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Kiel: Avanti-Aufruf zum Naziaufmarsch am 30.1.

Flugblatt der Gruppe "Avanti-Projekt Undogmatische Linke"

Nazi-Aufmarsch in Kiel verhindern !


CDU betreibt Ehrenrettung für die Wehrmacht und bereitet Nazis den Boden


In der Zeit vom 8. Januar bis zum 14. Februar 1999 ist im Landtag die
Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" zu
sehen; diese dokumentiert den Vernichtungskrieg gegen Juden,
Kriegsgefangene und die Zivilbevölkerung, den die deutsche Wehrmacht 1941
bis 1944 auf dem Balkan und in der Sowjetunion führte. An der bundesweiten
Ehrenrettungskampagne der bürgerlichen und der militanten Rechten
zugunsten der Wehrmacht beteiligt sich seit Monaten auch die CDU in
Schleswig-Holstein. Für den 30. Januar 1999 haben Alt- und Neonazis eine
Demonstration gegen die Ausstellung angekündigt.

Ohne die deutsche Wehrmacht hätte es Auschwitz nicht gegeben. Ohne die
deutsche Wehrmacht hätte es Birkenau nicht gegeben, nicht Lidice, nicht
Oradour. Ohne die deutsche Wehrmacht hätte es nicht 55 Millionen Tote
gegeben. Wehrmachtsgeneräle haben Hitlers Kriegspläne ausgearbeitet. Sie
haben den verbrecherischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg geführt.
Wehrmachtsoffiziere haben die Kommandos zur bestialischen Ermordung der
Zivilbevölkerung gegeben und waren an der planmäßigen Vernichtung der
Juden beteiligt. Das sind historische Tatsachen.
Hitler selbst bezeichnete die Wehrmacht als die "zweite Säule" des NS-
Staates. Solange die Front hielt, solange funktionierten auch die
Gaskammern und die Vernichtungslager der SS. 50 Jahre danach dokumentiert
die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944"
die deutschen Greueltaten an der Front - in Serbien, in Weißrußland und
die der 6. Armee auf ihrem Weg nach Stalingrad. Und 50 Jahre danach,
überall, wo die Ausstellung bisher gezeigt wurde, formiert sich das
schwarzbraune Lager aus Konservativen, den Rechten aus CDU/CSU, aus Alt-
und Neonazis, zu wütendem Protest.

CDU paktiert mit extremer Rechter

Führende Politiker der Landes-CDU beteiligen sich inzwischen an der
Kampagne gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der
Wehrmacht 1941-1944".
Da spielt auch schon die Landtagswahl im nächsten Jahr eine Rolle, wenn
der Ehrenvorsitzende der CDU Schleswig-Holstein, frühere Ministerpräsident
und Ex-Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg persönlich auf einer
Pressekonferenz der Landes-CDU auftritt und gegen die Ausstellung vom
Leder zieht; kurz darauf wurde ihm freilich gerichtlich untersagt, den
verantwortlichen Leiter der Ausstellung weiterhin einen "Lügner& oder
"Fälscher" zu nennen. Wenn es - entgegen der historischen Wahrheit - darum
geht, die Beteiligung der Wehrmacht an den Verbrechen zu verharmlosen oder
zu leugnen, ist den Christdemokraten auch die Zusammenarbeit mit der
extremen Rechten billig. Ende November lud die JU in Segeberg den
ehemaligen Brigadegeneral der Bundeswehr, Reinhard Uhle-Wettler, ein.
Dieser tritt seit Jahren immer wieder als Redner bei faschistischen
Gruppen auf und ist Autor verschiedener neofaschistischer Zeitschriften,
deren Herausgeber sich wegen Volksverhetzung vor Gerichten verantworten
mußten.
Seine Fortsetzung findet diese Zusammenarbeit mit einer Veranstaltung am
12. Januar im Kieler Yacht-Club. Sie wird von der Staats- und
Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.V. organisiert, deren Vorsitzender
Uhle-Wettler ist. Die Diskussionsleitung hat der Kieler CDU-Politiker Uwe
Greve; zu den Rednern zählt etwa Dr. Walter Post, der - wie Uhle-Wettler -
die Aktivitäten des Kieler Neofaschisten Dietmar Munier unterstützt.
Solche Nähe zu Alt- und Neonazis hat bei Schleswig-Holsteins
ChristdemokratInnen eine schlechte Tradition:
· Schon mit der ersten CDU-geführten Landesregierung unter Dr. Walter
Bartram begann in Schleswig-Holstein ein beispielloser Prozeß der
(Wieder)Besetzung wichtiger Positionen in Politik und Verwaltung mit alten
Nazis. Diese "Renazifizierung" sorgte bald auch international für
Schlagzeilen, so etwa 1958 die Wahl des ehemaligen SS-Generals Reinefahrt
zum Abgeordneten des BHE (Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten),
dem der CDU-Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel wenig später die gleichen
"national-politischen Ziele" wie der CDU bescheinigte. Ende der 60er Jahre
beteiligte sich von Hassel an der Verharmlosung der faschistischen NPD.
Damit sei es ihm - auch nach Einschätzung des SPD-Pressedienstes -
gelungen, den "Neonazis in der Bundesrepublik jetzt schon einen
Persilschein auszustellen."
· Der spätere CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel erwies sich zeitlebens
dem Hitler-Nachfolger Großadmiral Dönitz zugetan: als Schulsprecher lud er
ihn an seine Schule ein, als Innenminister nahm er an der Beerdigung von
Dönitz teil, der noch 1953 im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis der
Alliierten davon ausging, daß noch immer er - und nicht Theodor Heuß - das
legale deutsche Staatsoberhaupt sei.
· An der Kieler Universität pflegt der RCDS nun seit Jahren enge Kontakte
zu anderen extrem rechten Gruppen; bei Veranstaltungen waren auch schon
mal Nazi-Schläger zugegen. Inzwischen ist ein Teil des Kieler RCDS
ausgetreten, weil er sich gegen die extremen Rechten nicht durchzusetzen
vermag. Die Landes-CDU ficht das nicht an; wo es - wie 1997 Kritik aus der
SPD-Landtagsfraktion an den RCDS-Aktivitäten gibt - wird diese empört
zurückgewiesen.

In München hat die Hetze der CSU gegen die Ausstellung um Frühjahr 1997
maßgeblich zu einer Situation beigetragen, in der es schließlich zu der
seit etwa 25 Jahren größten Nazi-Demonstration in diesem Land kam: über
5000 Alt- und Neonazis, aber auch "gute Bürger" in Loden- oder
Popelinmantel, Burschenschaftler und Funktionäre von Revanchistenverbänden
nahmen an der von der NPD organisierten Demonstration teil und zogen
stundenlang durch die Münchner Innenstadt. Daß sie ihre Abschlußkundgebung
dabei nicht wie geplant auf dem Münchner Marienplatz durchführen konnten,
lag einzig und allein an den 15.000 Menschen, die diesen Platz besetzt
hatten.
Mit ihrer Polemik und Hetze gegen die Ausstellung, so auch in Norderstedt
bereits im März letzten Jahres, wollen es die ChristdemokratInnen in
Schleswig-Holstein der CSU offenbar gleichtun. Die Nazis werden es ihnen
danken, garantiert ihnen dies doch ein besonders aufmerksames Publikum für
Parolen wie "Deutsche Soldaten - Heldentaten", mit denen die Verbrechen
der Wehrmacht und der SS gerechtfertigt und verherrlicht werden. Wer die
Verbrechen des Faschismus heute rechtfertigt, wäre morgen bereit, sie
wieder zu begehen.

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen

Zur Nazi-Demonstration in Kiel am 30. Januar 1999 rufen bisher die Jungen
Nationaldemokraten (JN) auf, die Jugendorganisation der faschistischen
NPD. Diese hat in den letzten Jahren wieder an Mitgliedern und
Aktionsfähigkeit gewonnen, u.a. dank solcher Demonstrationen wie in
München. Für die neuen und alten Nazis erfüllen solche Aufmärsche wichtige
Funktionen:
· Mitläufer werden fester an die organisierten Faschisten gebunden;
· den Nazis wird ein Gemeinschaftserlebnis geboten, das ihnen ihre
Sammlungs- und Organisationstätigkeit erleichtert;
· ungestraft kann Nazi-Propaganda verbreitet werden;
· gegenüber Sympathisanten stellen sie die Aktionsfähigkeit unter Beweis;
· die Sichtweise, daß die Nazis kein Recht zu öffentlichen Auftritten
haben dürfen, wird aufgeweicht.

In den letzten Jahren sind nahezu alle Nazi-Demonstrationen von deutschen
Gerichten genehmigt worden; die alten und neuen Nazis können sich also
inzwischen darauf verlassen, daß ihre Marsch genehmigt und später von der
Polizei gegen Proteste von AntifaschistInnen geschützt wird. Die Nazis
können bei ihrer Verhöhnung der Opfer des Faschismus auf staatlichen
Beistand rechnen, obwohl auch von der Bundesrepublik unterzeichnete
internationale Abkommen die Verbreitung von rassistischer und
faschistischer Ideologie untersagen.

Wir bleiben der Ansicht, daß der Faschismus keine Meinung ist, die
gleichberechtigt mit anderen diskutiert werden kann. Der Faschismus - das
haben insbesondere die systematische Ermordung der europäischen Juden, der
Sinti und Roma und vieler anderer Menschen sowie der Raub- und
Vernichtungskrieg im Osten gezeigt - ist politisches Verbrechen. Ihm ist
mit allen notwendigen Mitteln entgegenzutreten.

Den Nazis eine Niederlage beibringen !
Die Nazi-Demonstration verhindern !

Seit mehr als 25 Jahren hat in Kiel keine Nazi-Demonstration
stattgefunden; nun wollen sie es wieder wagen und ihre Hetzparolen mit
einem Marsch in die Innenstadt tragen. Dafür haben sie sich den 30. Januar
1999 ausgesucht - den 66. Jahrestag der Machtübertragung an die NSDAP.
Ziel der Aktivitäten des antifaschistischen und demokratischen
politischen Spektrums muß es sein, den Nazis eine Niederlage beizubringen.
Zunächst gilt es, politischen Druck aufzubauen, der - wenn möglich bereits
vor dem 30. Januar - dafür sorgt, daß den Nazis keine Erlaubnis für ihren
Marsch erteilt wird. Dies wird jedoch nicht von selbst passieren; hierzu
ist es notwendig, daß viele Menschen die Initiative ergreifen, aktiv
werden und zum Beispiel entsprechende Protestbriefe und Erklärungen gegen
eine Genehmigung durch das Ordnungsamt der Stadt Kiel, die Polizei und die
Gerichte verfassen und der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Gegen den Nazi-Aufmarsch wird es in jedem Fall eine Protestdemonstration
geben. Kommt es am 30. Januar in Kiel zu einer Nazi-Demonstration, so wird
diese
Gegendemonstration zunächst vielen Menschen die Möglichkeit bieten, ihren
Protest gegen die Nazi-Aktivitäten zum Ausdruck zu bringen. Ein wichtiges
politisches Signal wird es dabei sein, ob deutlich mehr AntifaschistInnen
auf der Straße protestieren als Nazis unterwegs sind.
Je mehr Menschen protestieren, desto größer ist dann die Möglichkeit, daß
die Nazis von ihrem Sammlungspunkt erst gar nicht losmarschieren können.
Wird dies durch die Polizei erzwungen, bestehen vielfältige Möglichkeiten,
den Nazi-Marsch so zu begleiten, daß er für die Nazis in schlechter
Erinnerung bleibt: Transparente, Sprechchöre und antifaschistische Musik
an ihrer Demonstrationsroute kommen hierfür ebenso in Betracht wie direkte
Störungen. Verhindern wir, daß es in Kiel ein öffentliches Forum für alte
und neue Nazis gibt! Dafür zu sorgen ist unsere Verantwortung im Land der
Täter und eine Verpflichtung gegenüber den Opfern des Faschismus.


Kontaktadressen:

AVANTI Lübeck · c/o ALZ · Schwartauer Allee 39-41 · 23554 Lübeck
AVANTI Bad Oldesloe · c/o Inihaus · Turmstraße 14 · 23843 Bad Oldesloe
AVANTI Kiel · c/o Initiativenzentrum · Schweffelstr. 6 · 24118 Kiel


In einem Bericht für die englische Zeitung Observer Anfang 1966
schilderte der britische Journalist Edward Crankshaw in einem
Augenzeugenbericht die Zerstörungen, die die deutschen Truppen im Rahmen
der Strategie der "Verbrannten Erde" anrichteten:

"Die übertrieben langsame Fahrt mit dem Zug auf der neu eröffneten
Eisenbahnstrecke von Moskau zur neuen Grenze bei Brest-Litowsk in den
ersten Nachkriegstagen gleicht einem Alptraum. Auf Hunderte, auf Tausende
von Meilen war nicht ein einziger aufrechtstehender Gegenstand zu sehen.
Jeder Marktflecken, jede Stadt war dem Erdboden gleichgemacht. Es gab
keine Scheunen. Es gab keine Maschinen. Es gab keine Bahnhöfe, keine
Wassertürme. In der weiten Landschaft war nicht ein einziger
Telegraphenmast stehengeblieben, und breite Waldstreifen waren zu beiden
Seiten längs der Eisenbahnlinie als Schutz gegen Partisanenüberfälle aus
dem Hinterhalt abgeholzt worden.
Neben der Strecke lagen die verbogenen Schienen, die die Deutschen bei
ihren Rückzugsbewegungen nach Westen mittels riesiger, auf Spezialzügen
montierter Reißhaken aus ihrem Bett gerissen hatten. Auf den verwahrlosten
Feldern waren nur Frauen, Kinder und sehr alte Männer zu sehen, die nur
mit primitiven Handwerkszeugen arbeiteten."

Edward Crankshaw

siehe auch: www.biosys.net/no_nazis

 

26.01.1999
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