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Berlin: 13.09.1998: Aktionstag gegen Rassismus und Neonazismus in Berlin

(siehe auch:  http://www.nadir.org/nadir/initiativ/aab/aktuell/1309/)

Aufruf des Bündnisses

Der "Tag der Erinnerung, Mahnung und Begegnung" zählt zu den größten
regelmäßigen antifaschistischen Veranstaltungen in Berlin. Überlebende
der Zuchthäuser und Konzentrationslager und zurückgekehrte EmigrantInnen
regten 1945 an, den zweiten Sonntag im September zu einem Gedenktag für
alle Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu erheben. Frauen
und M änner unterschiedlicher Gruppen des deutschen Widerstandes und
Vertreter der jüdischen Gemeinde wandten sich gegen das Verdrängen,
Verleugnen und Vergessen. "Nie wieder Krieg und Faschismus vereinte
noch alle Parteien und zehntausende Menschen in den Jahren 1946/47 im
Berliner Lustgarten. Mit dem einsetzenden "Kalten Krieg" zerbrach der
antinazistische Konsens. Der Gedenktag wurde im Westen Berlins weitgehend
vergessen und geriet in der DDR zu einer immer mehr ritualisierten
Veranstaltung. Nach dem Fall der Mauer setzten sich Vertreterinnen und
Vertreter unterschiedlicher Gruppen wegen der auffallend nationalistischen
Stimmung und einer anschwellenden Ausländerfeindlichkeit dafür ein, den
zweiten Sonntag im September mit neuem Inhalt und einer anderen Form als
"Tag der Begegnung, Mahnung und Erinnerung" zu begehen und damit auch
einen positiven kulturellen Gegenpol zum konservativen Mainstream der
gesamtdeutschen Bevölkerung zu setzen. Weit über 250 Organisationen,
Vereine, Initiativen und Parteien unterstützten seit 1990 den Aktionstag
gegen Rassismus und Neonazismus. Viele Künstlerinnen und Künstler traten
ohne Honorar auf, weil sie das Anliegen wichtig fanden. Schriftsteller
signierten ihre Bücher und waren im Gespräch mit ihren Lesern. Tausende
kamen jedes Jahr in den Lustgarten, trafen Freunde, informierten
sich an Ständen, diskutierten, hörten zu, sangen und tanzten. Eine
bedrohlich nachwachsende rechtsextreme Szene, deren Parolen und Inhalte
unter der Bevölkerung und vor allem unter Jugendlichen eine zunehmende
Akzeptanz finden und eine umsichgreifende rassistische Stimmungslage,
die auch von Politikern etablierter Parteien bedient wird, machen die
aktuelle Dimension dieses Aktionstages im Wahljahr 1998 sichtbar. Der
Rechtsextremismus ist im Osten Deutschlands zur dominanten Jugendkultur
geworden. Das Deutschsein als Lebensgefühl erlebt einen nicht gekannten
Aufschwung. Rechts ist in! Der gemeinsame Haß auf Ausländerinnen und
Ausländer, auf alles "Undeutsche" ist Konsens. Der Rechtsextremismus
sickert meist unwidersprochen ins Alltagsleben ein. Eine Schwelle, eine
Abwehr, eine Immunisierung scheint es nicht zu geben. Die Diskussion
um den Besuch von Berliner Schulklassen in Brandenburg verdeutlicht
die allgemeine Hilflosigkeit im Umgang mit rechtsextremer Gewalt. Es
formiert sich eine rechte Protestfront, eine Haßfront gegen Fremde
und Minderheiten, gegen die Bundesrepublik und ihre demokratische
Verfaßtheit. Eigentlich müssten überall die Alarmglocken schrillen und
demokratische Gegenstrategien entwickelt werden. Stattdessen wird die
multikulturelle Gesellschaft, die Vielfalt menschlichen Zusammenlebens,
ein Gütesiegel einer modernen Metropole, vom Berliner Innensenator
Schönbohm als Kampfbegriff attackiert. Deutschnationales Gedröhn verlangt
Anpassung an deutsche Werte und bedient die Emotionen der Stammtische
und des rechten Randes mit Parolen von einer selbstbewußten Nation. Aber
der Rechtsradikalismus kann nicht bekämpft werden, wenn Politiker seine
Themen übernehmen, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Nicht die
Ausländer, sondern die Deutschen sind das Problem. Die Erinnerung an
Millionen Opfer nazistischer Verbrechen ist Mahnung und Auftrag, heute
gegen Rechtsextremismus, Nationalsozialismus und Rassismus einzutreten und
für ein friedliches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe,
Sprache, Kultur, Religion und Überzeugung zu streiten. Anmeldungen
und Rückfragen bei: IG-Medien, Andreas Köhn,Tel.: (030) 78 80 09-24 oder
beim Bund der AntifaschistenTel.: (030) 28 79 41 90

Darüber und über mehr wollen wir am 13. September 1998 miteinander reden,
uns über unterschiedliche Positionen informieren, mit- und voneinander
lernen, was zu tun ist, Aktionen vorstellen und - der Alltag ist grau
genug - miteinander feiern. Wir treten ein:

- für eine weltoffene und menschliche Gesellschaft
- für die Schaffung gleicher Menschen- und Bürgerrechte für alle
- für ein Bleiberecht aller Flüchtlinge
- für politisches Asyl von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern
- für die sofortige Entschädigung aller Opfer des deutschen Faschismus
- für den Erhalt antifaschistischer Gedenkstätten, deren ausreichende
Förderung und den Verbleib der Namen von Widerstandskämpfern im
Straßenbild
- für das Verbot von Rüstungsproduktion und für eine umfassende Abrüstungs-
und Friedenspolitik

 

24.08.1998
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