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Kiel: autonomer Aufruf zum Naziaufmarsch am 30.1.

Aufruf von autonomen Gruppen aus Schleswig-Holstein und Hamburg

Am 30. Januar plant die Nationaldemokratische Partei Deutschland/ Junge
Nationaldemokraten (NPD/JN) in Kiel einen Aufmarsch. Vordergründiger Anlaß
ist die vom 7.Januar bis 14. Februar im Landeshaus gezeigte Ausstellung
"Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944".
Die NPD/JN spielt bundesweit als legale Partei eine wichtige Rolle im
faschistischen Spektrum. Sie versucht, nicht mehr nur an den historischen
Nationalsozialismus anzuknüpfen, sondern ein breites Spektrum rechter
Ideologien abzudecken. Die NPD ist ein Sammelbecken von faschistischen und
rassistischen Schlägern bis hin zu Schreibtischtätern selbiger Couleur.
Wie wichtig ihr der historische Bezug auf das NS-Deutschland ist, zeigt
z.B. der Termin, auf den sie den Aufmarsch in Kiel gelegt hat. Der 30.
Januar, der Jahrestag der Machtübergabe an Adolf Hitler 1933, diente in
den vergangenen Jahren häufig als Anlaß für faschistische Aufmärsche.
In Schleswig-Holstein, wo die NPD innerhalb des faschistischen Lagers
eine untergeordnete Rolle spielt, tat sich in der vergangenen Zeit
insbesondere das "Bündnis Rechts für Lübeck" durch zahlreiche
Veranstaltungen und Aufmärsche hervor. Diese zur Kommunalwahl in Schleswig-
Holstein gegründete Partei versteht sich ebenfalls als Sammelbecken, das
von NPD über DVU bis zu den sog. "freien" Nationalisten reicht, daher
wundert es uns nicht, daß der Aufmarschanmelder für Kiel aus Lübeck kommt.
Eines haben alle faschistischen Gruppen und Organisationen gemeinsam: eine
menschenverachtende Ideologie. Sie stehen für einen aggressiven Rassismus,
der sich täglich durch verbale und körperliche Angriffe auf Menschen, die
nicht in ihr rassistisches und faschistisches Weltbild passen, darstellt.
Sie stehen für eine Brutalisierung der Gesellschaft, in der das Recht des
Stärkeren zählt. Sie vertreten ein Rollenbild für Frauen, das durch
Unterwerfung, Kinder und Küche geprägt ist. Sie stehen für Militarismus
und "law and order". Wenn die NPD heute für die Wehrmachtssoldaten auf die
Straße geht, macht sie es einerseits, um aus ihrer historisch
faschistischen Sichtweise heraus, das NS-Regime zu legitimieren und
letztendlich auch den Holocaust zu leugnen. Ebenso wie die etablierten
Parteien ist die Rechte auch daran interessiert, Armee und Krieg ein
"sauberes" Image zu verschaffen. Auch hieran wird deutlich, daß die Ziele
der faschistischen Gruppen, heißen sie nun Republikaner, DVU, NPD oder
Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e.V., weitgehend in der
Gesellschaft verankert sind und von der herrschenden Politik umgesetzt
werden - und das nicht erst seit der rassistischen Kampagne der CDU gegen
die doppelte Staatsbürgerschaft. Die Äußerungen des Innenministers der
rot/grünen Regierung Schily vom "vollen Boot Deutschland" ist Rassismus
pur. Er wiederholt damit wörtlich, was Nazis schon seit Jahren
propagieren. Der Unterschied ist nur, daß es nun offen ausgesprochene
Staatspolitik ist, während solche Äußerungen vor Jahren noch von vielen
Menschen bekämpft worden wären. Politik und Gesellschaft marschieren immer
weiter nach rechts. Diese Tendenz ist für alle klar sichtbar; seien es die
rassistischen "Ausländergesetze" oder das "Asylbewerberleistungsgesetz",
das u.a. besagt, daß Flüchtlinge weniger zum Leben benötigen als Deutsche.
Flüchtlinge bekommen in Deutschland weniger Sozialhilfe als andere
Menschen, und diese lediglich in Form von Gutscheinen.

Kein Mensch ist illegal!

Menschen, die aus berechtigten Gründen ihre Heimatländer verlassen haben
- - auf der Flucht vor Folter, Mord, Vergewaltigung, Hunger und Armut (um
nur einige zu nennen) - werden in diesem Land weiterverfolgt, gedemütigt,
kriminalisiert und das Leben wird ihnen so schwer wie möglich gemacht.
Herrschende Flüchtlingspolitik heißt: So wenige wie möglich ins Land
lassen und so viele wie möglich abschieben. Ein integraler Bestandteil
dieser rassistischen Politik sind die Abschiebeknäste, die landauf landab
aus dem Boden sprießen. Flüchtlinge, deren Asylanträge abgelehnt wurden,
werden oftmals monatelang eingesperrt, mit dem Ziel, andere Flüchtlinge
abzuschrecken und in der deutschen Öffentlichkeit die Assoziation
Flüchtlinge=Kriminelle zu untermauern. Aktuelles Beispiel in Schleswig-
Holstein ist der von der "rot/grünen" Regierung geplante Sonderknast für
Flüchtlinge in Rendsburg. Der Charakter dieses Abschiebegefängnises wird
deutlich, wenn mensch sich vor Augen hält, daß das Gebäude bisher bereits
mit 30 Gefangenen als überbelegt galt, in seiner neuen Funktion aber
plötzlich Platz für 50 Menschen bieten soll. Seit Jahren wird von Politik
und Medien ein Bild aufgebaut, das uns einreden will, daß um uns herum
Mord und Totschlag herrschen und daß gegen diesen Zustand nur ein starker,
aufgerüsteter Staat hilft. Dadurch wurde u.a. erreicht, daß wir heute den
am besten ausgestatteten Überwachungsstaat haben, der je in Deutschland
existierte. Auch diese Liste ließe sich noch weiterführen, ein wichtiger
Punkt, der nicht unerwähnt bleiben darf, ist die neue Rolle, die
Deutschland in der Weltpolitik spielen will. Sie strebt danach, eine voll
schlagfähige Weltmacht zu werden. Hierbei spielt das Militär eine führende
Rolle. Deutschland soll wie die USA in der Lage sein, nicht nur
wirtschaftlich, sondern auch militärisch seine Machtpolitik in anderen
Ländern durchzusetzen. Ob diese Militärschläge uns nun als
"friedensschaffend", wie im Kosovo, oder als "Präventiv-Maßnahmen", wie im
Irak, verkauft werden, ist egal; es geht bei diesen Aktionen nur um Macht
und Einfluß.
Naziparteien wie die NPD bestimmen die Politik in Deutschland nicht, was
aber auch nicht nötig ist, werden doch große Teile ihrer Ideologie in
Politik und Gesetzen umgesetzt. Sie verkörpern manchmal die gern gesehene
Rolle des Anheizers und Wegbereiters. Bestes Beispiel sind die
rassistischen Pogrome 1992. Höhepunkt war damals der Angriff auf die
zentrale Aufnahmestelle für AsylbewerberInnen in Rostock-Lichtenhagen. Die
Pogrome waren eine wichtige Hilfe für die CDU/CSU, SPD und FDP, das
Grundgesetz zu ändern und das Asylrecht in Deutschland praktisch
abzuschaffen. Daß die Pogrome eigentlich nur der vorläufige Höhepunkt
einer jahrelangen rassistischen Hetze der Parteien der Mitte waren, wird
in diesen Zusammenhang oft vergessen.
Die Politik vergießt das Benzin, die rechten Schläger zünden es an. Zu
guter Letzt kann die "neue Mitte", diesen Brand als Feuerwehr wieder
löschen. BrandstifterInnen sind schlechte Feuerwehrleute!
In diesem gesellschaftlichen Klima wundert es uns nicht, daß Menschen,
die sich gegen diese Entwicklung stellen, kriminalisiert werden. So wurden
in Lübeck über 500 Menschen, die gegen zwei Aufmärsche des "Bündnis Rechts
für Lübeck" demonstriert haben, festgenommen. Wenn wir heute als radikale
Linke gemeinsam auf die Straße gehen, machen wir dies nicht nur, um die
NPD mit ihren Stiefelnazis möglichst aus der Stadt zu jagen, sondern
wollen damit gegen die Verhältnisse hier und heute vorgehen. Wir als
radikale Linke treten ein für ein gleichberechtigtes, solidarisches
Zusammenleben ALLER Menschen. Wir treten ein für eine Gesellschaft, in der
alle Menschen die materielle und geistige Freiheit haben, ihr Leben frei
zu gestalten und selbst zu bestimmen. Imperialistische Kriege,
faschistische Schläger und Meinungsmacher, kapitalistische Profitgier,
sexistische und rassistische Menschenbilder und nationalistischer
Größenwahn bekämpfen wir - das wollen wir auch am 30.1. zum Ausdruck
bringen!

Anmerkung zur Wehrmachtsausstellung:
Deutsche Soldaten sind keine Opfer
Grundausgangspunkt ist immer, egal welchen Aspekt wir in Bezug auf die
Ausstellung und damit auf den deutschen Faschismus und seine Armee
thematisieren, daß die
Wehrmacht, der 17 Millionen Deutsche angehörten, eine verbrecherische
Organisation war, die voll bewußt und voll verantwortlich einen
Vernichtungskrieg geführt hat.
Ohne die Wehrmacht hätte es kein Auschwitz, kein Majdanek, kein Treblinka
gegeben, keinen Ausrottungsfeldzug gegen die "jüdisch-bolschewistischen
Weltverschwörer", keine Vernichtung der Jüdinnen und Juden Europas -
keinen Holocaust.
Die Wehrmacht war zusammen mit der SA (bis 1934) und der SS der
schlagende Arm der "deutschen Volksgemeinschaft". Sie war die "zweite
Säule" des NS-Staats, sie war die weitergeführte Umsetzung des deutschen
Militarismus, Ausführerin der Beschaffung neuen "Lebensraums" für die
deutsche Wirtschaft und das "deutsche Volk".

Autonome Gruppen S-H/HH

siehe auch: www.biosys.net/no_nazis

 

26.01.1999
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