach
einem Beschluß der JLO-Bundesversammlung sollen die Mitglieder über die
Zukunft des Jugendverbandes der Landsmannschaft Ostpreußen (LO)
entscheiden.
Die "beiden maßgeblichen Marschrouten", so der ehemalige JLO-Vorsitzende
Bernhard Knapstein, ließen sich unter "Aufbau einer Deutschland-Jugend -
für ein Deutschland mit Ostpreußen" und unter "Nutzung der Kernkompetenz -
von Ostpreußen aus für Deutschland" subsumieren.
Die erste Variante geht von der Analyse aus, daß die "Bedeutungslosigkeit
auch der Ostpreußen", also derer, die tatsächlich noch von den Alliierten
umgesiedelt wurden, deutlich wird. Somit sei nur über die "Änderung der
allgemeinpolitischen Lage" auch "eine Wende für Ostpreußen zu
erreichen".Die Konsequenz: "Ein deutsches Ostpreußen könne es nur geben,
wenn ein deutsches Deutschland fortbestehe." Und um dieses zu fundieren,
müsse die JLO das "allgemeinpolitische Mandat, also das Recht zur
Mitsprache in allen Fragen", erstreben. Für den Fall, dass diese Variante
sich durchsetzen sollte, stünde auch eine Namensänderung in "Deutschland-
Jugend / JLO" an.
Die zweite diskutierte Variante geht von der Prämisse aus, "daß keine
Organisation das Thema Ostpreußen besser belegen kann als die JLO". In
"allgemeinpolitischen Aktivitäten" wird die Gefahr gesehen, dass der
"landsmannschaftliche Segen" sowie die damit verbundenen Gelder verloren
gehen könnten. Die LO biete zudem "bisher den Schutz vor den Angriffen der
linksliberalen und internationalistischen Parteien und Gruppierungen".
Ein Abweichen von der strikt an "Ostpreußen" orientierten Arbeit könne
außerdem zu Massenaustritten - die JLO zählt nach Eigenangaben derzeit
etwa 1200 Mitglieder, mit steigender Tendenz - führen. Deshalb sei es
erforderlich, das "Schützengrabensystem der Arbeitskreise" auszubauen.
Zudem sei eine "Beteiligung an der Deutschlandbewegung" bereits vorhanden
und könne erweitert werden, "ohne den Schützengraben der Kernkompetenz
Ostpreußen zu verlassen".
Besonders neu sind jedoch beide Modelle nicht. Anhand des Organs der
Landsmannschaft Ostpreußen, dem Ostpreußenblatt ist bereits detailliert
nachzuvollziehen, wie sich ein allgemeinpolitisches Mandat mit der
"Kernkompetenz Ostpreußen" vereinbaren läßt. Neben den für das
aussterbende Klientel der Aktivumgesiedelten - im LO / JLO-Jargon
"Erlebnisgeneration" genannt - bestimmten Berichten aus den
"Heimatkreisen", über die "landsmannschaftliche Arbeit" und den Such- und
Todesanzeigen, greift das Ostpreußenblatt tagespolitische Geschehnisse auf
und initiiert für die extreme Rechte wichtige Strategiedebatten. Außerdem
ist klar, daß die angebliche Vertreibung eines der zentralen Themen des
gesamten rechten Spektrums ist - stets verbunden mit Fragen nach Volkstum,
Nation, Kultur, Geschichte und Sprache.
"Einsatz für die deutsche Volksgruppe in der Heimat, intensives
Fahrtenleben und Mut zum politischen Bekenntnis zu Deutschland" wird
dieses Konzept in einem aktuellen JLO-Papier übersetzt. René Nehring, seit
November 1997 Bundesvorsitzender der Organisation, hat den Umgang mit den
beiden Strategiemodellen in einem internen Rundschreiben Anfang des Jahres
auf den Punkt gebracht: "Sowohl Deutschland als Ganzes, als auch
Ostpreußen als Teil dieses Ganzen sind Erbe und damit Auftrag aller
Deutschen. Kein deutscher Stamm und keine gesellschaftliche Gruppierung
hat das Recht, sich aus dieser Verantwortung zu stehlen. Die JLO muß daher
im Gegenzug auch für alle politischen und landsmannschaftlichen Strömungen
gesprächsbereit bleiben." Der 22jährige weiß, wovon er spricht: 1996/97
studierte der Berliner zwei Semester an der Staatlichen Universität
Kaliningrad und ist somit mit dem Terrain vertraut. Sein zweites
Standbein: Er war erster Stipendiat der Deutschen Burschenschaft (DB) in
Kaliningrad und ist in der Burschenschaft Gothia Berlin aktiv.
Diese Aktivitäten sind in der JLO beileibe kein Einzelfall - vielmehr ist
es charakterisierend, daß das Interesse an den ehemaligen deutschen
Ostgebieten das prägende Moment für das Engagement inner- und außerhalb
des Verbandes ist und nicht irgendeine "Vertreibung".
Beispielsweise war Nehrings Amtsvorgänger Bernhard Knapstein als
Politischer Referent der Kölner Burschenschaft Germania tätig, in deren
Haus die JLO 1994 auch die Tagung "Der Deutsche Osten - Perspektiven im
neuen Jahrtausend" durchgeführt hatte.
Die JLO bleibt auch für die "Deutschland-Bewegung" von Alfred
Mechtersheimer attraktiv. Bei der letzten JLO-Bundesversammlung referierte
der Starnberger "Friedensforscher" und traf dabei laut JLO den "Nerv der
Delegierten": Das Ziel einer in der "Basis verwurzelten Deutschland-
Bewegung" müsse es sein, das "Nationale" in den Mittelpunkt zu rücken. Und
das will auch die JLO: Wie hatte es der erste JLO-Vorsitzende Rüdiger
Stolle bei der Gründung des Jugendverbandes Anfang 1991 - die seinerzeit
ebenfalls in Würzburg stattfand - ausgedrückt? "Nicht als Zeichen
nationaler Überheblichkeit, sondern als Bekenntnis zu unserer Geschichte"
- - Stolle begründete seinerzeit mit diesem Satz, warum die Versammlung der
JLO alle Strophen des "Deutschlandliedes" gesungen hatte.


Wer ist Gerd Schulze-Rhonhof?

Schultze-Rhonhof ist Spezialist für die vaterländischen Sorgen der
rechtskonservativen und -extremen in und außerhalb der CDU. Der
Generalmajor, der 1996 aus Protest gegen die Wehrpflichtzeitverkürzung um
seine vorzeitige Entlassung aus dem "aktiven Dienst" nachsuchte, ist
stolzer Träger des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold und des
Bundesverdienstkreuzes am Bande. Bis zum Befehlshaber und
Kommandeur des

Wehrbereichskommandos II / 1. Panzerdivision mit Sitz in der Kurt-
Schumacher-Kaserne Hannover hatte er es gebracht. Vorher war er unter
anderem als Hilfsreferent im Bundesverteidigungsministerium, als
Oberstleutnant der Heeresgruppe Nord der Nato in Mitteleuropa und als
Dozent und Lehrgangsleiter an der Führungsakademie der Bundeswehr in
Hamburg eingesetzt.
Schultze-Rhonhofs jüngstes Buch trägt den Titel: "Wozu noch tapfer sein?"
Dort schreibt er zum Beispiel über das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung des Tucholsky-Zitates "Soldaten
sind Mörder": "Die Bundesrepublik, vertreten durch das
Bundesverfassungsgericht, hat ihre Treuepflicht gegenüber den Soldaten
verletzt und damit das auf Gegenseitigkeit beruhende Treu- und
Eidverhältnis zu den Soldaten von sich aus aufgelöst."
Schultze-Rhonhofs Buch enthalte "klare Anmerkungen zum Umgang mit dem
Soldatischen in der Öffentlichkeit", stellt Dieter Stein, Chefredakteur
der völkisch-nationalistischen Wochenzeitung "Junge Freiheit" (JF),
erfreut fest. Und die "Stimme" dieses Soldaten, so Stein, sei "gefragt" -
gerade auch in Steins Zeitung: Anfang Januar gab Schultze-Rhonhof der
Jungen Freiheit ein zweiseitiges Interview. Nebenbei erklärte er dort, die
Wehrmacht habe "ihre guten und ihre schlechten Seiten" gehabt. Und weil
die JF nicht irgendein Provinzblättchen, sondern eines der zentralen
Periodika der extremen Rechten ist, fand Schultze-Rhonhofs Antritt zum
Interview auch Erwähnung in den "Tagesthemen". In Folge des "Tagesthemen"-
Berichtes verbot der Heeresinspekteur Helmut Willmann dann die Auftritte
des pensionierten Militärs in Hannover.
Schultze-Rhonhof, der die "konservative Auffassung" vertritt, daß "der
Offizier, der Beamte und der Richter zuerst dem Lande gegenüber
verpflichtet ist", sorgt sich auch im Ruhestand weiter um das Ansehen der
deutschen Armeen. Die Bundeswehrführung habe nicht erkannt, "daß die
Aktion ,Wehrmachtsausstellung' im Grunde gegen das deutsche Soldatentum an
sich gerichtet ist". Weil zahlreiche rechtsextreme "Einzelfälle" in der
Bundeswehr in der Presse "fast zeitgleich lanciert" worden seien, glaubt
Schultze-Rhonhof, "daß es eine gezielte Aktion von irgend jemand ist, der
über Jahre hinweg 'Munition' gesammelt hat und sie nun abschießt".
Neben solchen Verschwörungstheorien hat der Ex-Generalmajor auch
Aufklärung über die demokratischen Traditionen der Bundeswehr im Programm:
"Wir haben als Bundeswehr sehr viel aus der Wehrmacht übernommen. Wir sind
von Wehrmachtsoffizieren aufgebaut worden. Die Dinge, die wir übernommen
haben, sind vor allem die nicht sichtbaren - taktische Vorstellungen,
technische Vorstellungen, unser Wehrrecht, die Auftragstaktik und das
Prinzip des Primats der Politik."

Bundeswehr stoppte zwei Veranstaltungen mit umstrittenem Ex-General. Zwei
Vortragsveranstaltungen der "Ost- und Mitteldeutsche Vereinigung der CDU/
CSU - Union der Vertriebenen und Flüchtlinge" (OMV) mit dem umstrittenen
Ex-General Gerd Schultze-Rhonhof durften nicht wie ursprünglich geplant in
Einrichtungen der Bundeswehr stattfinden. Das Verteidigungsministerium
bestätigte einen entsprechenden Bericht der "Braunschweiger Zeitung"
(Samstagsausgabe, 7.3.98). Nach Angaben eines Sprechers begründete
Heeresinspekteur Helmut Willmann diesen Schritt damit, daß die
Heeresoffiziersschule Hannover, in der ein Vortrag für den 11. März
geplant war, dadurch in eine kontroverse politische Diskussion
hineingezogen werden könne. Die andere Veranstaltung war diesen Angaben
zufolge für den 4. Mai in einer Braunschweiger Kaserne geplant.
Schultze-Rhonhof wird von Kritikern vorgeworfen, er hänge rechtsextremem
Gedankengut an.


Eisenach, ein Wallfahrtsort der politisch Rechten?!

Die Wahl Eisenachs als Veranstaltungsort sei kein Zufall, sondern Folge
der den "Deutschen Burschenschaften" gewährten Gastfreundschaft durch den
OB der Stadt, so ein Sprecher des Arbeitskreises Antifaschismus/
Antirassismus - Für internationale Solidarität.
Die JLO pflegt zu den DB enge Beziehungen.

Anläßlich der Proteste gegen das Treffen der "Deutschen Burschenschaften"
befürchtete Eisenachs Oberbürgermeister Brodhun, Eisenach könne zu einem
zweiten Saalfeld werden. Der Bürgermeister und Rat der Stadt hätten es in
der Hand eine solche Entwicklung zu verhindern. Es bedürfe "nur" ihrer
eindeutigen Stellungnahme gegen rechtsextreme Entwicklungen in der Stadt
und der Absage an Veranstaltungen wie dem "Deutschlandpolitischen
Seminar", so der Sprecher des Arbeitskreises. Äußerungen wie des
Ministerpräsidenten Dr. Vogel, daß "die Wartburg die deutscheste Burg
aller Burgen ist", würden die Anziehungskraft Eisenachs für ultrarechte
Kräfte zudem stärken.


- - Ende der Pressemitteilung -
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"Der theoretische Lernprozess durch Aufklaerung
wird zum repressiven Konsum,
wenn er den Weg der praktischen Aktion nicht findet."

Rudi Dutschke 1967


 

29.09.1999
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