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Berlin: Protesbrief der JD/JL gegen CDU Kampagne
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Offener Brief an den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der CDU Wolfgang
Schäuble
Nein zur rassistischen Hetzkampagne
Mit Empörung habe ich zur Kenntnis genommen, daß Sie trotz
mahnender Rufe von Seiten der Kirchen, der jüdischen Gemeinde,
der Gewerkschaften und von Migrantenorganisationen an der
Unterschriftenaktion gegen die "Doppelte Staatsbürgerschaft"
festhalten. Wenn Sie "Zuwanderungswellen mit unabsehbarem
Ausmaß" prophezeien und von den "Grenzen der Belastbarkeit"
reden, dann machen Sie sich mitverantwortlich für rassistische
Übergriffe und Ausschreitungen, wie in Rostock und
Hoyerswerda. Sie und Ihre Parteifreunde von der CSU
provozieren mit Ihren Stammtischparolen die Zunahme
ausländerfeindlicher Ressentiments und leisten Schützenhilfe
für rechtsextremistische Parteien. Anstatt sich deutlich von
Parteien, wie der NPD, der DVU oder den REPs, zu distanzieren,
appellieren Sie an die rassistischen Instinkte vieler
Bundesbürger. Wenn Sie sich nun zum Sprachrohr der "breiten
Mehrheit der Bevölkerung" machen, so unterschlagen Sie bewußt,
daß Ihre Partei und die von ihr geführte Bundesregierung über
Jahre hinweg die Angst vor Flüchtlingen und "Überfremdung"
geschürt haben.
Auch wenn Sie auf den breiten Ansturm der Empörung durch eine
scheinbar modifizierte Variante des Unterschriften-Textes
reagiert haben, so kann das nicht darüber hinweg täuschen, daß
Ihre Botschaft bereits bei vielen Bundesbürgern angekommen zu
sein scheint. Äußerungen wie: "Wo kann man hier gegen
Ausländer unterschreiben?" oder "Die liegen uns doch alle nur
auf der Tasche" sind nur einige exemplarische Beispiele für
die Motivation der Unterzeichner.
Auch Ihre Argumentationen gegen die "Doppelte
Staatsbürgerschaft" zeugen von einer verschwommenen
Wahrnehmung Ihrer eigenen Regierungspolitik. Die doppelte
Staatsbürgerschaft ist längst gängige Praxis. In der
Bundesrepublik leben rund zwei Millionen Doppelstaatler, meist
Kinder aus binationalen Ehen. Und seit 1994 wird jede Dritte
der jährlich rund 300.000 Einbürgerungen unter Hinnahme der
alten Staatsbürgerschaft ausgesprochen. Die Mehrheit der
eingebürgerten türkischen Staatsangehörigen besitzt beide
Pässe, den deutschen und den türkischen. In vielen Fällen sah
dies auch Ihre Partei nicht so eng. Daß eine Gefahr von
Doppelstaatlern ausgeht, wird zumindest bei dem
CDU-Europaabgeordneten Otto von Habsburg nicht angenommen: er
besitzt einen bundesdeutschen und einen österreichischen Paß.
Und auch bei der deutschen Minderheit in Polen stellte sich
für Ihre Partei nicht die Frage der "doppelten Loyalität". Sie
bekamen problemlos neben dem polnischen noch einen
bundesdeutschen Paß ausgehändigt.
Die doppelte Staatsangehörigkeit ist auch in den meisten
europäischen Nachbarländern gängige Praxis. So ist der Besitz
von zwei oder sogar mehreren Pässen in Frankreich, Irland,
Italien, Großbritannien, Belgien, Griechenland, den
Niederlanden, Portugal, Spanien, der Schweiz oder in der
Türkei kein Problem.
Gründe, den alten Paß zu behalten, gibt es viele. So ist es
wohl nicht zuletzt dem Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit
geschuldet, wenn sich ehemalige Migranten eine
Fluchtmöglichkeit offenhalten wollen, falls die Situation in
der Bundesrepublik weiter eskaliert. Die Brandanschläge auf
Ausländerwohnheime und die rassistischen Gewalttaten auf
offener Straße führen nicht dazu, daß sich Menschen, auch wenn
sie hier geboren sind, heimisch fühlen. Darüber hinaus gibt es
noch immer viele Länder, welche die Aufgabe der alten
Staatsbürgerschaft nicht akzeptieren. Auch rechtliche
Nachteile im Herkunftsland können in einzelnen Ländern die
Folge einer neuen Staatsbürgerschaft sein. So kann z.B. die
Einreise verboten oder die Möglichkeit, Erbschaften anzutreten
bzw. Grundstücke zu erwerben, eingeschränkt werden.
Ich fordere Sie deshalb nachdrücklich auf: Beenden Sie
umgehend die Unterschriften-Kampagne und distanzieren Sie sich
öffentlich von ausländerfeindlicher Stimmungsmache und
deutschtümelnden Parolen.
Mit freundlichen Gruessen
*Eine Aktion der JungdemokratInnen/Junge Linke*
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